Tag 107 / 108 (18/19.Mai)

Dushanbe: 2 Ruhetage; 20 – 29 Grad; wechselhaft / Regen
Camping / Warmshower

Veronique, unsere Gastgeberin, bereitet sich auch gerade auf eine Fahrradtour durch das Pamirgebirge vor. Mit ihrem 8 jährigen Sohn Gabriel will sie mit dem Tandem das Gebirge durchfahren. Lulu, ein guter Freund von Veronique will sie dabei begleiten. Die gesamte Ausrüstung, welche beide besitzen liegt momentan im Innenhof ausgebreitet vor uns. Es wird diskutiert, was unbedingt mit muss und worauf verzichtet werden kann. Lulu´s Fahrrad benötigt dringend einen Service, jedoch ist in Dushanbe kein ordentliches Fahrradgeschäft aufzutreiben. Daher biete ich ihm meine Werkstattkünste an und behebe zumindest die gröbsten Mängel. Veronique ist bei Fahrradreisenden eine beliebte Anlaufstelle in Dushanbe. Entweder vor der Pamir-Durchquerung, oder danach. Für mich ist der Aufenthalt bei Veronique auch so etwas wie eine letzte Ruheoase vor einer vermutlich recht entbehrungsreichen Zeit. Frederique (F) und Ashkan (IR), die ebenfalls bei Veronique untergekommen sind, werden in ein paar Tagen zu einer mehrtägigen Wanderung im Pamir aufbrechen. Gemeinsam werden Karten studiert und Informationen ausgetauscht. So langsam entsteht ein klareres Bild von der Situation, die mich in den kommenden Wochen erwarten wird.
Meinen ersten Ruhetag nutze ich aber erst noch einmal dazu, um mit dem Rad ein wenig durch Dushanbe zu radeln. Es ist Sonntag und auf den Straßen tut sich nicht viel. Im “Zentrum” von Dushanbe reihen sich an der Hauptstraße unzählige palastartige Gebäude. Einige gewaltige Hotelkomplexe sind gerade im Bau. Es scheint, als ob sich Dushanbe auf einen großen Ansturm zahlungskräftiger Touristen rüstet.
Im zentral gelegenen Vergnügungspark ist dafür umso mehr los. Der Erholungssonntag wird genutzt und die Kasse bei den Fahrgeschäften brummt. Im Vergleich zu den Vergnügungsparks in Europa fühlt man sich hier um 30 Jahre zurückversetzt. Es gibt keine besonders spektakulären Fahrgeschäfte, trotzdem amüsieren sich die Leute prächtig. Im angrenzenden See werden Motorboote für eine kurze Rundfahrt gemietet, eine Handvoll Kinder vergnügt sich am gegenüberliegenden Ufer im Wasser. Dahinter wird eifrig an der Fertigstellung eines gewaltigen Hotels gearbeitet. Kräftigen Westwind bläst über den See, da kommt fast schon ein wenig Strandatmosphäre auf.
Ich begebe mich schließlich auf die Suche nach ein paar Ersatzschrauben für meine Packtaschen und Flickzeug für die Schläuche. Angeblich soll man auf dem Sultoni Kabir Bazar fündig werden. Der Weg dorthin führt mich durch Plattenbauartige Wohngebiete aus den 1970er Jahren. Viele Leute tummeln sich vor den Häusern und in den offenen Stiegenhäusern. Die Architektur wirkt vertraut – klassischer Sowjetstil – allerdings ist das Bild in Kombination mit den Bewohnern noch etwas ungewohnt. Die Frauen mit langen, bunten Gewändern, meist die Haare unter einem kunstvoll gewickeltem Kopftuch versteckt, die alten Männer mit Bart und traditioneller Kopfbedeckung. Alle versammelt in der aus Asien so bekannten Sitzhocke vor den Wohnblocks…
Auf dem Bazar ist viel geboten. Es dauert einige Zeit, bis ich mich orientiere und schlussendlich die “Abteilung” für Schrauben etc. gefunden habe. Mit Odkurs Hilfe gelingt es dann schlussendlich auch die erforderlichen Einzelteile aufzutreiben. Imbusschrauben sind hier in Tajikistan allerdings noch eine Seltenheit und auch selbstsichernde Muttern kennen noch die wenigsten Händler. Obwohl die meisten Händler in ihrem Bereich fas dasselbe Angebot führen, findet man bei Einzelnen dann doch noch etwas spezielleres. Nun bin ich immerhin gerüstet, wenn wieder mal eine Niete der Packtaschen reißt.
Die Flicken für die Fahrradschläuche finde ich dann auch noch in der Fahrradabteilung. Praktisch alles, was hier an Fahrradzubehör zu kaufen ist, stammt aus China. Die Qualität ist eher mäßig, aber immerhin gibt es ein bisschen ein Angebot. Zur Sicherheit überprüfe ich noch, ob in der Vulkanisierungspaste auch wirklich was drin ist. Gabor hatte damals in Samarkand die Erfahrung gemacht, dass in drei gekauften Tuben außer Luft nichts drin war.
Auf dem Rückweg sprechen mich drei Jungs an, die gerade auf dem Weg zum Parcour-Training sind. Nachdem ich ohnehin keine konkreten Pläne habe, leiste ich ihnen beim Training kurz Gesellschaft. Die Parcours Community in Tajikistan ist noch relativ klein, aber die Jungs arbeiten fleissig daran, dass es immer mehr werden. Zwei aus der Gruppe möchten im Sommer gerne nach Europa kommen, um bei den Meisterschaften teilzunehmen, aber die Einladung vom Organisator steht noch aus. Da hilft auch der Tajikische Meistertitel nicht… Ich drücke ihnen die Daumen, dass es schlussendlich doch noch klappt. Die Vorstellung, in derart viele Länder zu reisen, wie ich es im Moment mache, fasziniert die Burschen. Von jedem Land in dem ich war, wollen sie unbedingt ein Foto sehen. Zum Abschluss gibts noch eine kurze Privatvorstellung ihrer Parcour-Künste.
Auf dem Rückweg stolpere ich noch über das Somoni Monument. Ein überdimensional großer Bogen mit einer goldenen Krone an der Spitze. Angeblich ist die Krone aus Gold, weshalb das Monument stets von Polizei bewacht wird. Einer der Polizisten verwickelt mich dann auch in ein Gespräch und wenige Minuten später wird mir klar, dass ich gerade in eine klassische Touristenfalle getappt bin. Da erste Foto vom Somoni Monument konnte ich noch alleine schießen, danach bot mir der Polizist an, ein Foto von mir zu machen. Es folgte eine regelrechte Fotosession in der er mich von einem Fleck zum nächsten scheuchte, um Bilder von mir zu machen. Das ganze läuft dann natürlich auf eine “Somoni-Spende” hinaus. Die Tajiken nennen ihre Landeswährung nicht Som, sondern Somoni… klingt fast schon italienisch.
Touristen sind in Dushanbe nicht gerade häufig, trotzdem treffe ich auf ein österreichisches Pärchen, dass für 2 Wochen durch Uzbekistan und Tajikistan reist. Die meisten europäisch wirkenden Leute in Dushanbe arbeiten für Regierungsorganisationen. Ich habe noch keine Stadt gesehen, in der die Dichte an Diplomatenkennzeichen so hoch war. Mag sein, dass die Nähe zu Afghanistan und Pakistan auch einen Teil dazu beiträgt.
Abends gehts gemeinsam mit Lulu ins “Public Pub” wo wir es uns bei Burger, Apfelstrudel und Weißbier gut gehen lassen. Der Weg dorthin ist etwas mühsam, weil sich die Grenzpolizei gerade zu einem gewaltigen Aufmarsch formatiert. Offenbar gibt es irgendein Jubiläum und dazu muss das Marschieren noch geübt werden. Eine eigenartige Stimmung liegt in der Luft. Hunderte Grenzpolizisten marschieren mit ihren Gewehren an uns vorbei, dazwischen immer wieder schwere Militärfahrzeuge… Hundestaffel, berittene Polizei, Marschmusik, und das alles am Sonntag Abend.
Über Nacht hatte das Wetter umgeschlagen. Die ganze Nacht über hatte es geregnet und auch am Vormittag war keine Besserung in Sicht. Also werden die Regenklamotten ausgepackt und los gehts in Richtung OVIR, um dort die Permits für das Pamirgebirge zu beantragen. Dank einiger Blogs hatten wir genug Information gesammelt, um zu wissen, wie man möglichst einfach an das Permit gelangt. Tourorganisationen berechnen zwischen 50 und 100 € für die Beschaffung, wenn man es selber erledigt, bekommt man das ganze um 20 SOM, also etwa 3€.
Zuerst wird Geld in der benachbarten Bank eingezahlt, dann geht man zum OVIR Office und wartet erst einmal, bis der entsprechende Schalter besetzt wird…
Manchmal bekommt man das Permit schon nach einer Stunde, wir müssen leider einen Tag warten, weil der zuständige Beamte nicht im Dienst ist. Es gibt schlimmeres. Ich hatte ohnehin den Dienstag für die Abfahrt ins Auge gefasst.
Nach den Gesprächen mit Frederique, Ashkan und Veronique habe ich nun beschlossen, die etwas längere Route durch das Vahan Valley zu wählen. Die Straße ist hier zwar in recht schlechtem Zustand, dafür soll die Landschaft sehr beeindruckend sein. Man radelt einige Tage entlang der afghanischen Grenze mit Blick auf den Hindukush. Tajikistan, Afghanistan und Pakistan liegen hier sehr eng zusammen. Nachdem das Vahan Valley durchquert ist, gehts noch rauf auf 4300m, dann kommt man wieder auf die “Hauptstraße”, die M41. Der Akbajtal Pass mit fast 4700m wird dann der höchste Punkt im Pamir werden. Nachts sollen die Temperaturen deutlich unter Null fallen, aber unter Tags scheint es dafür recht angenehm zu sein.
Ich bin schon sehr gespannt. Radeln in Geoßer Höhe ist mal eine ganz neue Erfahrung.
Internetzugang gibt es in den kommenden Wochen offenbar nur an zwei Orten. Es kann also gut sein, dass der Blog für längere Zeit nicht upgedated wird.