Tag 249 / 250 – 06. / 07.Oktober

Wladiwostok: 2 Ruhetage; Bisher geradelt: 18474km; 930:59h im Sattel
Hostel

Nun ist es also soweit – Wladiwostok, der lange herbeigesehnte Zielort meiner Reise ist erreicht. Nicht wie geplant auf dem Rad, sondern auf der Fähre komme ich nach etwas mehr als acht Monaten schlussendlich hier an. Während der vergangenen Monate gab mir dieser Ort stets die notwendige Motivation, meine Reise in Richtung Osten fortzusetzen, obwohl ich eigentlich gar nichts über den Ort wusste, ausser dass hier die Transsibirische Eisenbahn endet, oder beginnt – je nachdem wie man es sehen will.
Natürlich stellt sich nun die Frage – ist die Reise nun zu Ende? Im Grunde war die Grundidee, von Wien nach Wladiwostok zu radeln und demnach wäre das Ende eigentlich erreicht, doch andererseits . was tut man jetzt in Wladiwostok? Zu Beginn meiner Reise hatte ich mir nicht wirklich Gedanken dazu gemacht, was passiert, wenn ich diesen abstrakten Ort schlussendlich erreichen werde, doch schon vor einigen Monaten begann ich mich damit zu beschäftigen, mir Möglichkeiten für die Rückreise zu überlegen. Das wirkliche Ziel der Reise hatte sich unterwegs nun verändert. Angekommen bin ich wohl erst dann, wenn ich wieder zuhause bin. Von zuhause gestartet will ich nun auch zuhause wieder ankommen. Jetzt einfach vom anderen Ende des eurasischen Kontinents ins Flugzeug zu steigen und nach wenigen Stunden wieder zurück in der heimatlichen Umgebung zu sein, kommt für mich irgendwie nicht in Frage. Zu groß wäre wohl der Kontrast zu allem was ich in den vergangenen Monaten erlebt habe. Ich bin heilfroh, noch die Möglichkeit zu haben, mich langsam der Heimat wieder zu nähern und mich demnach auch Schritt für Schritt wieder an die gewohnte Umgebung, die gewohnte Kultur zu gewöhnen. Die ersten 9000km werden jetzt aber erst einmal mit dem Zug zurückgelegt und erst ab Moskau gehts dann wieder mit dem Rad weiter.
Es war ein schönes Gefühl, in Wladiwostok anzukommen. Die Fähre näherte sich langsam der Hafenstadt und schon von der Ferne empfang uns ein überdimensionaler Schriftzug auf dem Dach des Hafenterminals.
Владивосток – so steht es in roten Lettern vor dem königsblauen Himmel. Endlich da… Bis die Fähre angelegt hat und wir endlich von Bord gehen können vergehen einige Stunden. Besonders eilig scheint man es nicht zu haben. Die Japanische und Koreanische Flagge empfängt uns vor dem Eingang zur Grenzabfertigung. Viele Reisende sind bereits seit zwei Tagen auf der Fähre gewesen, weil sie von Japan aus bis nach Russland übersetzten. Ein Großteil der Reisenden besteigt nun in Wladiwostok den Zug und setzt die Reise in Russland fort. Bereits am frühen Vormittag erreichten wir die Stadt, doch erst sehr spät am Nachmittag bekam ich wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Die Einreise nach Russland war ein Kinderspiel, der Wechsel von einem Reisepass zu anderen war problemlos möglich, da man hier im Gegensatz zu Georgien nicht am Ausreisestempel des Vorgängerlandes interessiert war. Jetzt bin ich also in Russland… Der wohl schwierigste Teil der Einreise nach Russland war es, nach der Passkontrolle den Ausgang zu finden. Vom Hafenterminal aus kann man grundsätzlich direkt zum Bahnhofsgebäude der Transsibirischen Eisenbahn weitergehen, doch ich suche eigentlich den Weg zurück auf die Straße. Ich schwinge mich wieder aufs Rad und radle gemütlich die wenigen Meter bis ins Hostel und warte dort auf Silke, die von Wien aus mit den Flieger nach Wladiwostok aufgebrochen ist und mich nun auf der Zugreise nach Moskau begleiten wird. Schon bei meinem Start der Reise hatte sie mich auf der ersten Etappe begleitet, nun darf ich mich auch über ihre Gesellschaft bei der Rückreise freuen. Darauf freue ich mich nach den vielen Tagen alleine auf dem Rad jetzt schon besonders. Genug Zeit um einmal wieder ausgiebig zu plaudern und ein wenig über die Welt zu philosophieren.
Was tun in Wladiwostok? Im Grunde warten auf den Zug… Wir erkunden am Vormittag ein wenig die Stadt, die recht hügelig an vielen Seiten ans Meer grenzt und begeben uns am Nachmittag zum Bahnhof um dort die ersten Tickets bis nach Irkutsk zu kaufen. Obwohl man am Bahnhof kein Wort Englisch spricht sind die Tickets nach wenigen Minuten erstanden und wir sind nun stolze Besitzer zweier Platzkarten für die ersten drei Tage der langen Reise. Nun ist also alles unter Dach und Fach, es heißt nur noch einen Tag warten und dann gehts schon los…
Angekommen in Wladiwostok bestätigt sich nun mein Gefühl, Asien verlassen zu haben. Alles wirkt plötzlich wieder sehr vertraut. Man kann die Schrift wieder entziffern, schnappt einzelne Wörter in der Unterhaltung Anderer auf und kann sich zumindest bruchstückhaft in der Landessprache verständlich machen. Im Supermarkt gibts ein Wiedersehen mit vielen Produkten, die mich während meiner Zeit in Zentralasien täglich begleitet hatten. Ein wenig fühlt es sich schon an, wie heimkommen…
Am 8.Oktober startet die große Reise Richtung Westen. Wir hatten uns dazu entschlossen, die “Transsibirische” in zwei Etappen anzugehen. Nach drei Tagen werden wir in Irkutsk ankommen, dort uns kurz am Baikalsee aufhalten und dann die letzte Etappe bis nach Moskau in Angriff nehmen. Drei Tage ohne Pause im Zug ist fürs erste auch einmal genug… Ich bin gespannt auf die kommenden Tage, es wird wohl eine Reise ins Ungewisse, aber ich freue mich schon sehr darauf.