Tag 12

Kladovo – Zajecar: 112km; 5:44h im Sattel; 4-8 Grad, bewölkt
Hotel

Nachdem ich das Eiserne Tor hinter mir gelassen hatte war es Zeit, die Donau zu verlassen. Ich beschloss, mich weiter nach Süden zu bewegen und über Sofia nach Istanbul zu radeln.
Der Donauradweg im Winter ist nur bedingt empfehlenswert. Man sieht deutlich, welches Potential in dieser Strecke steckt. Im Sommer wird das sicher auch zur Gänze ausgeschöpft. Jetzt zu dieser Zeit befindet sich aber alles wortwörtlich im Winterschlaf. Viele Lokale sind geschlossen, Unterkünfte sind teilweise schwer zu finden, Gleichgesinnte sucht man vergebens. Die im Sommer sicher traumhaften Uferwege müssen aufgrund der Bodenbeschaffenheit gemieden werden…
Da der bulgarische Abschnitt der Donau bereits im Sommer als sehr ruhig beschrieben wird, beschloss ich für mich, wieder etwas Zivilisation zu suchen. Dazu ist es aber notwendig, wieder ein paar Höhenmeter zu machen. Die Zeiten, des immerzu im Flachen dahinpedalieren sind jetzt vorbei. Schon die heutige Etappe wartete mit etwas mehr als 1000 Höhenmetern auf. Quälend lange Anstiege belohnten aber mit atemberaubenden, teilweise kilometerlangen Abfahrten. Geschwindigkeiten jenseits der 50km/h waren keine Seltenheit.
Es begleitet mich eine ganz in weiß gehüllte Landschaft. Der Boden teils noch mit Schnee bedeckt, über viele Kilometer Dunst in der Luft. Die Sonne gibt zwar ihr Bestes, kommt aber nicht gegen die Dunstschwaden an. Dementsprechend kühl bleibt auch der heutige Tag.
Seit ich Belgrad verlassen habe, wird die Landschaft wieder deutlich sauberer. Die großen Abfallberge am Straßenrad kommen nur noch vereinzelt vor. Es finden sich auch kaum noch tote Tiere an der Straße. Mag auch daran liegen, dass die Dichte an “wilden” Hunden dramatisch abgenommen hat. Makaberes Detail am Rande… Jetzt weisen gehäuft in regelmäßigen Abständen Tafeln am Straßenrand auf – vermutlich – Unfallopfer hin. Hauptsächlich junge Männer. Teilweise aber auch drei bis vier Leute. Wäre interessant, ob Serbien eine proportional hohe Zahl an Verkehrsopfern hat. Stellt sich die Frage, ob das mit den ausrangierten Autos, die aus Europa bezogen werden zu tun hat? Man weiß es nicht. Ich bin auf alle Fälle froh, jetzt im Rückspiegel auch was erkennen zu können. Bisher gab es aber noch keine kritischen Situationen.
Nachmittags war das Etappenziel erreicht. Direkt im Zentrum checkte ich in einem der zwei Hotels ein. Auf eine lange Suche wollte ich mich heute nicht einlassen. Die letzten Kilometer spürt man schon in den Beinen… Noch zwei Tagesetappen, dann gibts wieder einen Tag Pause!
Abends machte ich mir noch kurz ein Bild von Zajecar. Der Ort ist gar nicht mal so klein. Trotzdem so wie fast alle serbischen Ortschaften aufgebaut. Entlang einer durch den Ortskern verlaufenden Hauptstraße sammelt sich alles an und bereits die ersten Querstraßen enden in dunklen Hinterhöfen. Man hat auf diese Weise aber auch schon nach kurzem praktisch alles gesehen.
Die Dichte an Bäckereien, Banken und Geldwechselstuben ist hier enorm. Nach einem 30-minütigen Rundgang ließ sich kein richtiges Lokal finden. Einzig im Hotel gab es mehr Auswahl als Sandwiches und Pizza.
Krautsuppe mit undefinierbarer Fleischbeilage… von den Zähnen her müsste es irgendein Kleinnager gewesen sein. Egal, Fett war dran, also Energie…

Tag 13

Zajecar – Pirot: 108km; 5:47h im Sattel; 8-12 Grad Sonne / bewölkt
Hotel

Heute Früh etwas spät aus den Federn gekommen, obwohl – oder vielleicht weil – ich schon um sechs aufgewacht bin… Knapp 100km standen am Programm, daher eigentlich kein Grund zur Sorge. Ich hatte mich auf eine verkehrsreiche Etappe eingestellt, doch schon früh wurde ich eines Besseren belehrt. Auf der streckenweise leeren M25 ging es Richtung Süden. Starker Gegenwind machte den Start in den Tag etwas mühsam. Warum kommt der Wind eigentlich zu 90 Prozent immer von vorne? Naja, kommt mir zumindest so vor.
Sobald die erste Hügelkette erreicht war, nahm der Wind aber auch schon wieder ab. Bis zur Mittagspause in Knjazevac verlief die Strecke durch eine landschaftlich sehr reizvolle Hügellandschaft. Anschließend bog ich in ein kleines Seitental ein.
Von jetzt an kam ich aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Idylle pur… Gemächlich schlängelt sich die kaum befahrene Straße, einem Flusslauf folgend immer tiefer ins Tal hinein. Idyllische Bauerndörfer säumen den Weg. In jedem Dorf werde ich freundlich gegrüßt und als absolutes Highlight heute reicht mir ein von hinten kommender Autofahrer einen Erdbeersaft zur Stärkung. Der Zuckerschub kam dann auch gerade zur rechten Zeit. Je schmäler der Flusslauf wurde, desto steiler wurde dahingehend die Straße. Die Spielregeln haben sich jetzt geändert. Anders als an der Donau heißt es jetzt Höhenmeter machen. Nicht jeder Anstieg wird auch mit denselben Höhenmetern bergab belohnt…
Der Blick auf die Karte machte klar, dass Ich noch ins benachbarte Tal musste, um zur Transitstrecke nach Sofia zu gelangen. Am Gipfel angekommen entschädigte mich eine atemberaubende Aussicht auf das zu meinen Füßen liegende Tal. In der Ferne leuchteten die schneebedeckten Berge, die sanften Hügelketten unter mir kündigten eine ausgedehnte Abfahrt an. Nun der Fließrichtung folgend ging es bergab…
Schon seit einigen Tagen fallen immer wieder teils verfallene Hütten in einer Art Holz – Lehmbaumischung auf. In den Bauerndörfern die ich heute passierte, war dieser Baustil noch viel stärker verbreitet. Neben Wirtschaftsgebäuden wurden auch Wohnhäuser in diesem Stil errichtet. Das Prinzip ist aber immer dasselbe. Ein simples Holzgerippe – meist Fachwerk – bildet die Basis. Dann werden in Abhängigkeit von der späteren Nutzung die Zwischenräume gefüllt. Dies reicht von dünnen, geflochtenen Zweigen über dickere geschichtete Äste, akkurat zugeschnittene Holzlatten, oder auch Ziegelsteine. Abschließend wird die Konstruktion mit Lehm verputzt. Bei Wohnhäusern finden sich dann häufig noch Bruchstücke aus Ziegeln / Fliesen im Putz.
Auf diese Art werden aus 100% regionalen Baustoffen die erforderlichen Gebäude errichtet.
So schön die ländliche Idylle auch sein mag, sie täuscht nicht über die Überalterung dieser Dörfer hinweg. Kaum junge Leute sind unterwegs. Dafür herrscht eigentlich in jedem Dorf ansteckende Ruhe.
Alte Frauen sitzen vor ihren Häusern und wickeln in der Frühlingssonne Wolle ab. Eine Gruppe Männer beugt sich konspirativ über die geöffnete Motorhaube eines bis gerade eben noch fahrtüchtigen Golf II… Die Zeit scheint stehenzubleiben. Vergessen ist die Hektik des Alltags. In aller Seelenruhe begleiten zwei Bauern eine Kuh auf der Dorfstraße und dann sieht man sie doch… die Dorfjugend. In der Bushaltestelle versammelt, mit den Smartphones beschäftigt. Ein Nebeneinander das sicherlich nicht mehr lange so bestehen bleibt. Bei der erstbesten Gelegenheit wird ohne Zweifel für viele der Jungen der Schritt in den nächtstgrößeren Ort folgen.

Für mich kommt ein eigenartiges Gefühl auf. Ich weiß, dass ich am nächsten Tag schon wieder in einem Ort bin, den viele der Alten noch gar nicht besucht haben. Und einen Tag danach schon wieder weiter, und am Tag darauf noch weiter weg…

Seit ich mich von der Donau verabschiedet habe ist mir aufgefallen, dass die ortsansässige Bevölkerung eigentlich nicht sehr mobil ist. An den Autokennzeichen lässt sich gut ablesen, dass sich der Großteil eigentlich nur in einem Radius von max. 30km bewegt. Waren in Ungarn z.B. nich viele öffentliche Busse unterwegs, sieht man in Serbien nur sehr selten jemanden an der Bushaltestelle warten. Dafür gehen viele Leute zu Fuß. Die vorbeifahrenden Autos sind meist auch voll besetzt.

Morgen steht die letzte Etappe nach Sofia an. Die Uhr wird um eine Stunde vorgestellt. Bin gespannt, was sich sonst noch so alles ändert. Die Serben scheinen nicht unbedingt die höchste Meinung von den Bulgaren zu haben. Ob das nur klassische Nachbarschaftsvorurteile sind… das wird sich zeigen.
Für heute habe ich mir auf alle Fälle nochmal ein Hotel gegönnt. Auch wenn die Sonne unter Tags Wärme bringt, sinken Nachts die Temperaturen doch noch öfters unter Null.