Tag 86 – 27.April

Mashhad – Ruhetag: 22 – 29 Grad, Sonne
Hostel

Eigentlich wollten wir heute unsere Transit-Visa beim Turkmenischen Konsulat abholen. Leider ist diese aber am Sonntag geschlossen. Nun gut, die Zeit drängt ja nicht so sehr, wenn ich mein Visum am Montag bekomme, ist alles noch im Zeitplan. Immerhin haben wir schon die erforderlichen Kopien des Reisepasses machen lassen.
Vali hatte uns zum Konsulat begleitet und führte uns im Anschluss noch zu seinem Arbeitsplatz. Er verkauft und repariert Teppiche und nachdem Bazil und Simon die Idee geäußert hatten, eventuell einen Teppich kaufen zu wollen, wurde Vali natürlich hellhörig. In einem 4-stöckigen Gebäude drängen sich unzählige Läden, die im großen Stil Teppiche verkaufen. Für Einzelpersonen ist es eher schwer, hier ein passendes Stück zu finden. Hier kaufen hauptsächlich Großhändler ein, die gleich mal 100 Stück mitnehmen. Da ist es auch nicht so wichtig, wie das einzelne Stück aussieht… Von Teppichen verstehe ich persönlich ja nicht wirklich viel, aber offenbar sind diejenigen, die mir ins Auge gestochen sind dann doch immer die teuersten gewesen. Auch ich durfte nun am eigenen Leib einmal erfahren, wie es ist, in ein Verkaufsgespräch mit einem Teppichhändler involviert zu werden. Nach gut einer halben Stunde glaubt man schon fast, ohne Teppich nicht mehr leben zu können. Schlussendlich haben wir aber alle das Teppichhaus ohne Teppich verlassen.
Die eigentliche Hauptsehenswürdigkeit lag direkt vor uns: Das Areal um den Heiligen Schrein des Imam Reza. Hier pilgern jährlich fast 20 Millionen Menschen her, um zu beten. Im Vorfeld wusste ich schon, dass der eigentliche Schrein nur für Moslems zugänglich ist. Als wir alle Taschen und Fotoapparate abgegeben hatten und gerade durch die Sicherheitskontrolle durch waren, wurden wir sofort abgefangen und nach gut einer viertel Stunde wurde uns ein eEnglisch sprechender Guide zur Seite gestellt. Dies hatte leider zur Folge, dass wir uns ab sofort nicht mehr wirklich frei bewegen konnten. Ich hatte den Eindruck, als ob wir ganz bewusst stets möglichst weit entfernt vom eigentlichen Zentrum des Ortes gehalten wurden. Uns wurde nahegelegt, das Museum zu besuchen, doch auch hier konnte man sich nicht frei bewegen. Stets war der Guide um uns herum und hielt die Gruppe zusammen. Immerhin konnte man im Museum die früheren Schreine besichtigen. Im Abstand von allen paar hundert Jahren wird der Schrein nämlich erneuert.
Atmosphärisch war der Besuch des Areals aber wirklich nicht. Vielmehr fühlte ich mich wie ein ungebetener Gast, der irgendwie unterhalten wird, um keinen Ärger zu machen… Dem Guide fielen laufend neue Ausreden ein, warum wir nicht mehr vom Areal sehen können. Irgendwann kommt dann der Moment an dem man für sich selbst beschließt, das Ganze einfach bleiben zu lassen. Man läuft dann nur noch stoisch dem Guide hinterher und hofft, dass man bald wieder draussen ist.
Diese Überbevormundung ist teilweise wirklich anstrengend. Im Nachhinein hatten wir es bedauert, als Gruppe das Areal betreten zu haben. Ken erzählte uns am Abend, dass er später noch einmal alleine vor Ort war und ohne Probleme das ganze Areal besichtigen konnte. Nun gut, für mich hat es diesmal nicht geklappt.
Ein wenig ließ ich mich noch durch die Stadt treiben und suchte dann aber auch wieder den Weg zurück ins Hostel. Es war unsagbar heiß und ich sehnte mich nach der schattigen Terrasse vor Valis Wohnzimmer. Immerhin hatte ich heute meinen Ruhetag, warum also in dieser Affenhitze durch die Stadt irren…

Tag 87 – 28.April

Mashhad – kurz vor Shurak Maleki: 70km; 3:53h im Sattel; 21 – 29 Grad, wechselhaft / Regen
Camping

So, für heute stand der zweite Gang zum Konsulat an. Zu unserer Überraschung wartete nur eine Person vor uns. Der Beamte hinter dem winzigen Guckfenster empfing mich in freundlichem Englisch. Nur noch ein zweites Mal den Antrag ausfüllen, die Kopie des Passes und ein Foto abgeben und nach einer Stunde sollte das Visum abholbereit sein.
Gerade als wir das Konsulat verließen, kam uns eine 4er Gruppe Motorradfahrer entgegen. André, Michel, Tiarry und John Luke waren vor vier Wochen in Genf aufgebrochen und sind nun auf dem Weg in die Mongolei. Mit ihren schweren Maschinen fallen sie im Iran natürlich sofort auf. Wer motorradbegeistert ist, kann ihre Strecke auf Facebook verfolgen (www.facebook.com/motosoie). In netter Gesellschaft konnten wir so die Wartezeit für das Visum direkt vor dem Konsulat verbringen. Immer wieder kamen Einheimische vorbei und bestaunten die Maschinen. Die Vier berichteten ebenfalls davon, dass sie hin und wieder von der fast schon aggressiven Gastfreundschaft überfordert sind. Nachdem sie aber mit ihren Motorrädern weitaus schneller unterwegs sind, als ich mit dem Rad, halten sie sich auch nie so lange in einem Land auf wie ich. Um diesen Punkt beneideten mich die vier beispielsweise. Dass ich die Pamir-Gegend mit dem Fahrrad durchfahren will, konnten sie aber trotzdem nicht ganz glauben. Sie hatten bereits von der Schweiz aus alle ihre Visa organisiert und sind nun mit einem relativ engen Zeitplan konfrontiert. Gleich nachdem sie ihre Visa in Empfang genommen hatten, ging es weiter zur Grenze. Für mich heißt das noch zwei Tage radeln…
Glücklich, das Visum in der Tasche zu haben ging es zurück zum Hostel. Chris hatte leider weniger Glück. Bei seinem Antrag in Ankara gab es offenbar Probleme, sodass er jetzt erneut um ein Visum ansuchen muss. Nachdem er aber ohnehin erst Anfang Juni in Uzbekistan einreisen will stellt das für ihn nicht das große Problem dar. Er macht sich vielmehr Sorgen, wie er es schafft, sein Iran-Visum zweimal zu verlängern. Doch als wir vor dem Konsulat noch alle zusammenstehen kommen zwei Franzosen vorbei, die gerade vor kurzem ihr Visum zum zweiten Mal verlängert hatten… Immerhin doch noch ein Lichtblick für Chris.
Es war ein bisschen ein eigenartiges Gefühl, alleine aus Mashhad loszuradeln. Simon und Bazil werden ca. 3 Tage nach mir über die Grenze fahren. Nachdem ich Tyson und Hanne in Uzbekistan treffen will, werde ich vermutlich auch den beiden Franzosen wieder über den Weg laufen. Tyson ist nämlich noch ein wenig weiter entfernt, sodass ich eine Ehrenrunde einlegen werde, um auf ihn zu treffen…
Die Stadtausfahrt verlief völlig reibungslos. Ich kaufte noch frisches Gemüse ein und plötzlich war die Stadt aus. Es ging einige Kilometer flach dahin, bis plötzlich unzählige LKWs die Straße bevölkerten. Auf einer Strecke von ca. 15km befanden sich unzählige Kiesgruben neben der Straße. Fast eine Stunde fuhr ich durch ein Gemisch aus Ruß und Staub. Freies Atmen war selten möglich. Zu meinem Pech frischte der Wind auch noch ziemlich auf, sodass ich von nun an starken Gegenwind hatte. Vielleicht schon ein kleiner Vorgeschmack auf Turkmenistan?
50km mit kräftigem Gegenwind waren genug für heute. Interessanterweise bauten sich hinter mir kräftige Regenwolken auf. Und obwohl der Wind von vorne kam, holte mich der Regen dann doch noch ein. Gerade rechtzeitig konnte ich mein Zelt auf einem Hügel neben der Straße aufstellen. Zum allerersten Mal musste ich sogar die Abspannseile verwenden, weil der Wind so stark am Zelt rüttelte. Ich hoffe mal, dass morgen sowohl Regen, als auch Wind wieder nachlassen.

Tag 88 – 29.April

Kurz vor Shurak Maleki – Sarakhs: 123km; 5:45h im Sattel; 24 – 29 Grad, Sonne
Hotel

Die ganze Nacht über rüttelte der Wind am Zelt. Ich hatte schon Angst, die Heringe würden nicht standhalten. Als ich in der Früh während einer Regenpause kurz aus dem Zelt schaute, hatte sich dann auch wirklich die Hälfte schon fast ganz gelöst. Immerhin hatte ich im Zelt die Nacht trocken und unbeschadet überstanden. Ich ließ mir heute etwas Zeit und hoffte, dass der Regen noch nachlassen würde und tatsächlich, gegen 8 Uhr hörte es wirklich auf zu regnen und die Sonne bahnte sich ihren Weg. Zu meinem Glück war der kräftige Wind auch verschwunden und so konnte ich mich gut gelaunt auf die letzte Etappe bis zur Grenze machen. Bis nach Mazdavand verlief die Strecke in leichtem Auf und Ab. Nun galt es noch einmal über eine Hügelkette zu klettern. Die Sonne brannte ziemlich und so beschloss ich mich kurz vor dem Anstieg noch im Schatten auszurasten. Just wurde ich vom Restaurantbesitzer auf einen Tee eingeladen. Einer seiner Gäste war ein Straßenbauingenier, der gerade mit seinen Kollegen auf dem Weg nach Sarakhs ist, weil seine Firma dort die Straße erweitert. Schon gestern hatte er mich aus Mashhad rausradeln gesehen. Zur Stärkung brachte er mir noch ein Care-Paket mit Nüssen und Limonade vorbei.
Als der “Gipfel” erklommen war, öffnete sich wieder eine völlig neue Landschaft. Die Straße schlängelte sich durch eine faszinierende Gesteinswüste. Vereinzelt sah man kräftige, grüne Bäume, die offenbar unterirdische Wasserquellen anzapften, weil sonst war die Umgebung mehr als trocken.
Der Verkehr hatte deutlich nachgelassen. Einzig die vielen LKWs, die Güter zur Grenze transportierten durchbrachen immer wieder die faszinierende Stille.
Im Schatten eines verfallenen Restaurants machte ich eine ausgiebige Mittagspause. Seit vorgestern bin ich stolzer Besitzer einer Eierbox, sodass ich nun endlich im Supermarkt frische Eier kaufen kann. Das heutige Omelett war ein Traum!
Seit Mashhad hatte die Besiedelung schlagartig abgenommen. Nun fährt man nur noch im Abstand von 30 – 40km durch kleine Dörfer, die meist zur Gänze aus Lehmhütten bestehen. Am Straßenrand sieht man immer wieder sehr große Schafherden und Nomaden mit ihren Zelten. Ich bin froh, dass ich mich in Mashhad ausreichend mit Wasser und Proviant eingedeckt habe. Für die ersten Tage in Turkmenistan steht mir aber dasselbe Spiel bevor. Der Wasserverbrauch ist bei den aktuell herrschenden Temperaturen enorm hoch und es soll noch wärmer werden…
Am frühen Nachmittag erwischte es dann meinen Vorderreifen. Plötzlich durchbrach ein lautes Pfeifen die angenehme Stille. Ein Fremdkörper im Mantel war aber nicht zu finden… und siehe da, der Schlauch war einfach aus freien Stücken eingerissen. Zweimal versuchte ich die Stelle zu flicken, doch dann griff ich auf den Ersatzschlauch zurück. Ich war gerade dabei, das Loch zu flicken, als meine Straßenbaufreunde vorbeikamen und ihre Hilfe anboten. Da ich dachte, gerade fertig geworden zu sein, lehnte ich dankend ab. Bevor sie wieder weiterfuhren gab es aber noch eine Banane, einen Schokosnack und einen Ananassaft. Manchmal kommt diese Großzügigkeit wirklich zum rechten Moment.
Schlussendlich schaffte ich es dann doch noch, das Rad wieder zum Laufen zu bringen und konnte die letzten Kilometer bis Sarakhs in Angriff nehmen.
Nachdem ich noch relativ viel RIAL besitze, beschloss ich mir heute noch einmal ein Hotel zu gönnen. Eine Dusche und wenn möglich Internet. Zuvor erledigte ich aber noch meine Einkäufe in der Stadt. Als ich an der Ampel stand wurde ich von Emi kurz abgefangen und in seinen Uhrenladen eingeladen. Beim Tee jammerte er mich ein wenig voll, wie schwer das Leben im Iran ist und dass er so gerne weg möchte. Seine Freundin kann er nur abends über Facebook kontaktieren, weil die Familien nicht wirklich einverstanden sind, Ersparnisse hat er keine und offenbar ist ihm in Sarakhs auch ziemlich fad… Da es bereits langsam dunkel wurde, versuchte ich das Gespräch irgendwie zu einem Ende zu bringen und machte mich auf, ein Zimmer in einem der beiden Hotels im Ort zu beziehen. Lustigerweise waren die vier Schweizer Motorradfahrer gestern auch hier abgestiegen…
Morgen gehts nun nach Turkmenistan. Ein Monat Iran liegt hinter mir. Ein häufiges Auf und Ab, aber rückblickend gesehen eine grundsätzlich sehr angenehme Reiseerfahrung. Für Fahrradtouristen ist der Iran durchaus ein gutes Reiseland. Man muss sich aber dessen bewusst sein, dass das Verkehrsaufkommen und vor allem auch die Fahrstile unglaublich sind. Die Abgasbelastung und auch die Umweltverschmutzung durch Müll am Straßenrand ist unsagbar groß. In guter Erinnerung wird aber die Offenherzigkeit der Menschen bleiben. Auch wenn hin und wieder etwas mehr Privatsphäre durchaus wünschenswert gewesen wäre, werde ich mich noch lange an die Gastfreundschaft und das große Interesse der Iraner erinnern.