Tag 74 – 76 (15.April – 17.April)

Tehran – Ruhetag 8-10
Homestay

Meine Tage in Tehran gehen nun langsam dem Ende zu. Die Visa für Uzbekistan und für Tajikistan kleben im Pass, das Transitvisum für Turkmenistan kann ich mir in einer Woche in Maschad abholen. Wie es der Zufall so will habe ich vor der Botschaft von Uzbekistan meine beiden französischen Freunde wieder getroffen. Sie waren eine Woche in der Wüste unterwegs und wollen so früh als möglich weiterreisen. Bei den Botschaften trifft man immer wieder aufeinander. Ich hatte mir für den Vormittag ein Taxi organisiert, sodass wir gleich nachdem das Uzbekistan Visum ausgestellt war in einen Copy-Shop fahren konnten und Farbkopien von unseren Pässen anfertigen ließen. Seit kurzem besteht die Turkmenische Botschaft nämlich auf Farbkopien. Gottseidank habe ich noch zuvor im Internet einen Hinweis darauf gefunden. Von offizieller Seite kann man da nämlich nichts erfahren. Ausgestattet mit den Passkopien, dem Empfehlungsschreiben von der Botschaft und einem Motivationsschreiben vertrauten wir auf unser Glück, dass wir der Antrag noch angenommen wird, da es bereits halb 11 war und die Botschaft eigentlich um 11 zusperrte. Wie durch ein Wunder lief alles glatt. Die Anträge wurden angenommen und wir können unser Visum auf dem Weg abholen. Ein bisschen muss man noch zittern, aber ich denke, dass es schon klappen wird.
Der Ansturm bei der Visumsverteilung hielt sich in Grenzen. Ausser uns waren nur Iraner vor Ort, die über den Umweg Turkmenistan ein Visum für Amerika beantragen wollen. Ich wurde mit Fragen zu meiner Reise gelöchert. Das freie Reisen ist für Iraner immer noch sehr schwer. Dementsprechend neugierig sind sie natürlich, Berichte aus anderen Ländern zu hören. Meine Adressliste wurde wieder ein bisschen länger. Viele luden mich ein, wenn ich das nächste Mal im Iran bin, bei ihnen vorbeizukommen. Auf meiner Reise durch den Iran kann ich leider nur einen kleinen Bruchteil mitnehmen. Gerne hätte ich mir Yazd, Esfahan oder Shiraz angesehen. Die Tage in Tehran mit Kazem und seiner Familie waren aber auch sehr fein.
Ich konnte so einen sehr guten Einblick in das Alltagsleben der Stadt bekommen. Die Fahrten auf dem Motorrad durch den dichten Stadtverkehr vermisse ich jetzt schon… Kazem nahm mich mit zu einem Termin auf dem Gericht. Im Iran gibt es bei der Hochzeit den Brauch, Brautgeld zu vereinbaren. Teilweise werden hier immens hohe Summen vereinbart. Kazems letzte Frau ist leider an einer Hirnblutung gestorben. Nach iranischem Recht gehen alle Ansprüche der Frau auf die Mutter über. Nun hat seine frühere Schwiegermutter ihren Anteil eingeklagt. Obwohl Kazem relativ gut verdient, ist es für ihn auch zu viel Geld. Nun versucht er gerichtlich die Höhe der zu zahlenden Summe zu drücken. Er hat mir im Vorfeld davon berichtet, dass neuerdings viele Frauen diese Regelung schon fast als Business verstehen. Kurz nach der Hochzeit wird die Scheidung eingereicht und das Brautgeld gefordert. Damit werden oft Schönheitsoperationen oder größere Investitionen finanziert. Wenn der Mann nicht zahlen kann, wandert er ins Gefängnis… Als ich im Vorhof des Gerichts wartete trottete auch gleich eine Gruppe von Männern in Sträflingskleidung und Handschellen vorbei. Eine sehr befremdliche Szenerie. Kazem hat aus dieser Erfahrung gelernt und mit seiner jetzigen Frau nur eine Goldmünze Brautgeld vereinbart. Zuvor waren es über 300 Goldmünzen und eine beträchtliche Summe Bargeld.
Während meiner Zeit in Tehran habe ich ziemlich viele Leute getroffen. Ich bin in die Stadt gekommen mit ein paar Adressen von Leuten, die ich persönlich gar nicht kannte. Jetzt füllen die Kontakte schon ein paar Seiten in meinem Notizbuch. Besonders nett war das Treffen mit einer Freundin von Daniel, einem guten Freund aus Wien. Farzaneh hatte vor einiger Zeit in Wien Raumplanung studiert. Obwohl ihr die Stadt sehr gut gefallen hat, war der Drang stärker, wieder in den Iran zurückzukommen. Aufgrund einer Augeninfektion (ja ja, die gute Tehraner Luft) kann sie momentan für drei Wochen nicht aus dem Haus. Daher vereinbarten wir ein Treffen bei ihr zuhause. Sie lud noch eine Hand voll ihrer Freunde ein und so machten wir uns einen sehr gemütlichen Abend. Farzaneh Vater produziert ausserordentlich guten Wein. Eine große Überraschung, wenn ich an die hausgemachten Weine in Georgien zurückdenke. Die Freundlichkeit und die überaus große Gastfreundschaft mit der man im Iran Willkommen geheißen wird überwältigt mich immer noch. Es gibt nicht viel, was man als Gegenleistung anbieten kann, ausser ein paar Geschichten von der Reise. Mehdi, ein Freund von Farzaneh lud mich ein, am nächsten Tag mit ihm gemeinsam ein bisschen Tehran anzuschauen. Gerne nahm ich die Einladung an. Mehdi hatte zufälligerweise erst vor kurzem ein Buch über den Norden von Tehran geschrieben. Da traf es sich ja perfekt, dass wir eben dort ein wenig herumwanderten. Wir schlenderten durch die ehemalige Palastanlage (Sa´d Abad) der Familie des Shah. Auffallend, wie sehr international die Einrichtung der Anlage ist. Während der Zeit vor der Revolution war der Iran sehr international ausgerichtet. Der Shah pflegte sehr gute Beziehungen zu Regierungen vieler Länder. Das große Netzwerk ist nun unter der jetzigen Regierung verschwunden.
Besonders beeindruckend war eine Ausstellung über die Omidvar Brüder, die in den 1950er Jahren zu einer fast 10-jährigen Weltreise aufgebrochen sind und praktisch als Botschafter des Iran Kontakte in vielen Ländern geknüpft haben. Sieben Jahre mit dem Motorrad und drei Jahre mit einem Auto… Beeindruckende Geschichte, vor allem wenn man die Zeit betrachtet, in der sie unterwegs waren. Man wird allerdings schon auch recht nachdenklich, wenn man sieht, wie frei sich die Leute noch vor wenigen Jahrzehnten im Iran bewegen konnten. Und jetzt sind die Grenzen mehr oder weniger dicht. Viele Iraner fühlen sich einerseits im eigenen Land gefangen, wollen aber andererseits ihr Heimatland auch nicht verlassen. Es bleibt fraglich, wie lange es dauern wird, bis sich die Regierung wieder etwas mehr dem Rest der Welt öffnet.
Mit Mehdi habe ich auch ausgiebig über die Reglementierungen im Iran geplaudert. Ich hatte vor einiger Zeit vernommen, dass es für Frauen gesetzlich verboten ist, Fahrrad zu fahren. Dieses Gesetzt gibt es nach Aussage von Mehdi tatsächlich, doch offenbar wird es nicht so streng ausgelegt. Es kann aber trotzdem immer wieder zu Abmahnungen kommen. Genauso wie es eigentlich nicht gestattet ist, als Paar Hand in Hand durch die Stadt zu laufen. Viele bestehende Gesetze werden recht liberal ausgelegt, doch man muss sich immer darauf besinnen, dass sie das jederzeit auch wieder ändern kann.
Ein Taxifahrer hat mich einmal gefragt, ob es für Europäer vorstellbar sei, im Iran zu leben. Gerade wenn man die vielen Gesetze betrachtet, die das Alltagsleben regeln ist es schwer sich vorzustellen, die in Europa über Jahrhunderte erkämpfte Freiheit wieder aufzugeben. Für Männer mag es nicht so tragisch sein, aber für Frauen ist der Bruch sicherlich sehr groß.
Ich bin schon sehr gespannt, wie sich die Situation in Maschad darstellen wird. Maschad wird als das religiöse Zentrum des Iran betrachtet. In Tehran werden viele Regeln sehr liberal ausgelegt. Das scheint in Maschad nicht mehr der Fall zu sein. Ich lasse mich überraschen. In gut einer Woche weiß ich mehr. Nachdem das Visum jetzt in der Tasche ist, werde ich morgen wieder aufbrechen. Für die kommenden 1000km habe ich 10 Tage Zeit. Wieder mal ein relativ enges Zeitkorsett, aber das sollte schon klappen. Meinen letzten Tag in Tehran wollte ich noch in Ruhe mit Kazem und seiner Familie verbringen. Ausserdem muss das Rad noch auf Vordermann gebracht werden. Die Kette muss wieder mal getauscht werden und die Bremsen sollten auch nachgestellt werden.
Vermutlich werde ich die bequeme, aber sehr verkehrsreiche Bundesstraße in Richtung Osten meiden und statt dessen in Richtung Kaspisches Meer aufbrechen. Dazu muss aber erst die Gebirgskette im Norden von Tehran überquert werden. Danach hoffe ich aber auf mediterranes Klima und mehr Grün…