Tag 77 – 18.April

Tehran – Ab-Ali: 63km; 3:36h im Sattel; 20-27 Grad, Sonne
Camping

Gestern Abend gab es noch eine Abschiedsfeier für mich. Dazu fuhren wir alle nach Karaj (ca. 40km westlich von Tehran). Mohammad, der Cousin von Mariam hatte eingeladen. Eigentlich wollte ich ja heute zeitig aufbrechen, da doch ein ordentliches Stück Weg vor mir liegt, doch im Laufe des gestrigen Abends wurde mir schnell klar, dass ich wohl eher Nachmittags loskommen werde. Ich muss schon sagen, die Iraner verstehen ganz gut zu feiern. Es gibt zwar keine Clubs, oder Tanzgelegenheiten in Lokalen, dafür geht es in den privaten Wohnzimmern umso wilder zu. Im alkoholfreien Iran habe ich bis jetzt hausgemachtes Bier und hausgemachten Wein gekostet. Der heutige Abend stand unter dem Motto Rosinenschnaps… Da ja offiziell im Iran kein Alkohol konsumiert wird, ist die Wahrscheinlichkeit auch nicht so groß, in eine Alkoholkontrolle zu geraten. Das erleichtert die nächtliche Fahrt zum nächstgelegenen Supermarkt ungemein.
Wieder einmal war ich überwältigt, wie warmherzig ich aufgenommen wurde. Alma, die Frau von Mohammad glaubte mir bis zum Schluss nicht, dass ich kein Farsi spreche. Ihre Taktik war stets, mit mir besonders langsam auf Farsi zu reden, weil sie dann davon ausging, ich würde sie verstehen. Mit der Zeit eignet man sich wohl die Fähigkeit an, viel aus dem Zusammenhang zu interpretieren. So mag vielleicht der Eindruck entstehen, dass man versteht, was gesagt wird, aber leider ist das nicht so. Gerne würde ich etwas mehr verstehen, oder auch sprechen können. Aber auch so hatten wir einen überaus netten Abend.
Zurück in Tehran durfte ich natürlich nicht gleich aufbrechen. Erst einmal gab es Tee, dann wurde noch Kebab vom benachbarten Laden geholt und wir aßen noch einmal alle zusammen. Nach dem obligatorischen Gruppenfoto ging es dann aber los. Der Abschied viel mir nicht sehr leicht. Ich habe Kazem und seine Familie in den letzten Tagen sehr ins Herz geschlossen. Aber leider drängt die Zeit ein wenig. Der Zeitpunkt für die kommenden Grenzübertritte ist bereits fixiert und dabei ist kein Tag Spielraum. Es darf also nichts gröberes dazwischenkommen.
Um kurz nach 15 Uhr war es dann so weit. Nach zehn Ruhetagen schwang ich mich wieder aufs Rad und suchte mir meinen Weg aus der Stadt. Es war Freitag und dementsprechend wenig Verkehr war auf den Straßen (Freitag = Sonntag in Europa). Nach langem Hin und Her hatte ich mich doch dazu entschlossen, die Route über die Berge, zum Kaspischen Meer zu wählen. Ich wollte nach so vielen Tagen in trockenen Gebieten endlich wieder einmal etwas Grünes sehen. Dazu musste ich aber erst noch einmal über 2600m hinauf. Einen Teil des Anstieges hatte ich mir für heute vorgenommen. Laut Karte sollte es sich bei der Strecke um eine Nebenstraße handeln, doch der Verkehr war teilweise stärker als in Tehran.
Auf 2000m fand ich dann einen passenden Platz um mein Zelt aufzuschlagen. Die letzten Tage waren stets sehr lebhaft. Die Kinder hielten mich meistens am Abend ziemlich auf Trab. Da war es eine willkommene Abwechslung, einmal seit langem wieder die Nacht alleine zu verbringen.

Tag 78 – 19.April

Ab-Ali – Mahmudabad: 150km; 6:16h im Sattel; 18-28 Grad, wechselhaft
Hotel

Die erste Nacht im Zelt ohne Kondensat am Innenzelt. Es wird endlich wärmer! Dafür hatte es in der Früh noch kurz geregnet, sodass ich mir mit dem Frühstück etwas Zeit lassen konnte, damit das Außenzelt noch auftrocknen konnte.
Es standen heute nur noch gut 600 Höhenmeter Anstieg bevor. Die Steigung war moderat, doch bei 25 Grad schwitzt man sich trotzdem fast zu Tode… Immerhin noch 23 Grad auf 2600m, aber am Straßenrand noch Schneereste. Es scheint, dass ich gerade zur rechten Zeit hier bin…
Die Szenerie, die mich umgab gab mir Recht, den Weg über die Berge gewählt zu haben. Die Tage in der monotonen Steppe vor Tehran hatten mich etwas demotiviert. Umso interessanter war es jetzt wieder steil aufragende Bergrücken zu beiden Seiten zu sehen. Die Strecke folgte einem kleinen Bach, der in weiterer Folge eine Vielzahl von Fischfarmen mit Frischwasser versorgte. Auf das erhoffte Grün musste ich aber noch eine Weile warten. Zu Mittag fand ich zumindest ein sehr idyllisches Plätzchen am Fluss. Obwohl ich an einer Vielzahl von Restaurants vorbeigeradelt bin, war mir heute mehr nach privater Küche. So konnte ich mir auch noch einen kurzen Mittagsschlaf im Schatten der Bäume gönnen. Kurzzeitig machte es den Anschein, als ob ein schweres Gewitter aufziehen würde. Pechschwarze Wolken hangen in den Bergen, doch zu meinem Glück verzogen sich diese wieder. Dafür hatte ich die nächsten drei Stunden mit ordentlichem Gegenwind zu kämpfen.
Der Verkehr lies leider auch nicht nach. Stellenweise war die Straße nur zweispurig, der Verkehr verlangte aber eigentlich eine vierspurige Straße. Die Strecke führte durch eine Vielzahl von Tunnels. Teilweise unbeleuchtet, teilweise unbelüftet… wenn dann noch ständig schwere LKW an einem vorbeidonnern geht das durchaus an die Substanz. In meiner ganzen Zeit in Tehran war die Luft nie so schlecht wie heute in den Bergen. Sauberer Benzin und bessere Filter / überhaupt irgendwelche Filter würden sicher viel zur Verbesserung der Luftqualität beitragen. So angenehm das Reisen im Iran durch die Leute vor Ort auch gemacht wird, der Verkehr macht das Radfahren nicht unbedingt attraktiv. Der Bautätigkeit nach zu urteilen stellt sich das Land auch auf ein steigendes Verkehrsaufkommen ein. Ich hoffe, dass sich in den nächsten Jahren in Punkto Verbesserung der Luftqualität auch noch einiges tut.
Eine Wohltat war es dann aber, als ich zum ersten Mal dicht bewaldete Hügel sah. Eine gefühlte Ewigkeit habe ich schon kein saftiges Grün mehr gesehen. Man konnte die Nähe zum Meer schon spüren. Ähnlich wie am Schwarzen Meer in der Türkei regnet es auch am Kaspischen Meer sehr viel in Küstennähe. Tehran liegt nur knapp 150km Luftlinie vom Meer entfernt, bekommt aber nur sehr selten Regen ab. Dafür ist es hier nun umso grüner…genau das hatte ich gesucht.
Um kurz vor Sechs stand ich dann am Strand. Immerhin schon das dritte Meer, das ich mir selbst erstrampelt habe. Bis zum nächsten Mal wird noch einige Zeit vergehen…
Zur Feier des Tages gönnte ich mir heute ein Hotel. Ich hatte in Tehran einen Reisebericht über dieselbe Strecke gelesen und daraus entnommen, dass auf den kommenden Kilometern kaum Möglichkeiten zum Zelten bestehen. Ein Blick in den Spiegel machte mir aber auch klar, dass es an der Zeit war, wieder einmal zu duschen. Von der schlechten Luft war ich ganz schwarz im Gesicht.