01. – 03.Juli

Bishkek – Ysykata – Bishkek: 3 Tage Wanderausflug
Camping

Für mehrtägige Wanderausflüge war eigentlic keiner von uns ausgerüstet, aber schlussendlich braucht man nur einen großen Rucksack und gute Schuhe, der Rest überschneidet sich prinzipiell mit der Fahrradausrüstung. Nathan hat zum Glück drei große Rucksäcke die er gerne zur Verfügung stellte und so stand dem gemeinsamen Ausflug nichts mehr im Weg. Meine Kamera ist nun auch wieder repariert, es kann losgehen. Zelt, Schlafsack, Kochgeschirr, Matratze, Regenklamotten und diverses Kleinzeug wandern neben diversen Essensvorräten in den Rucksack. Das Gewicht drückt mich erst mal ordentlich in den Boden. Kaum zu glauben, wie schwer so ein Wanderrucksack sein kann. Bei Radeln merkt man das Gewicht eigentlich kaum, lediglich bei den Anstiegen muss man etwas stärker in die Pedale treten. Sobald die Ausrüstung aber auf den Schultern liegt, merkt man jedes Gramm.
Anfangs wollten wir auf 4500m klettern, schlussendlich setzte sich aber Angie durch und wir starteten in Richtung Ysykata um dort zu einem Bergsee zu wandern. Bei den momentan herrschenden Temperaturen klingt die Vorstellung eines Bergsees auch sehr verlockend.
Angie organisiert beim Wanderverein einen Bus, der uns in gut zwei Stunden zum Ausgangspunkt unseres Ausfluges bringt. Bei strahlendem Sonnenschein starten wir bergwärts. Zu neunt brechen wir am frühen Nachmittag auf. Der Rucksack macht jeden Schritt weitaus beschwerlicher als es sein sollte. Stellenweise verfluche ich mein 4kg Zelt. Immer wieder überlege ich, wo ich noch Gewicht hätte einsparen können, komme aber nicht wirklich weiter. Sobald erst mal ein Großteil des Essens weg ist, wird es wohl leichter werden.
Angie uns Spaska hatten sich im Vorfeld beim Wanderverein von Bishkek über den Weg informiert. Geplant ist, dass wir am ersten Tag bis zum See aufsteigen und am Folgetag in das Nachbartal absteigen und von dort aus wieder zurück zum Ausgangspunkt kommen. Wir wandern auf schmalen Pfaden durch herrlich duftende Bergwiesen. Landschaftlich erinnert die Gegend sehr an die europäischen Alpen, mit dem Unterschied, dass hier an Stelle von Kühen eben auch Schafe und vor allem Pferde auf den Berghängen weiden.
Außer uns ist niemand unterwegs. Wandern ist hier in der Gegend aber auch nicht so sehr verbreitet. Nach einiger Zeit zeichnet sich ab, dass Dan, ein Freund von Angie, sehr mit dem Anstieg zu kämpfen hat. Auf den letzten Kilometern nimmt ihm Jona auch noch den Rucksack ab und trotz der Erleichterung schleppt sich Dan nur mit Mühe bis zum See. Zu allem Überfluss zieht auch noch Regen auf und wir erreichen gerade mal 10 Minuten zu spät den See. Es hat schon zu regnen begonnen und wir müssen bei immer stärker werdendem Wind die Zelte aufstellen. Zum Glück löst sich der Regen wieder auf und wir können zumindest im Trockenen das Abendessen zubereiten. Für die geplante Sauce muss aber bereits jetzt improvisiert werden, da Guancho seine Tomaten in Bishkek vergessen hatte. Vier Tomaten für 9 Leute ergibt nicht unbedingt eine ausgiebige Sauce. Zum Glück hatte ich noch eine Dose Ravioli eingepackt, sodass wir damit die Sauce ein wenig strecken konnten. Der lange herbeigesehnte See entpuppte sich leider nur als ein etwas größeres Wasserloch, die Versorgung mit sauberem Wasser gestaltet sich etwas schwierig. In der Nähe des Sees haben sich auch die Hirten niedergelassen, deren Pferde und Kühe regelmäßig zum Trinken an den See kommen. Der Wasserfilter liegt in Bishkek und so so werden einfach die größten Algenstücke und die sich noch bewegenden Kleintiere per Hand entfernt. Zum Glück hatte sich mein Magen in den letzten Wochen auf die teils bedenklichen Wasserqualitäten eingestellt. Wir hoffen alle darauf, im Nachbartal wieder sauberes Wasser zu bekommen.
Dan ist körperlich völlig am Ende und fällt noch vor dem Essen ins Zelt und ist für die nächsten Stunden nicht mehr ansprechbar.
Pünktlich um 6 Uhr morgens setzt der Regen wieder ein, sodass wir den Start in den neuen Tag etwas nach hinten verschieben. Das Wetter scheint sich aber zu bessern und so starten wir alle guter Dinge ins benachbarte Tal. Wir klettern auf knapp 3000m und werden mit einem sagenhaften Ausblick in das unter uns liegende Flusstal belohnt. Es geht entlang eines kleinen Gebirgsflusses in Richtung Tal. Ein richtiger Pfad ist nicht vorhanden, wir schlagen uns vorerst einmal auf eigene Faust durch. Angeblich soll der Wanderpfad auf der gegenüberliegenden Flussseite weitergehen. Die erste Flussquerung steht an. Das Wasser ist empfindlich kalt und wir suchen lange nach einer geeigneten Stelle. Paarweise warten wir durch das eiskalte Wasser und begeben uns dann auf die Suche nach dem Wanderpfad. Nach kurzer Zeit stecken wir im dichten Wald fest. Spaska versucht weiterhin den Pfad zu finden und wir klettern immer weiter bergauf. Schlussendlich beschießen wir, unser Glück in der Nähe des Flusses zu versuchen, dort ist der Wald zumindest nicht so dicht und wir hoffen so weiterzukommen.
Besonders schnell kommt man bei diesen “Wegbedingungen” nicht voran. Meter um Meter kämpfen wir uns durch unwegsames Gelände. Auf eine richtige Mittagspause hatte sich keiner eingestellt, da wir eigentlich am frühen Nachmittag wieder zurück sein wollten. Jetzt sieht es aber so aus, als ob wir erst am späten Abend an unserem Ausgangspunkt wieder ankommen werden. Zum Glück hatte ich zwei Packungen Nudelsuppe eingepackt und so gibt es für jeden noch ein wenig Suppe zur Stärkung.
Nur wenige hundert Meter nach unserer späten Pause stecken wir dann fest. Das Ufer an dem wir uns befinden geht in eine senkrechte Felswand über und der Fluss lässt sich nicht queren. Es gibt nicht viele Optionen. Variante eins, das Felsufer zu “überklettern” wird von Dan kategorisch abgelehnt. Zu steil und zu lange der Umweg. Variante zwei, eine Behelfsbrücke über den Fluss wird schon nach dem ersten Versuch weggespült, also bleibt nur noch Variante drei, Umkehren. In der Gruppe gibt es große Differenzen bezüglich der weiteren Route. Angie will kein Risiko mehr eingehen und demnach den ganzen Weg zurückgehen, ich sehe diese Variante recht kritisch, weil das einen ganzen Tag mehr in Anspruch nimmt und die Essensvorräte bereits jetzt schon aufgebraucht sind. Ich schlage demnach vor, bei einer etwas oberhalb liegenden Stelle den Fluss zu queren und den Weg auf dem gegenüberliegenden Flussufer fortzusetzen. Wir stimmen ab und gehen dann aber entgegen dem Ergebnis der Abstimmung zurück.
Die Situation ist nicht sehr leicht. Dan ist körperlich nicht mehr zu viel in der Lage und Arien muss zwingend am nächsten Morgen in Bishkek sein, weil er einen Termin bei der Botschaft hat. Er hat vor einigen Tagen seinen Pass verloren und hat nun nach langem Hin und Her endlich einen Termin bekommen, um ein Ersatzdokument zu bekommen. Ihm wurde bei der Terminvergabe schon verständlich gemacht, dass er pünktlich kommen muss. Der Rest der Gruppe hat grundsätzlich Zeit, einzig die Essensversorgung ist etwas problematisch.
Zähneknirschend beuge ich mich der getroffenen Entscheidung und wir stapfen den eben erst mühsam beschrittenen Weg wieder zurück. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir dann den Fußpunkt des kleinen Passes, der ins benachbarte Tal zurückführt. Arien setzt die Tour trotz später Stunde fort, da er unbedingt pünktlich in Bishkek sein will. Die bevorstehende Flussquerung zurück vertagen wir auf den folgenden Tag.
Auf dem Weg werden fleissig die überall wachsenden Zwiebelgräser gesammelt, die dann mit Knoblauch, einer Gurke und einer Zwiebel zu einer mehr oder weniger schmackhaften Suppe verarbeitet werden. Immerhin hatte ich noch eine Dose Gewürze einstecken, sodass das Abendessen dann doch schmackhafter war, als zuerst gedacht. Und es gab sogar noch Kekse zum Nachtisch…
In der Früh kann ich noch Müsli, Milchpulver und Trockenfrüchte aus meinem Rucksack zaubern und jeder in der Gruppe freut sich über ein paar Löffel warmen Müslis. Über Nacht hatte es wieder gefroren und die Sonne erreichte die Zelte erst sehr spät. Wir wollten nich zu lange mit dem Aufbruch warten und so packten wir die Zelte naß wie sie waren wieder ein.
Oft ärgert man sich beim Wandern über zu viel Essen im Rucksack, aber diesmal hatte ich alle meine Reservevorräte aufgebraucht. Zum ersten Mal war ich richtig froh, zu viel eingepackt zu haben.
Strahlender Sonnenschein machte uns dafür dann den Abstieg leicht. Vorbei an den hier grasenden Pferden zurück in wärmere Gefilde. Mit jedem Meter den wir bergab wanderten, wurde es spürbar wärmer. Mit jedem Meter den wir bergab wanderten schmerzten die Beine aber auch immer mehr. Im Grunde waren die meisten von uns körperlich relativ fit, es klagte aber jeder auf dem Weg in Richtung Tal. Die gemütliche Zweitagestour hatte sich unerwartet in eine kräftezehrende Dreitagestour verwandelt. Jeder von uns sehnte nur noch den Ausgangspunkt der Tour herbei.
Die Netzabdeckung in den Bergen ist sehr schwach, demnach konnten Angie den Wanderverein erst anrufen, als wir schon wieder im Tal waren. An sich hätte der Bus in gut zwei Stunden hier sein müssen, aus nicht näher bekannten Gründen warteten wir dann aber knapp vier Stunden auf den Bus der uns dann in abenteuerlicher Geschwindigkeit zurück nach Bishkek brachte. Die Oberschenkel und Waden brannten, jeder Schritt eine Überwindung.
Zurück bei Nathan im Garten gabs erst mal ein kühles Bier. Beine hochlegen klappte nur im übertragenen Sinn, weil man die Füße gar nicht mehr so hoch brachte… Franzi und Angie hatten irgendwie noch soviel Energie, dass sie den Rest der Gruppe noch mit sauren Pfannkuchen beglückten.
Anfangs hatte ich geplant, bereits am Freitag Mittag wieder aufzubrechen. Nun werde ich meine Pläne aber ändern und noch mindestens einen Erholungstag in Bishkek einlegen.