Tag 164 / 165 – 14./15.Juli

Almaty: 2 Ruhetage – Zwischenstand: 11.708km; 604:46h im Sattel
Warmshowers

Viel auszuruhen gab es nach der gestrigen Ankunft nicht. Wir starteten zeitig in den Tag und packten das notwendige Wanderequipment zusammen. Diesmal war definitiv nur eine Tagestour angepeilt, demnach war der Rucksack auch um einige Kilo leichter, als bei der letzten Wanderung. Mit dem Bus ging es hinaus aus der Stadt, immer Richtung Süden, den Bergen entgegen. Etwa 15km ausserhalb der Stadt thront ein gewaltiges Eisstadium über Almaty. Das Medeu Ice Stadium gehört wohl zu den am höchsten gelegenen Eislaufstadien. Bei 1700m ging dann der Fußmarsch los. Um ein wenig Zeit zu sparen versuchten wir aber eine Mitfahrgelegenheit bis zum Chimbalak Ski Ressort zu erhaschen. Nachdem wir den gewaltigen Damm überschritten hatten, der Almaty vor Schlammlawinen schützen soll, wurden wir dann auch mitgenommen. Lange dauerte die Fahrt aber nicht, weil der VW Golf die Steigung zur Talstation nicht packte. Mit qualmenden Reifen blieb der Wagen liegen und wir versuchten unser Glück weiter. Es dauerte nicht lange und wir saßen in einem Lada 4×4 und tuckelten in Richtung Talstation. Von hier aus nahmen wir dann den Gipfelanstieg in Angriff. Geplant war, den Mt. Komsomul zu besteigen. Dazu hätten wir bis auf 4375m aufsteigen müssen. Schlussendlich war bei 3700m dann Schluss. Tasman machte die Höhenluft ziemlich zu schaffen und ich war auch nicht böse, weil der Anstieg noch einiges an Zeit und Kraft verschlungen hätte. Wir vergnügten uns dann einfach noch ein wenig am Gletscher und machten ein paar Videoaufnahmen in einer der Gletscherspalten (https://vimeo.com/100786154).
Der Aufstieg war bis dorthin anstrengend genug gewesen. Es ging lange Strecken über grobes Gestein bevor man auf die Gletscherzunge stieß. Mit Steigeisen und Pickel konnte man sich dann auch beim Rückweg sehr sicher auf dem Gletscher bewegen.
Für mich schwer zu glauben, aber vor zwei Wochen wurde hier ein Berglauf bis auf den Gipfel auf über 4000m abgehalten. Mit Turnschuhen über die Geröllfelder und den Gletscher zu laufen ist sicher auch kein Spaß…
Nun ja, zum Gipfelglück hat es diesmal nicht gereicht, aber dazu hätte man wohl wirklich zwei Tage einplanen müssen. Die Szenerie war dennoch sehr faszinierend. Der Blick in Richtung Kirgistan hätte mich aber schon interessiert. Nun ja, man kann nicht alles haben… Dank des deutlich leichterem Gepäcks waren sowohl Auf-, als auch Abstieg ohne größere Schwierigkeiten zu bewältigen, trotzdem setzte zurück in der Stadt eine spürbare Müdigkeit ein.
Almaty ist wirklich sehr gut gelegen, wenn man spontan einen Ausflug in die Berge machen will. Nur ein paar Kilometer Fahrt und man ist schon auf über 2000m und kann die weitaus kühlere Luft genießen.
Wieder zurück in der Stadt ließ ich mich erst einmal von der immens großen Auswahl an Produkten im Supermarkt beeindrucken. Hier bekommt man wirklich alles. Die Regale sind voll mit europäischen Produkten, dafür haben die Preise aber auch europäisches Niveau. Es gibt bayerisches Bier, Norddeutsche Gurken, Olivenöl aus Italien, Oliven aus Griechenland, usw.
Der Bruch zu Kirgistan ist schon gewaltig. Was so ein bisschen Öl ausmachen kann. Kasachstan ist ohne Frage das reichste der Stan-Länder. Allerdings ist die Schere zwischen Arm und Reich auch gewaltig groß. Hier in Almaty sieht man Autos, die man fast nicht mal in Deutschland auf der Straße sieht. Es gibt Nobelboutiquen, große Shoppingcenter und viele europäische Lokale. Ausserhalb der Stadt gleicht das Bild aber sehr den bisher bereisten Ländern. Einfache Leute, recht kleine Auswahl an Produkten in den Märkten und kaum Anzeichen einer Konsumgesellschaft. Nun gut, Almaty war ja einmal Hauptstadt von Kasachstan und ist immer noch die größte Stadt. Ich hätte aber nicht gedacht, dass das Gefälle zwischen Stadt und Land derart groß ist.
An meinem zweiten Tag in Almaty stand dann die offizielle Registrierung an. Wenn man sich in Kasachstan länger als 5 Tage aufhält, muss man sich bei der Polizei registrieren lassen, ansonsten drohen empfindliche Geldstrafen bei der Ausreise. Ich hatte im Vorfeld schon erfahren, wie die Registrierung abläuft und mir daher bereits eine Kopie des Passes besorgt. Das Gebäude selbst zu finden war dann aber der schwierigste Teil. Im Internet kursierten verschiedenste Ortsangaben. Nach längerer Suche fand ich dann endlich das OVIR Gebäude und gab meine Unterlagen am Schalter 3 ab. Pass, Migrationskarte, Passkopie und Adresse der Unterkunft wanderten auf die andere Seite des Schalters und ich sollte gegen Mittag wiederkommen. Ein wenig verwundert war ich schon, weil ich überhaupt keinerlei Beleg für meine abgegebenen Dokumente bekam, aber als ich dann Mittags wieder erschien durfte ich einfach aus einem Stapel Ausweise meinen wieder suchen. Zum Glück sticht der deutsche Reisepass ein wenig heraus, sodass die Suche nicht all zu lange dauerte. Über die Effektivität dieses Systems lässt sich aber streiten. Über die Sinnhaftigkeit der Registrierung lässt sich ebenfalls streiten. Im Grunde handelt es sich primär um Beschäftigungsstrategie. Ich habe z.B. für die Registrierung die Adresse eines Hostels angegeben, in dem ich nie abgestiegen bin, ausserdem bin ich in ein paar Tagen ohnehin schon wieder woanders. Aber gut, Gesetz ist Gesetz…
Nach dem zurückliegenden Wandertag stand noch etwas Erholung auf dem Programm. Ich ließ mich mit dem Rad ein wenig durch die Stadt treiben. Almaty ist auf den ersten und auch auf den zweiten Blick nicht unbedingt eine sehr sehenswerte Stadt. Auffallend ist, dass sie sehr grün ist. Die vielen Bäume versperren aber oft auch die Sicht und man hat streckenweise Schwierigkeiten bei der Orientierung. Man merkt, dass es eine recht junge Stadt ist. Die Straßen sind in einem strengen Raster angelegt, ein klares Zentrum ist nicht wirklich festzustellen. Die sehr breiten Straßen werden von den vielen Autos zur Gänze in Besitz genommen. Auch wenn der Verkehr auf den ersten Blick sehr aggressiv wirkt, wird doch im rechten Augenblick gebremst. Sogar für Fußgänger auf dem Fußgängerübergang wird gebremst. Das viele Hupen muss man wohl eher als Warnsignal zur Gefahrenabwehr betrachten. Daran hatte ich mich aber schon seit Kirgistan gewöhnt.
Aus welchem Grund auch immer zog es mich mit dem Rad immer weiter in Richtung Süden. Vielleicht weil hier im südlichen Stadtbereich die meiste Bautätigkeit stattfindet. Zahlreiche Bank- und Bürogebäude schießen aus dem Boden. Obwohl sich Almaty in einer seismischen Zone befindet, entstehen immer mehr Hochhäuser. Der Blick in Richtung der Berge ist hier vom südlichen Stadtrand aber auch besonders faszinierend.
Abends studiere ich dann noch lange meine Straßenkarte von China. Es steht noch ein weiter Weg vor mir. Ein wenig Sorge bereitet mir die doch recht knapp bemessene Zeit. Ich will am 15.09. nach Korea übersetzen und am 06.10. bereits in Russland sein. Das heißt, mir stehen weniger als zwei Monate für die Chinadurchquerung zur Verfügung. Die Verlängerung des Visums sollte auch irgendwo in der “Mitte” angesetzt werden… Der aktuell Plan sieht vor, etwa bis Lanzhou zu radeln, um dort eine Visumsverlängerung zu beantragen. Das sind aber auch 2600km von der Grenze. Mal schauen, ob ich meinen Wochenschnitt dementsprechend anpassen kann, um nach 3 1/2 Wochen in Lanzhou sein zu können. Ein wenig hoffe ich ja auch gute Straßenverhältnisse in China.
Für die kommenden Tage steht noch einmal Radeln abseits von Asphalt bevor. Ich möchte dem Rat von Tasman folgend das Esik Plateau befahren um dann nach etwa drei Tagen wieder auf die Hauptstraße in Richtung chinesischer Grenze zu stoßen.
In etwa einer Woche werde ich nun endlich nach China einreisen. Bis dahin versuche ich noch so viel Landschaftseindrücke von Kasachstan mitzunehmen. Warum auch immer, aber irgendwie stellt für mich die Einreise nach China mental eine weit größere “Hürde” da, als alle bisherigen Grenzen. China per Rad – die große Unbekannte… Ich bin wirklich gespannt, was mich in den kommenden Monaten erwartet. Der Karte nach zu urteilen wird es die erste Hälfte der Reise noch durch recht dünn besiedeltes Gebiet führen, doch dann wirds ziemlich dicht.