Tag 258 – 261 | 15. – 18.Oktober

Transsib Tag 1: 15.Oktober
Иркутск: 5153km bis Moskau

Heute wird die zweite Runde der großen Russlanddurchquerung in Angriff genommen. Bis zur Abfahrt des Zuges haben wir noch ausreichend Zeit und gönnen uns einen letzten Spaziergang durch das sonnendurchflutete Irkutsk. Galina verwöhnt uns am Morgen noch einmal mit einem ausgedehnten Plini-Frühstück und bestellt uns Sicherheitshalber schon einmal ein Taxi zum Bahnhof. Das Rad steckt immer noch in seiner Reiseverpackung und kann momentan nicht als Transportesel verwendet werden. Beim Reisen mit viel Gepäck ohne Fahrrad muss zwangsweise auf ein alternatives Transportmittel zurückgegriffen werden. Irkutsk werde ich auf alle Fälle in sehr guter Erinnerung behalten. Die sympathische Stadt hat mich jeden Tag aufs neue überrascht und lädt förmlich zu einem Wiedersehen ein. Vielleicht einmal im Winter, oder im Hochsommer?
Nachdem die große Packtasche wieder mit Essensvorräten gefüllt wurde gehts in Richtung Bahnhof, dort wuchten wir unser Gepäck in zwei Anläufen auf Bahnsteig 7, während unser Zug Nr.05 einfährt. Dieses Mal gehört uns Wagon Nr. 15, der letzte Wagon des im Vergleich zum letzten Mal viel kürzeren Zuges. Zug Nr.05 kommt aus Ulan Bartur (Mongolei) und fährt durch bis Moskau. Die Fahrzeit beträgt nur 75 Stunden, 10 Stunden weniger als mit den meisten Zügen auf der Transsibirischen. Die Tatsache, dass es in unseren Zug kein Gepäckabteil gibt habe ich erfolgreich ignoriert und kann zum Glück das Rad im hinteren Türraum unseres Wagons abstellen. Es hat ja scheinbar einen guten Grund, dass wir im letzten Wagon sitzen… Um 16:14 Ortszeit gehts dann los. Über 5000km und viel unbekannte Landschaft liegen vor uns. Dieses Mal ist der Zug vollbesetzt. Pawel und Konsta, zwei quirlige Russen aus Irkutsk teilen sich mit uns das Abteil bis nach Krasnojarsk. Die beiden stammen aus Irkutsk und besitzen dort eine Firma die Epoxibeschichtungen ausführt. In Krasnojarsk wollen sie Kontakte knüpfen, um möglicherweise ihren Betrieb zu expandieren. Das Geschäft scheint gut zu laufen, obwohl es nicht einfach ist, von den lokalen Baufirmen den notwendigen Qualitätsstandard zu bekommen. Russische Baustellen sind nicht immer für spiegelglatte Oberflächenbeschichtungen geeignet. Stolz erklären uns die beiden ihr Land und zeigen uns Urlaubsfotos aus der Baikalregion. So wie es aussieht ist die Region um den Baikalsee im Winter ein traumhaftes Skigebiet. Die Temperaturen sind Dank eines speziellen Mikroklimas verhältnismäßig warm und über Schneemangel muss man sich auch nicht beklagen.
Pawel und Konsta sprechen verhältnismäßig gut Englisch und so plaudern wir bis spät in die Nacht über Sibirien, Russland und das Reisen im allgemeinen. Für für viele Leute in Irkutsk, oder generell in Sibirien, zählen China, Thailand, Malaysia oder Vietnam zu den beliebtesten Urlaubsdestinationen. Das Flugticket von Irkutsk nach Bangkok kostet beispielsweise ebensoviel wie nach Moskau. Großer Vorteil neben den Lebenshaltungskosten und dem guten Essen ist die Tatsache, dass man sich mehr oder weniger in derselben Zeitzone befindet. Der Flug nach Moskau dauert etwa fünf Stunden, was aufgrund der Zeitverschiebung (5 Sunden) zur Folge hat, dass man zur selben Zeit in Moskau ankommt, zu der man in Irkutsk gestartet ist. Klingt eigentlich recht fein, gilt aber nur in eine Richtung. Geschäftsbeziehungen mit Moskau sind von Sibirien aus ein wenig mühsam, da die Zeitdifferenz zur Folge hat, dass man dringende telefonische Auskünfte oft nicht bekommt, weil es in Moskau noch alles schläft… Russland, ein Land in dem die Zeitverschiebung von West nach Ost praktisch einen gesamten Arbeitstag ausmacht.
Wir plaudern ein wenig über die “freundschaftlichen Beziehungen” zwischen Russland und Nordkorea. In Sibirien trifft man offenbar häufig auf Arbeitsbrigarden aus Nordkorea, die ohne Entlohnung für das nordkoreanische Regime in Russland schuften. Russland stellt Kost und Logie, der Rest fließt direkt an die nordkoreanische Regierung. Es scheint, als ob Russland fleissig daran arbeitet die Wirtschaftsbeziehungen zum nahe gelegenen Nordkorea auszubauen.
In Irkutsk hatte ich schon das Bedürfnis nach einer neuen Zeitzone, da es erst gegen neun Uhr richtig hell wurde. Morgen früh ist es endlich soweit und die Uhr wird eine Stunde zurückgedreht.

 

Transsib Tag 2 – 16.Oktober
Красноярск: 4065km bis Moskau

Seit wir Irkutsk hinter uns gelassen hatten, nahm die Siedlungsdichte konstant zu. Anfangs ging es noch vorbei an einzelnen Dörfern, die fast ausnahmslos aus Holzhäusern bestanden, doch nun nehmen die Ziegelbauten immer mehr zu. Auffallend, dass es In Irkutsk besonders viele Kirchen gab und nun in den Dörfern kein einziger Hinweis auf eine Kirche zu finden ist. Wohl ein Überbleibsel der Sowjetzeit. Die Friedhöfe befinden sich oft weit ausserhalb der Dörfer, meist irgendwo zwischen den Bäumen, die jetzt immer häufiger werden. Vorbei ist es mit der weiten Steppe, ab heute sieht man fast nur noch Wald, wenn man aus dem Fenster schaut.
Seit heute sind wir nur noch vier Stunden von der Moskauzeit entfernt, man merkt schon, dass wir ein beachtliches Stück Weg hinter uns gebracht haben.
Pawel und Konsta sind in Krasnojarsk ausgestiegen, dafür teilen wir nun das Abteil mit Alexei, einem eher schweigsamen Russen mit dem ich erst am Nachmittag ins Gespräch komme. Erst einmal beginnt es wieder zu schneien und die Sicht verschlechtert sich drastisch. Ein grauer Schleier liegt über den Wäldern. Neuerdings verläuft nun auch die Bundesstraße parallel zur Eisenbahnlinie, Schluss mit einsamer Zugstrecke im Nirgendwo…
Im Speisewagen wird die erste Schachpartie ausgetragen, bei der ich mit wehenden Fahnen untergehe, aber kein Grund zur Trauer, die Fahrt dauert noch an und Gelegenheiten zur Revanche gibt es noch genug. Vorerst steht es 3:1 für Silke.
Draussen beginnt es immer mehr zu schneien. Ein dicker weißer Teppich überzieht das Land und die vielen Birken lösen sich optisch nun im Schneegestöber und dem leichten Nebel auf. Man verpasst heute aber ohnehin nicht viel, da sich landschaftlich nicht sonderlich viel tut.
Zurück im Abteil fordert mich Alexei zu einer Partie Schach heraus. Die Umstellung auf den neuen Spielstil erfordert ein wenig Zeit, aber schlussendlich zwinge ich Alexei doch noch mit einer schönen Aufstellung in die Knie. Auch die Revanche kann ich für mich entscheiden.
Alexei ist Bautechniker und kommt gerade von einem zweimonatigem Arbeitseinsatz irgendwo in den Tiefen Sibiriens zurück. Seine Firma verlegt gerade eine 700km lange Ölpipeline mitten durch den Sibirischen Nadelwald. Er zeigt uns Fotos von der Baustelle, die recht schnell erahnen lassen, dass die Arbeit weitab von jeglicher Zivilisation kein Zuckerschlecken ist. Aber immerhin bekommt er nach zwei Monaten Arbeit auch ein Monat Heimaturlaub.
Langsam bricht die Sonne durch und taucht die Schneelandschaft in ein traumhaftes Licht. Der pulvrige Schnee glitzert in der Sonne und es macht wieder Spaß, sich die Nase an der Fensterscheibe plattzudrücken. Silke und ich verdrücken uns mal wieder in den benachbarten Speisewagen und ich verkürze das Ergebnis beim Duell Silke gegen mich auf 3:2, doch das hält nicht lange und ich muss mich mal wieder einer Niederlage hingeben. Aus dem Laptop des Kellners scheppern russische Schlager und vor unseren Fenstern saust ein immer wiederkehrende Bild vorüber. Birkenwälder, kleine Streusiedlungen, Birkenwälder, Streusiedlungen im Birkenwald, schneebedeckte Wiesen, Birkenwälder, Streusiedlungen…
Kurz bevor wir in Novosibirsk einrollen wird noch einmal die Uhr um eine Stunde zurückgestellt. Heute gleich zwei Zeitzonen auf einmal… Schon lange bevor wir den Bahnhof Novosibirsk erreichen geht es vorbei an unzähligen Plattenbauten in bester sowjetischer Manier. Leider haben wir nur 20 Minuten Aufenthalt und können uns nur vom Bahnsteig aus ein Bild von der Stadt machen. Wenn man eine Stadt in Sibirien nennen muss, fällt vielen auf Anhieb Novosibirsk ein, wobei die Stadt vermutlich recht wenig mit Sibirien zu tun hat, gewaltige Industrieanlagen prägen das Stadtbild und unzählige Plattenbauten reihen sich nebeneinander.
Unser Abteil füllt sich wieder zur Gänze und ein weiterer Pawel leistet uns von nun an bis nach Yekatarinenburg Gesellschaft. Pawel 2 ist Arzt und arbeitet in einer Augenklinik. Er spricht ausgezeichnet Deutsch, was er sich angeblich nur mit Hilfe des Internets und zwei Lehrbüchern selbst beigebracht hatte.
Als wir Barabinsk erreichen liegen schon zwei Drittel der gesamten Reise hinter uns. Von hier aus sind es noch 3000km bis nach Moskau. Ich hoffe, dass der Schnee bis dahin wieder verschwindet und die Temperaturen wieder in den positiven Bereich wandern.

 

Transsib Tag 3 – 17.Oktober
Тюмень: 2104km bis Moskau

Trotz der doppelten Zeitumstellung am gestrigen Tag wird es immer noch nicht früher hell. Erst gegen neun Uhr kommt die Sonne raus. Bin gespannt, ob das in Moskau ähnlich ist. Der Schnee ist zum Glück wieder verschwunden, aber die Sonne tut sich schwer, hinter den Wolken hervorzukommen. Das Gefühl der einsamen Weite Sibirien, wie wir sie vor Irkutsk gesehen haben, verschwindet langsam. Die Siedlungen werden immer größer und auch deren Struktur ändert sich. Bisher waren die Ansammlungen von Häusern meist sehr konzentriert, jetzt reihen sich die Häuser entlang von Straßen auf und erzeugen den Eindruck einer recht zersiedelten Landschaft. Die Holzhäuser verschwinden nun immer mehr und gemauerte Häuser dominieren das Siedlungsbild. Die Region, die wir gerade durchfahren macht aber dennoch einen recht ärmlichen Eindruck. Nur die Hauptstraßen sind asphaltiert, die Nebenstraßen sind in der Regel unbefestigt. Auffallend ist das immer stärker werdende Verkehrsaufkommen. An den Bahnübergängen sieht man nun regelmäßig Autos vor den Schranken warten, was bisher eigentlich nur sehr selten vorgekommen war.
In fast jedem Dorf, das an unseren Fenstern vorüberzieht sieht man nun eine, oder mehrere Kirchen, die meisten davon auf Hochglanz renoviert, oder erst frisch erbaut. Alles Geld wird offenbar in die Kirchen gesteckt.
Draussen liegt schon wieder Schnee. Es hat den Anschein, als ob wir die weiße Pracht nicht mehr wirklich loswerden…
Bis nach Yekatarinenburg plaudern wir noch mit Pawel, der sich sichtlich darüber freut, seine Deutschkenntnisse an den Mann zu bringen. In Novosibirsk musste er einen Vortrag bei einem Ärztekongress halten und ist nun wieder auf dem Heimweg in die, seiner Auffassung nach, schönste Stadt Russlands. Neben seinem Job in der Augenklinik führt er noch eine kleine Firma, die sich auf den Import medizinischer Geräte aus China oder Europa spezialisiert hat. Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine scheint die Menschen in Russland durchaus zu beschäftigen. Sowohl Pawel und Konsta, als auch Pawel 2 sind sehr daran interessiert, wie Europa über den Konflikt denkt. Vielen Menschen in Russland ist bewusst, dass die inländische Medienberichterstattung nicht unbedingt der Wahrheit entspricht, doch keiner weiß so recht, was er glauben darf / soll. Alle hoffen aber auf eine baldige Stabilisierung der Situation.
Gegen Mittag rollen wir in Yekatarinenburg ein, der symbolischen Grenze zwischen Asien und Europa, sozusagen das Istanbul Russlands… Willkommen in Europa! Auf der europäischen Seite Russlands sieht es aber nicht viel anders aus, als auf der asiatischen. Wir lassen nun Sibirien hinter uns. Es geht durch den Ural, ein Gebirgszug, der sich mir seit Schultagen als geographische Grenze von Europa ins Gedächtnis gebrannt hat. Jetzt kann ich mir das Ganze einmal persönlich aus direkter Nähe anschauen… Aber um ehrlich zu sein – vom Ural hatte ich mir aber mehr erwartet. Wir sehen nur ein paar Hügel vorüberziehen und das wars. Die weißen Birken verschwinden und Föhrenwälder ziehen am Fenster vorbei. Die Ingenieure der Transsibirischen Eisenbahn hatten offenbar nach einer sehr flachen Passage durch den Ural gesucht und diese auch gefunden. Vom Zugfenster aus aber nicht besonders spektakulär – Originalton Silke: Der Ural – eine Enttäuschung…
Die Durchquerung des Urals verbrachten wir dann schachspielend im Speisewagen, wobei ich mich zweimal äußerst knapp dem wohl doch noch besser trainierten Gehirn von Silke geschlagen geben musste. Sie baut ihren Vorsprung auf ein fast schon bedenkliches 6:2 aus.
Armut und Verfall dominieren das Bild seit wir den Ural hinter uns gelassen haben. Die dunklen Wälder verströmen ein leicht depressives Bild, das Leuchten der Birken ist verschwunden. Die großen Gärten hinter / vor den Häusern lassen auf Selbstversorger schließen, was die Frage nach der Erwerbstätigkeit in dieser trostlosen Gegend zu beantworten scheint.
In Perm verlässt uns nun auch Alexei, der sich sichtlich darauf freut, nach zwei Monaten Arbeitseinsatz im tiefsten sibirischen Wald, wieder heim zu seiner Familie zu kommen.
Immer mehr Güterwagons mit Kohle oder Öltanks brausen an unserem Wagon vorüber, ein nebelgrauer Schleier legt sich übers Land und selbst die vereinzelten dunkelgelben Lärchen leuchten nicht mehr so kräftig, wie wir es gewohnt waren.
Es wird Abend und ich werde von einer lähmenden Müdigkeit überfallen, wie ich es schon seit Ewigkeiten nicht mehr gespürt hatte. Vielleicht machen mir die vielen Zeitzonen doch ein wenig zu schaffen. Im Moment trennen uns noch zwei Stunden von der Lokalzeit Moskau.

 

Transsib Tag 4: 18.Oktober
Нижний Новгород : 461km bis Moskau

Über Nacht hatte es mal wieder ordentlich geschneit. Der Winter hält auch den europäischen Teil Russlands fest in seiner Hand. Während der nächtlichen Fahrt haben wir nun die letzten zwei Zeitzonen ebenfalls hinter uns gebracht und befinden uns nun endlich in der selben Zeitzone wie sie uns schon seit Wladiwostok im Zug begleitet. Es ist kurz vor sieben Uhr als wir uns Nischni Nowgorod nähern. Erstaunlicherweise sind fast alle Häuser noch unbeleuchtet. Es hat den Anschein, als ob man in Russland verhältnismäßig spät den Tag beginnt, eine Beobachtung, die uns schon seit ein paar Tagen immer wieder aufgefallen ist, jetzt hier kurz vor Nischni Nowogrod besonders ins Auge sticht. Von der Morgendämmerung sind wir noch weit entfernt, aber die dicke Schneedecke macht alles ein wenig heller, als es eigentlich ist.
Der Zug beginnt sich nun langsam zu leeren. Auf dem Bahnsteig werden die Ansagen nun auch schon in Englisch ausgerufen. Kein Zweifel, wir nähern uns Moskau.
Schade eigentlich, ich hätte gut und gerne noch ein paar Tage draufschlagen können. Vielleicht mit dem Zug noch hoch nach St. Petersburg, so wie die Reisegruppe, die wir gestern in Yekatarinenburg verabschiedet haben? Es stimmt schon, man entwickelt ein regelrechte Zuneigung zum Zugfahren, aber andererseits freue ich mich auch schon wieder auf ein paar Tage auf dem Rad. Der viele Schnee stimmt mich zwar ein wenig nachdenklich, aber ich bin zuversichtlich, dass ich noch genügend schneefreie Tage auf meinen finalen Kilometern haben werde.
Man sieht viel von Russland in den sechs Tagen Zugfahrt und der Wunsch keimt immer mehr auf, an manche Orte noch einmal zurückzukehren und dort mehr Zeit zu verbringen. Ob der unvorstellbaren Größe des Landes erscheint mir der Zug aber immer noch das beste Fortbewegungsmittel, solange der Faktor Zeit keine limitierende Rolle spielt. Ich bin immer noch begeistert von der Freundlichkeit der Menschen, der faszinierenden Landschaft und der sagenhaften Pünktlichkeit der Russischen Bahn. An keinem einzigen Halt hatten wir auch nur eine einzige Minute Verspätung, schon beachtlich, wenn man bedenkt, dass bei der deutschen Bahn oft das gesamte regionale Zugnetz zusammenbricht, sobald es über Nacht ein wenig schneit…
Sieben Stunden Zeitdifferenz nach Wladiwostok – hat man jetzt einen Tag gewonnen? In Wladiwostok wird es schon dunkel, während wir gerade unser Mittagessen vorbereiten.
Ich versuche noch ein letztes Mal, meinen Rückstand beim Schach aufzuholen, scheitere aber erneut. Dieses Mal hätte alles recht gut ausgesehen, aber völlig überraschend wurde ich dann doch noch in die Enge getrieben. Endstand Schach in der Transsibirischen Eisenbahn 7:2 für Silke.
Im Zug sind nur noch eine Handvoll Reisende. Das Personal bereitet sich schon seit längerem auf die Ankunft vor. Frisch gewaschene Wäsche hängt nun im Gang vom Speisewagen zum Trocknen bereit. Die Temperaturen direkt neben der Küche sind nämlich um einiges höher, als im Rest des Zuges.
Pünktlich auf die Minute fahren wir dann um 13:58 Uhr im Bahnhof Moskau Jaroslaw ein. Auch in Moskau ist es kalt. Das Thermometer zeigt minus 0 Grad und der Himmel ist grau. In zwei Etappen schleppe ich Gepäck und Fahrrad in die Bahnhofshalle und beginne damit, das Rad wieder zusammenzubauen. Nach gut einer Stunde steht mein treuer Wegbegleiter dann wieder neben mir, als ob nichts gewesen wäre. Schnell sind die Packtaschen montiert und es kann losgehen. Moskau – ich komme!
Silke wirft sich in die U-Bahn und ich fädle mich in den Moskauer Wochenendverkehr ein. Zu meinem großen Erstaunen herrscht auf den breiten Straßen kaum Verkehr. Den Roten Platz lasse ich vorerst noch rechts liegen, dazu gibt es noch Zeit genug in den kommenden Tagen… Den Weg zu Stanislavs Apartment ist recht leicht zu finden. Es geht immer an der Moskwa entlang. Der eisige Wind kommt zum Glück von hinten und ich bin nach gut 50 Minuten Fahrt sogar noch vor Silke am Ziel.
In den vergangenen Tagen haben wir nun über 9000 Kilometer durch Russland zurückgelegt, eine für mich noch immer unvorstellbare Zahl. Auf dem Rad wäre ich hierfür mindestens vier Monate unterwegs gewesen, mit dem Zug war das Ganze in nur einer Woche zu bewältigen. Nun liegen ein paar Tage Stadtbesichtigung in Moskau vor uns. Silke wird am 22. Oktober wieder zurück nach Wien fliegen und nach etwa drei Stunden Flug dort ankommen. Für mich geht es aller Voraussicht nach auch am 22. wieder weiter, doch bis ich in Wien einrolle werden wohl noch einige Wochen vergehen.