Tag 95 – 06.Mai

Bukhara – Ziyondin: 132km; 5:38h im Sattel; 26 – 38 Grad, bedeckt / Sonne
Camping

Sobald man wieder auf dem Rad sitzt, ändert sich sofort die Wahrnehmung durch die Leute vor Ort. Man wird wieder laufend gegrüßt und der Daumen aufmunternd in die Höhe gestreckt. Ich bin wieder unterwegs… der Ruhetag hat meinem Sitzfleisch ganz gut getan, mit neuer Energie gehts nun in Richtung Samarkand.
Durch den gestrigen kurzen Regenschauer am Abend sind die Temperaturen leicht abgesunken. Gegen den wolkenverhangenen Himmel habe ich im Moment auch überhaupt nichts einzuwenden.
Kurz vor Mittag gibts dann mal wieder einen platten Reifen. So langsam muss ich mich schon wundern. Jetzt war ich fast 7000km ohne größere Probleme unterwegs und neuerdings muss ich fast täglich zur Reparatur stoppen. Aber den Mantel trifft auch diesmal keine Schuld. Wieder einmal ein kleines Loch auf der Felgeninnenseite. Ich hoffe nur, dass das nicht zur Gewohnheit wird, weil mir sonst die Reparaturflicken ausgehen. Nachdem ich meinen Reifen in unmittelbarer Nähe eines kürzlich angefahrenen Hundes flicken musste, beschloss ich aufgrund der doch recht starken Geruchsbelästigung einen alternativen Platz für die Mittagspause zu finden. Am Ortsausgang wartete auch schon ein schattiger Platz auf mich. Im Minutentakt kamen Leute vorbei und begutachteten meine Ausrüstung, mein Essen, meine Karten, den Reisepass… Das Interesse ist groß und trotz gravierender Sprachbarrieren klappt die Kommunikation ganz gut.
Nach einigen Tagen mit Gegenwind in Turkmenistan werde ich heute von dezentem Rückenwind verwöhnt. Die Straße ist zu meiner Überraschung nicht sehr stark befahren. Immerhin ist es die Hauptverbindung in Richtung Kirgistan / Kasachstan. Vielleicht liegt es aber auch an dem Engpass an Treibstoff. Ich fahre an einer Vielzahl von geschlossenen Tankstellen vorbei. Auch die Motorradfahren hatten in Bukhara darüber gejammert, dass es wirklich schwer sei, hier in Uzbekistan Treibstoff aufzutreiben. Robert aus Amerika musste sein Bike z.B. schon einige Kilometer schieben, bis ein paar Motorradkollegen vorbeikamen und ihm etwas Benzin abgeben konnten. Nur wenige Tankstellen haben welchen und stellenweise müssen die Leute tagelang darauf warten. Unter der Hand wird natürlich fleissig verkauft, aber viel Treibstoff ist in der Flüssigkeit, die man da erhält nicht mehr drin. Es wird gestreckt was geht… Da bin ich froh, dass ich in der Hinsicht autark unterwegs bin. Im Iran hatte ich zuletzt aufgetankt und ich denke, dass ich mit meinem Benzinvorrat noch leicht bis Tajikistan kommen werde.
Nach einer relativ langen Stecke mit dichter Besiedelung komme ich nun wieder in einen Streckenabschnitt, der sehr an Turkmenistan erinnert. Die Sonne brennt auch wieder vom Himmel, aber die 2 Grad weniger als in Turkmenistan merkt man schon deutlich. Mitten im Nirgendwo taucht dann plötzlich eine alte Karawanserei aus dem 16.Jhdt auf. Die Hauptstraße führt mitten durch den noch verbliebenen Rest der Anlage hindurch. Direkt dahinter beginnt das Industriegebiet von Navoiy.
Hinter Navoiy wird es wieder deutlich grüner. Viele Obstplantagen säumen die Straße. Über ausgeklügelte Kanalsysteme können sämtliche Felder mit Wasser versorgt werden. Ein Zeltplatz ist in dieser Umgebung aber schwer zu finden. Also beschließe ich am Ortsausgang mein Glück auf dem Fußballplatz zu versuchen. Die Familie, die direkt am Sportplatz wohnt heißt mich herzlich willkommen. Ich kann sogar ihr Wasser zum Waschen und Kochen verwenden.
Auf dem Sportplatz weiden noch die Kühe und Schafe, doch diese werden eben von der Dorfjugend des Platzes verwiesen, weil nun Zeit für Fußball ist. Erstaunlich, wie viele Leute sich dann noch einfinden. Natürlich will jeder kurz ein paar Worte mit mir wechseln, doch nachdem jeder mal an der Reihe war, kann ich in Ruhe mein Abendessen kochen und den Jungs aus der Ferne ein wenig beim – doch recht brachialen – Ballspiel zuschauen. Noch weit über Einbruch der Dunkelheit hinweg sitzen wir vor meinem Zelt und studieren die Karte von Zentralasien. Den meisten ist auch hier die Hauptstrecke der Radltouristen bekannt, doch jeder will einen Blick auf die Karte werfen.
Nachdem der heutige Tag doch relativ viele Kilometer gebracht hat, werde ich vermutlich schon morgen in Samarkand einrollen. Mal schauen, vielleicht gönne ich mir dafür einen Ruhetag mehr…

Tag 96 – 07.Mai

Ziyondin – Samarkand: 150km; 6:44h im Sattel; 26 – 39 Grad, Sonne
Hotel

Frühmorgens ist schon einiges los auf der Straße. Weniger Verkehr, dafür viel mehr Leute am Straßenrand, die entweder auf eine Mitfahrgelegenheit warten, auf dem Weg zum Feld sind, oder sich in Richtung Schule bewegen. Die Mädels, allesamt mit Sonnenschirm ausgestattet, wandern meist in 3er-Gruppen einer Prozession gleich zur Schule. Dazwischen bahnen sich Eselskarren ihren Weg und die Bauern führen ihre Kühe an der Leine zum Weiden aus. Mit einem Pflock am Straßenrand, oder zwischen den Obstbäumen festgemacht, kann man die Kühe dann den Tag über grasen lassen. Viele Aprikosenbäume säumen die Straße. Die wenigsten der Früchte erleben aber ihr Reifedatum, weil die Einheimischen die Aprikosen schon im grünen Stadium essen. Hie und da bekomme ich freudestrahlend eine Handvoll grüner Aprikosen zugesteckt, die aber in dieser Form nicht zu meinen Lieblingsfrüchten avancieren werden.
Nach gut zwei Stunden auf dem Rad stoße ich auf Gayle, John und Gabu die ich vor zwei Tagen ih Bukhara aufbrechen gesehen habe. Eigentlich wollten sie die Hauptstraße meiden und auf kleinen Nebenstraßen nach Samarkand raadeln, doch irgendwie hat es sie dann doch auf die Hauptstraße verschlagen. Vom Verkehr her spricht aber auch nichts dagegen, hier zu radeln. Wir fahren ein paar Kilometer gemeinsam, dann trenne ich mich wieder von ihnen und mache mich auf, noch heute in Samarkand einzutreffen.
Die Straßenverhältnisse sind teilweise mal wieder sehr schlecht. Obwohl es die Hauptverbindung in Richtung Tashkent ist, säumen hunderte Schlaglöcher den Weg. Streckenweise ist die Straße von Baumwolle bedeckt, die ein paar Laster zuvor verloren hatten. Wieviel sie von ihrer Fracht in Tashkent abliefern, wenn sie so weiterfahren ist nicht sicher…
Die Hitze schlägt heute mal wieder ordentlich zu. Zwar spenden viele Bäume am Straßenrand kurzzeitig Schatten, doch dafür ist die Luft auch ziemlich schwül. Sämtliche Felder neben der Straße werden über groß angelegte Kanalsysteme bewässert. In den Kanälen sieht man jetzt immer wieder Burschen beim Baden. Es liegt richtiger Sommerduft in der Luft, der mich an die wenigen Hochsommertage in Deutschland erinnert. Jetzt haben wir aber erst Anfang Mai…
Mein Wasserverbrauch erreicht heute mit gut neun Litern mal wieder das Niveau von Turkmenistan. Dafür brauen sich am Horizont ein paar Abkühlung versprechende Regenwolken zusammen.
Um kurz nach Fünf rolle ich in Samarkand ein. Auf der Suche nach dem B&B, das mit Gayle und John empfohlen hatten irre ich ein wenig durch die Stadt und plötzlich stehe ich vor einem Hotel, in dem die Motorradgruppe, die ich bereits aus Bukhara kenne, residiert. Adam besteht darauf, dass ich bei ihnen im Hotel bleibe und arrangiert für mich ein günstiges Zimmer. Nachdem er fließend Usbekisch spricht, drückt er den Preis von 20 auf 10 Dollar… Bei den Motorradjungs hat die Tatsache, dass ich dieselbe Strecke wie sie per Fahrrad zurücklege ziemlich Eindruck hinterlassen und so werde ich am Abend sogar noch zum Essen eingeladen.
Der Vorstellung von zwei Ruhetagen kann ich nun immer mehr abgewinnen. Noch ein bisschen Erholung kann nicht schaden, bevor es wieder in die Berge geht.