Tag 67 – 08.April

Zwischenstand: 5446km; 272,8h im Sattel

Tehran Tag 1; 22 Grad, Sonne
Homestay

Ich hatte das Gefühl, bestens auf den Visa-Marathon vorbereitet zu sein. Der Plan bestand darin, zuerst auf der Deutschen Botschaft ein Empfehlungsschreiben für das Tajikische Visum zu besorgen, um dann direkt im Anschluss das Uzbekische Visum zu beantragen. Danach wollte ich noch zur Botschaft von Tajikistan, um dort ebenfalls den Antrag abzugeben. Es sollte dann doch wieder alles anders kommen…
Als ich um kurz vor 7 bei der deutschen Botschaft ankam hatte sich schon eine ordentliche Schlange gebildet. Vorsichtshalber zückte ich meinen Pass und schon nach wenigen Minuten sprach mich ein Sicherheitsbeamter in perfektem Deutsch an. Wir plauderten ein wenig über meine Reise, Iran und Deutschland. Kazem gab mir seine Nummer und schlug mir vor, eventuell am Wochenende mit ihm ans Meer zu fahren. Als die Botschaft dann öffnete, durfte ich schlussendlich als Erster in die rein und musste auch nur eine halbe Stunde auf das Empfehlungsschreiben warten. 1.000.000 RIAL (ca. 25 EUR) für eine A4 Seite, die besagt, dass ich der rechtmäßige Besitzer des Passes bin und mir doch bitte ein Visum ausgestellt werden sollte…
Bis jetzt lag ich noch perfekt im Zeitplan. Ab in die U-Bahn und raus in den Norden. Nach gut 10 Minuten entdeckte ich plötzlich im Selben Wagen zwei bekannte Gesichter. Dei beiden Franzosen, die ich in Trabzon bei der Abholung des iranischen Visums getroffen hatte, waren auch auf dem Weg zum Konsulat von Uzbekistan. Welch ein Zufall… Die beiden waren ja von Frankreich aus zu Fuß nach Istanbul gegangen und hatten sich dann in der Türkei ein Rad gekauft. Mit dem Rad sind sie bis in den Iran gefahren, haben es aber dann wieder verkauft und sind nun wieder zu Fuß unterwegs. Lustigerweise hatten sie mich bereits vor ein paar Tagen auf der Straße gesehen, als sie in einen Bus eingestiegen sind. Wir konnten es alle drei kaum glauben, dass man sich hier wieder über den Weg läuft.
Die Beiden kamen gerade von der Französischen Botschaft. Sie hatten zwei Tage auf ihre Empfehlungsschreiben gewartet, dafür mussten sie aber nichts bezahlen. Nach ihren Informationen benötigen sie für Uzbekistan und Turkmenistan die Briefe von der Botschaft. Meine Informationen verlangten das nur für Tajikistan. Schlussendlich war meine Information falsch. Ohne Empfehlungsschreiben von der Botschaft wurde mein Antrag nicht angenommen. Da war nichts zu machen… Verärgert und etwas geknickt ging es wieder zurück zur Deutschen Botschaft. Die meisten Botschaften haben ja nur Vormittags geöffnet, die Deutsche Botschaft allerdings von 7:30 bis 15:00 Uhr. Also perfekt für mich… Um in Tehran von einem Ort zum anderen zu kommen vergeht immer enorm viel Zeit. Ich war kurz vor Mittag wieder an der Botschaft und beantragte Empfehlungsschreiben für Uzbekistan und Turkmenistan. Immerhin konnte ich die Zettel bereits am Nachmittag abholen.
Kazem war überrascht, mich wieder zu sehen, lud mich dann aber spontan ein, am Abend bei ihm zum Essen vorbeizukommen. Nachdem er ohnehin in wenigen Minuten Mittagspause hatte, schlug er vor, mich mit dem Motorrad zu Minas Wohnung zu bringen.
Und so ging es mit einem Affenzahn durch den Tehraner Stadtverkehr. Natürlich ohne Helm, entgegen die Einbahn und ohne Beachtung von Verkehrszeichen. Aber irgendwie klappt das ganz gut. Motorisierte Zweiradfahrer machen sich in Tehran ihre eigenen Gesetze. Einziges Ziel ist es, möglichst schnell voranzukommen, da darf man durchaus auch mal auf den Gehweg ausweichen…
Meine schlechte Stimmung war wie weggeblasen. Ich hatte eine Einladung zum Essen, vielleicht eine Einladung ans Meer und einen neuen Kontakt in der Stadt. Gemeinsam mit Mina ging es Nachmittags dann wieder zur Botschaft, um die Bescheinigungen abzuholen. Wie es der Zufall so will machte Kezem gerade Feierabend und so fuhren wir diesmal zu dritt auf seinem Motorrad zum iranischen Künstlerforum. Gerade dort angekommen sah ich zwei Reiseradler an der Straße stehen. Ich sprach die Beiden natürlich gleich an. Enzo aus Italien ist seit Herbst unterwegs und ist auch erst gerade in der Stadt angekommen. Shiva ist aus dem Iran und hat Enzo unterwegs getroffen. Sie war in der Türkei unterwegs. Es wurden Kontakte ausgetauscht und Geschichten erzählt. Ich musste innerlich durchaus ein wenig schmunzeln, wie zufällig sich doch viele Dinge ergeben.
Das Abendessen bei Kazem war ein Traum. Wir besorgten beim Metzger frische Leber und etwas Fett. Beim Bäcker holten wir uns noch frisches Brot aus dem Ofen und dann wurden auf dem Balkon Spieße gegrillt.
Als Highlight gab es dazu dann sogar echtes Bier. Im Iran eher eine Seltenheit. Kazem verwendet dazu das handelsübliche alkoholfreie Bier und fügt diesem dann mit Zucker und Hefe wieder Alkohol zu. Das ist offenbar eine gängige Praxis im Iran. Einige Brauereien haben darauf bereits reagiert und die Zusammensetzung des Bieres verändert, sodass nachträglich keine Gährung mehr möglich ist. Doch auch dafür wird sich bald wieder ein Ausweg finden… Die Iraner sind sehr erfinderisch!

Tag 68 – 09.April

Tehran Tag 2: 18 – 22 Grad, bedeckt, Regenschauer
Homestay

Heute also Versuch Nummer zwei für die Visa. Mit der U Bahn ging es in Richtung Norden, dann mit dem Taxi zum Konsulat von Uzbekistan. Diesmal warteten einige Leute vor mir. Nach etwa einer 3/4 Stunde wurde ich dann aber vorgelassen. Alle außer mir waren von Reiseagenturen. Ich war heilfroh, dass ich vorgelassen wurde, als ich sah, was in den Taschen der Leute vor mir war. Einer packte gerade eine große Sporttasche aus, darin waren ungelogen ca. 200 Reisepässe. Da hätte es schon noch eine Weile gedauert, bis ich an der Reihe war.
Mit dem Empfehlungsschreiben von der Botschaft ging der Antrag nun durch und ich kann in einer Woche wieder kommen um das Visum abzuholen. Endlich… die Dinge nehmen ihren Lauf.
Mit dem Taxi dann gleich weiter zur Botschaft von Tajikistan. Dort wartete ich eine Weile, bis sich die Klappe am Schalter öffnete, doch schlussendlich lief alles glatt. Bereits am Sonntag sollte das Visum fertig sein. Die spezielle Erlaubnis für die Pamir-Gegend bekomme ich aber leider nicht in Teheran, sondern muss sie mir in Dushambe abholen. Angeblich sollte das aber relativ leicht klappen. Nun gut, da vertraue ich mal auf den Botschaftsangestellten.
Mir fiel ein gewaltiger Stein vom Herzen, als nun alle Anträge abgegeben waren. Das Transitvisum für Turkmenistan kann ich erst beantragen, wenn ich das Uzbekische Visum habe. Also jetzt erst einmal eine Woche warten…
Mit Mina ging ich dann noch einmal zum Iranischen Kunstforum, weil wir dort im Cafe Mittagessen wollten. Unter Tags hatte es bereits immer wieder einmal geregnet. Die Sonne trocknete den Regen aber binnen weniger Minuten wieder auf und man konnte die frische Luft in vollen Zügen genießen. Die Luftverschmutzung ist in Tehran durchaus ein Thema. Ich bin froh, im Frühjahr hier zu sein. Die Temperaturen sind noch relativ angenehm und der Smog hält sich in Grenzen.
Den ganzen Nachmittag über fühlte ich mich richtig befreit. Von einem Schlag auf den anderen war mein Kopf wieder frei für Neues. Die Sorgen mit den Visa waren vergessen und ich konnte den Tag so richtig genießen.
Als wir am Nachmittag wieder in Richtung Norden fuhren, um dort Freunde von Mina zu treffen, stieß ich in der U-Bahn wieder auf Enzo und Shiva. Wieder mal so ein Zufall… man könnte sich fast daran gewöhnen. Leider hatten sie schon Pläne für den Abend. Aber man weiß ja nie… offenbar trifft man sich immer wieder zufällig.
Als ich heute mit Mina an der ehemaligen amerikanischen Botschaft vorbeischlenderte, musste ich wieder über die Situation mit Touristen im Iran nachdenken. Es ist wirklich ein bisschen komisch, in einer derart großen Stadt wie Tehran nur äußerst selten auf Touristen zu stoßen. Vor allem Amerikaner, die ja sonst überall auf der Welt anzutreffen sind, sucht man hier wirklich vergeblich. Man merkt auch, dass die Stadt noch nicht wirklich auf internationalen Tourismus ausgelegt ist. Wenn man z.B. eine “tourist-map” von Tehran aufschlägt, sind sämtliche Sehenswürdigkeiten und auch die Straßen in Persisch geschrieben. Doch dafür sind die Iraner wirklich sehr hilfsbereit. Ich frage mich, ob sich der Iran in den kommenden Jahren zu einem Touristenland entwickeln kann. Es scheint, als ob die Regierung sich langsam nach Außen hin öffnet, doch das kann sehr leicht auch nur eine Schein-Öffnung sein.
Als wir am Abend Arash und Shiva, zwei Freunde von Mina, treffen, bekomme ich ein wenig einen Einblick in die Hass-Liebe, die die Leute mit ihrem Land verbindet. Natürlich ist es ihnen bewusst, dass sie mit vielen Einschränkungen leben müssen, doch sie betrachten das oft mehr als Herausforderung, einen Weg zu finden, diese wieder zu umgehen. Sie fühlen sich ihrem Land gegenüber sehr verbunden, doch andererseits sind sie es oft auch leid, nicht machen zu können, was sie eigentlich wollen. Die Beiden lernen seit einem Jahr Deutsch und versuchen zum Studieren nach Deutschland zu kommen. Mit einem Studentenvisum stehen die Chancen ganz gut, auch länger in Deutschland bleiben zu können.
Shiva meint, dass auch wenn – hypothetisch – es ab morgen erlaubt wäre, ohne Kopftuch herumlaufen zu können, dass sie es nicht machen würde, weil sie der Regierung nicht traut. Man spürt das auch in vielen Alltagssituationen, dass stets ein sehr großes Misstrauen vorhanden ist. Auch wenn sich die Regierung von einem Tag auf den anderen ändern würde, glaubt Shiva, dass es mindestens zwei Generationen dauern würde, bis ein freies Leben, ähnlich wie in Europa, im Iran vorstellbar wäre. Ihrer Meinung nach durchleben die Leute bereits ab den frühen Kinderjahren eine Art Gehirnwäsche, die es natürlich auch erschwert, einfach einen anderen Lebensstil anzunehmen. Trotzdem zieht es Shiva und Arash raus aus dem Land. Ich wünsche ihnen viel Glück und hoffe, dass sie das Studentenvisum bekommen, um ein paar Jahre in Deutschland bleiben zu können.