Tag 132 / 133 – 12.-12.Juni

Osh: zwei Ruhetage; Zwischenbilanz: 10042km; 512:09h im Sattel
Hotel

Ein bisschen Ausspannen in Osh… darauf hatte ich mich die letzten Tage schon gefreut. Es gab auch ein paar Dinge, die organisiert werden mussten. Meine Kamera hatte ja vor ein paar Tagen ihren Dienst quittiert. Zuviel Staub und zu viel Holpern in der Lenkertasche führten dazu, dass das Objektiv klemmte. Ich setzte alle meine Hoffnung darauf, in Osh jemanden zu finden, der mir das gute Stück wieder zum Laufen bringt. Ausserdem wollte ich mich in Kirgistan registrieren lassen. Grundsätzlich ist eine Registrierung nicht erforderlich, doch offenbar gibt es seit März eine neue Regelung wonach man zur Beantragung des Chinesischen Visums in Kirgistan registriert sein muss. Die Agentur in Bishkek führt die Registrierung zwar auch durch, verlangt dafür aber fast den zehnfachen Preis, den man selbst bezahlen würde. Zu guter letzt musste Jona auch noch einen Fahrradladen finden, um die Speiche seines Hinterrades auszutauschen. Es stand also doch einiges auf dem Programm…
Auf dem Bazar wurden wir gleich mal fündig. Ähnlich wie in Dushanbe fand man auch hier in Osh eine Handvoll Radhändler im Bazar. Der Bazar besteht hauptsächlich aus ausgedienten Überseecontainern in denen die Händler ihre Waren verstauen und auch von dort aus verkaufen. Man kommt sich ein wenig vor, wie auf einem Hafengelände. Nur der Staub und die schlaglochdurchzogene Straße irritiert ein wenig. In der Fahrradabteilung dasselbe Bild wie in Dushanbe. Überall chinesische Billigstqualität. Ein “Fahrradmechaniker” war schnell gefunden und die Kassette rasch demontiert.
Osh ist nicht groß, trotzdem verbrachte ich einige Stunden damit einen Spezialisten für Kamerareparaturen zu finden. Ich wurde von einem Laden zum nächsten geschickt, aber dann verdichteten sich die Hinweise, dass es offenbar wirklich einen Spezialisten gibt, der allerdings offenbar nach dem Mittagessen keine Lust mehr hatte zurückzukommen. Ich muss mein Glück also am folgenden Tag noch einmal strapazieren.
Demnach konnte ich mich nun meiner zweiten Mission widmen – der Registrierung. Ich wusste, dass ich das OVIR Office aufsuchen musste, das sich in der Lenin Street befand. Diese Straße ist allerdings recht lang und ich hatte schon im Hostel erfahren, dass das OVIR nicht leicht zu finden ist. Dass es allerdings derart schwer werden würde hatte ich mir auch nicht gedacht. Ich begann mich durchzufragen, konzentrierte mich schließlich nur noch auf kompetent wirkenden Personen, aber auch die hatten Schwierigkeiten mir die Richtung zu weisen. Sogar in einer benachbarten Amtsstube wusste man nicht so recht, wo das Büro lag. Für mich ein wenig verwunderlich, handelt es sich dabei doch um “Kollegen”. Irgendwann war es dann soweit und ich stand vor dem OVIR Office, das für die Registrierung zuständig war. Eine Amtsstube in Kirgistan. Viele Leute in der zentralen Halle, die alle irgendwelche Formulare ausfüllten und warteten. Schritt für Schritt begann ich mich durchzufragen, bis ich schließlich das richtige Formular in Händen hielt. Natürlich alles in kyrillischer Schrift und ich keine Ahnung wohin was schreiben… Also musste ich meinen Charme ein wenig spielen lassen und schließlich half mir eine junge Dame am Infoschalter das Formular auszufüllen. Danach noch 120 SOM bezahlen, kurz warten und schlussendlich gab es einen Stempel in den Pass. Mal schauen, ob mir das bei der Beantragung des Visums in Bishkek weiterhilft.
Der Sommer ist in Kirgistan auch richtig angekommen. Eigentlich kann man sich nur noch im Schatten aufhalten. Auf große Besichtigungstouren hatte ich aber ohnehin keine Lust, mir war vielmehr nach Nichtstun.
Jona war beim Reinigen der Räder darauf gestoßen, dass Franzis Hinterrad bereits durchgebremst war. Den beiden bleibt auch wirklich nichts erspart. Mit ihren Rädern aus Indien machen sie so ziemlich alles mit, was man beim Setup eines neuen Reiserades versucht zu umgehen. Seit sie im Iran gestartet sind haben sie schon vier Sätze Bremsbeläge verbraucht. Bremsflanken der Felgen haben schon tiefe Riefen und bei Franzis Hinterrad beginnen sich bereits Risse in den Bremsflanken zu bilden. Schwer zu sagen, wie weit sie noch mit den Rädern kommen. Ich selbst bin erstaunt, mit welcher Leichtigkeit sie mit den immer wieder auftretenden Schwierigkeiten umgehen, aber sie lassen sich nicht unterkriegen. Die neue Speiche in Jonas HInterrad war auch nicht unbedingt von bester Qualität. Als ich sie noch einmal nachziehen wollte, riss sie umgehend ab. Also erneut zum Bazar…

Neuer Tag, neues Glück… ich hatte am Abend noch versucht, selbst meine Kamera zu öffnen. Dazu hatte ich mir im Elektroladen extra einen Satz Spezialschraubendreher besorgt. Leider ließ sich mit meinen rudimentären Kenntnissen die Hauptabdeckung der Kamera nicht zur Gänze entfernen. Nachdem ich dann fast 20min lang eine ca. 1mm große Kugel auf dem Teppichboden des Hostels gesucht hatte, beschloss ich doch, die Kamera in die Hände eines Fachmanns zu geben. Diesmal hatte ich auch mehr Glück und der “Laden” war besetzt. Zwei Herren waren über diverse Platinen und geöffnete Handys gebeugt. Es wurde unter dem Mikroskop gearbeitet, offenbar verstanden sie wirklich was von ihrer Arbeit.
Bei meiner Odyssee durch verschiedenste Geschäfte ist mir schon aufgefallen, dass die Geschäftsstruktur hier ein wenig anders ist, als gewohnt. Man betritt einen Laden und befindet sich dann in Mitten von drei oder vier verschiedenen Geschäften. Vom Eingang her wirkt es wie ein Fotogeschäft und dann gibt es noch ein Reisebüro, eine Videothek, einen Handyladen, und so weiter. Man teilt sich also die Geschäftsflächen. Eigentlich gar keine so dumme Idee. Die Spezialisten für meine Kamera saßen auch hinter zwei Türen versteckt in einem unbelichteten ca. 4qm großen Raum, der zu einem recht modern wirkenden Laden für Handys gehörte. Nur durch den Tip eines benachbarten Fotoladens bin ich auf die zwei Typen gestoßen. Mit den Arbeitszeiten nahmen sie es aber nicht so genau. Diesmal ging es erst um 11 Uhr los. Die Zeit bis dahin vertrieb ich mir durch eine kurze Wanderung auf den Hausberg von Osh. Die Aussicht war die Mühe wert, aber eine Stunde Warten im Schatten wäre weit weniger schweißtreibend gewesen.
Bereits am Nachmittag war die Kamera schon fertigt. Faszinierend, wie schnell Reparaturen doch gehen können. Zuhause hätte ich sicherlich mindestens eine Woche darauf warten müssen. Ich bin froh, jetzt wieder eine funktionierende Kamera mit mir zu führen. Irgendwie ist es ein eigenartiges Gefühl diese vielen Eindrücke und faszinierenden Landschaften nicht festhalten zu können. Ich hoffe, dass das Objektiv jetzt keine Schwierigkeiten mehr macht.
Die Hauptsaison für Fahrradreisende ist nun angebrochen. Viele verbringen auch nur einen kürzeren Urlaub in Zentralasien. Durch Osh kommen aber die meisten von ihnen. Somit sieht man immer wieder Leute mit Reiserädern vorbeiradeln. Auf dem Rückweg zum Hostel treffe ich dann überraschenderweise auf Enzo den Italiener, den ich damals in Tehran getroffen hatte. Wegen extrem starker Rückenschmerzen musste er eine ganze Woche in Osh verbringen, fährt aber am folgenden Tag wieder weiter in Richtung Bishkek. Wir verabreden uns zum Abendessen bei mir im Hostel. Franzi und ich bereiten in der kleinen Küche des Hostels eine frische Tomatensauce zu. Es ist eine Wohltat, einmal wieder in einer richtigen Küche zu arbeiten. Es gibt eine Arbeitsfläche, verschiedene Messer, ein Spülbecken und mehrere Kochplatten. Beim Campen muss man doch auf das meiste davon verzichten.
Guancho, ein Radreisender aus Taiwan gesellt sich am Abend auch noch zu uns und so verbringen wir den letzten Abend in Osh mit einem ausgedehnten Erfahrungsaustausch über die Erlebnisse der letzten Monate.
Jeder von uns hat vor, auf dem Weg nach Bishkek über den Song Köl See zu fahren. Der See liegt auf gut 3000m. Es heißt also wieder klettern…
So wie es aussieht wird man dabei aber ein paar Tage abseits der Zivilisation unterwegs sein. Das heißt also wieder einmal Vorräte für ein paar Tage transportieren. Es ist schwer abzuschätzen, wann ich in Bishkek ankommen werde, aber nachdem es sich offenbar um recht schlechte Straßen handelt gehe ich einmal davon aus, dass es 10 bis 14 Tage dauern wird. Bis dahin bleibt der Blog also mal wieder unberührt…