So… es hat diesmal ein bisschen gedauert, bis ich meine Einträge ins Netz stellen konnte. Die Internetverfügbarkeit war die letzten Tage ziemlich schlecht. Wir waren nämlich für einige Tage in den Bergen.
Nur soviel sei im Vorfeld gesagt: es bestand zu keinem Zeitpunkt Gefahr für Leib und Leben! Beschwerliche, aber sehr sehr schöne Tage liegen hinter uns.

Tag 41 – 13.März

Batumi – Khulo: 87km; 4:52h im Sattel; 9-14 Grad, bewölkt
Hotel

Tja, was soll ich sagen… gestern noch darüber geredet, dass wir uns eine Alternative zur Strecke durch die Berge suchen wollten, starteten wir heute doch in Richtung Berge. Im Internet hatte Martin gelesen, dass der Pass in der Regel von Februar bis November befahrbar ist. Darüber hinaus hatte Martin herausgefunden, dass es auf der Passhöhe ein Skigebiet geben sollte, das von Tiflis aus erreichbar ist. Demnach kann wenn dann nur die eine Seite des Passes schwierig zu befahren sein. Aufgrund des sehr milden Winters dachten wir, dass es einen anderen Grund geben müsste, warum unsere Tandemfreunde gestern von der Polizei zurückggeschickt wurden. Wir einigten uns darauf, dass wir den Anstieg nach Khulo einmal starten und wenn nötig eben zurückfahren.
Erstaunlich, wie stark der landschaftliche Kontrast zur Türkei ist. Mir kommt vor, dass nicht nur die Berge anders aussehen, sondern dass auch die Vegetation unterschiedlich ist. Bäume säumen die wenig befahrene Straße, abgemagerte Kühe laufen frei herum und suchen sich ihr Futter. Auch die Leute am Straßenrand wirken auf den ersten Blick etwas reserviert, doch auf mein freundliches Grüßen hin werden wir meist auch sehr freundlich zurückgegrüßt.
Die Straße folgt einem relativ großen Gebirgsfluss und schlängelt sich gemächlich mit ca. 3% Steigung in die Höhe. Die zurückliegenden Regenfälle hatten sich in den höheren Lagen als Schnee abgelegt. Das Panorama war faszinierend. Ein weißes Band zog sich an den Bergrücken entlang und wir glaubten, jeden Moment in die Schneezone zu fahren. Doch eigenartigerweise blieb die Schneegrenze immer in derselben Entfernung. Nachmittags öffnete sich die Wolkendecke kurzzeitig und lang ersehnte Sonnenstrahlen wärmten die Umgebung rasch auf. Der Verkehr war wie erwartet kaum vorhanden. Einzig ein paar Minibusse, die hier für den lokalen Transport verwendet werden, waren unterwegs. Fast ausschließlich Ford Tranporter. Viele davon mit deutschen Firmenaufklebern, die nach dem Import nach Georgien nicht entfernt wurden.
Auf dem Weg passierten wir eine kleine Tankstelle. Mein Benzinvorrat war nahezu aufgebraucht, also beschloss ich die Benzinflasche für den Kocher wieder aufzufüllen. Die Zapfsäule war aber offenbar nur Dekoration. Den eigentlichen Benzin gab es in einem Bretterverschlag. Dort befand sich ein großer Tank aus dem soviel Benzin geschöpft wurde, wie bestellt wurde. Die Wartenden rauchten in aller Seelenruhe ihre Zigaretten, ich ging sicherheitshalber einmal einen Schritt zurück. Direkt neben dem Tank befand sich auch eine Schlafgelegenheit für den Tankstellenwart. So kann offenbar auch ein 24 Stunden Service sichergestellt werden.
Aufgrund der zwei Stunden Zeitverschiebung waren wir heute Morgen nicht so früh wie gedacht in Batumi gestartet. Folglich kamen wir am späten Nachmittag in Khulo an. Nach Recherche von Martin der letzt Ort vor dem Pass, in dem ein einziges Hotel zu finden ist. Offensichtlich ist diese Quelle nicht mehr ganz richtig, denn beim abendlichen Drink in einer Art Restaurant erfuhren wir, dass wir im teuersten Hotel des Ortes abgestiegen sind. Das Hotel David wäre die richtige Adresse gewesen. Naja, was solls… knapp 12,50 EUR pro Person sind jetzt auch kein Beinbruch.
Viel gab es nicht zu sehen in Kuhlo. Wir versorgten uns mit Lebensmittel für den nächsten Tag und begaben uns auf die Suche nach einer Essensgelegenheit. Gar kein so leichtes Unterfangen. Valerie, ein etwa 35jähriger Georgier winkte uns schließlich in sein Lokal. Eigentlich hatte er uns was zu Essen versprochen, doch fürs erste war es viel wichtiger, ein Bier mit uns zu trinken. Nach der zweiten Runde selbstgebrannten Schnaps ging es dann schließlich in die Küche und wir bekamen eine köstliche Suppe vorgesetzt. Wir waren die einzigen Gäste und offenbar eine willkommene Abwechslung. Je später der Abend, desto ausgelassener die Stimmung und die Stereoanlage wurde immer lauter gedreht. Es wurde ein sehr feuchtfröhlicher Abend an dem viel gelacht wurde, ich aber – um ehrlich zu sein – praktisch kein einziges Wort verstanden habe. Aber Valerie hatte sich offenbar bestens mit uns amüsiert.

Tag 42 – 14.März

Khulo – igendwo hinter Danisparauli: 26km; 3:19h im Sattel; minus 3 – 9 Grad, bewölkt
Camping 1850m Seehöhe

Vor allem Martin musste heute für den gestrigen Abend büßen. Es bedurfte einiger Anläufe, bis er schließlich soweit war, das Zimmer zu räumen. Immerhin schafften wir es um kurz vor 12 Uhr aus Khulo loszuradeln.
Und dann ging es auch gleich ans Eingemachte. Direkt hinter Khulo endet die asphaltierte Straße. Mein Rad konnte nun die Qualitäten auf unsanftem Untergrund ausspielen. Martin hatte mit seinem Renner doch etwas zu kämpfen, schlug sich aber ganz tapfer. Fast in jedem Ort wurden wir angehalten und gefragt, wo wir hin wollten. Der Pass sei geschlossen. Wir hatten uns darauf geeinigt, soweit zu fahren, bis es nicht mehr weitergeht. Als einfache Erklärung für die Leute vor Ort behaupteten wir oben ein Foto machen zu wollen und dann wieder zurückzufahren.
Gut, nachdem wir jetzt schon so oft darüber informiert wurden, dass der Pass nicht passierbar ist, fing ich langsam an mir Gedanken zu machen. Die Alternative klang aber auch nicht so gut. ca. 100km bis nach Batumi zurückfahren und dann dieselbe Distanz in einem anderen Tal wieder in Richtung Tiflis zu radeln. 200km Weg, um wieder soweit zu kommen, wie wir aktuell sind. Also dachte ich, wir versuchen es einfach mal. Ich wollte es mit eigenen Augen sehen…
Die Straße wurde mit jedem Kilometer schlechter. Von Straße war über lange Passagen eigentlich gar nicht mehr zu reden. Vielmehr kam ich mir vor, wie in einem ausgetrockneten Flussbett. Mit knapp 10km/h ging es trotzdem ganz gemütlich voran. Mir kam es vor, als ob sich die Schneegrenze immer von uns entfernen würde. Als wir in Batumi gestartet waren, wirkte es, als ob bis auf 200m Schnee in den Bäumen wäre. Jetzt waren wir schon auf 1500m und immer noch kein Schnee. Ab 1600m ging es dann aber langsam los. Wir passierten Danisparauli und mussten uns wieder mal einer Gruppe Männer stellen, die uns vor dem Weiterfahren hindern wollte. Nachdem wir versichert hatten, dass wir nur ein Foto machen wollen, ließen sie uns weiterradeln. Hier wurde ich dann auch zum allerersten Mal auf der gesamten Reise mit Heil Hitler begrüßt. Ein ca. 80jähriger Mann ließ den Spruch los, als ich der Gruppe erklärte, dass ich aus Deutschland komme.
Langsam gab es dann auch Schnee auf der “Straße”. Zum radeln war es aber immer noch sehr gemütlich. Hinter der nächsten Kurve erblickten wir dann eine Art Schneekorridor. In einer Breite von etwa 2m war die Straße freigeräumt und seitlich türmte sich bis auf 1,50m der Schnee. Drei Raupenfahrzeuge kamen uns von Oben entgegen. Offenbar wurde gerade an der Räumung der Straße gearbeitet. Wir waren jetzt schon so weit gekommen… an Umkehren wollte eigentlich keiner denken. Also weiter! Nach gut 15 Minuten holte uns von unten kommend ein Geländewagen ein. Die Arbeiter aus den Raupenfahrzeugen erklärten uns, dass in ca. 1km die Straße nicht mehr geräumt sei. Wir hatten uns damit schon arrangiert und beschlossen, die restlichen 300 Höhenmeter zu Fuß hinter uns zu bringen. Schließlich reichte mir einer der Männer sein Telefon und ich telefonierte mit dem Tourist-Service in Khulo. Die Dame wollte uns auch mit allerlei Schauermärchen davon abhalten, zu Fuß weiterzugehen. Angeblich würde es in der Nacht unter minus 20 Grad geben und Sturm sei auch angesagt… Ein Blick in den Himmel verriet aber etwas anderes. Nachdem ich die besorgte Dame überzeugt hatte, dass wir beide gut ausgerüstet sind und auch Erfahrung mit dem Winter haben wünschte sie uns wiederwillig viel Glück.
Kofpschüttelnd kehrten die Arbeiter wieder um und wir starteten unseren Aufstieg Richtung Passhöhe. Knapp 300 Höhenmeter trennten uns noch von der Passhöhe. Uns war klar, dass wir die Passage nicht mehr heute bewältigen werden. Aber wir hatten ja Zeit. Gepäck geschultert, ein paar hundert Meter gehen, Gepäck abladen und zurücklaufen. Dann das Rad schultern, denselben Weg wieder hoch und so weiter und so weiter. Um Weg zu sparen versuchten wir so gut als möglich der Falllinie zu folgen. Nach etwa 2 Stunden hatten wir die schneebedeckte “Straße” wieder erreicht und beschlossen hier das Zelt aufzuschlagen. Die erste horizontale Fläche seit langem. Für mich Premiere beim Wintercampen. Immerhin hat es jetzt einen Sinn, warum ich mit einem 4-Jahreszeiten Zelt unterwegs bin. Über Wassermangel brauchten wir uns nicht zu beschweren, Schnee gab es genug und der Kocher leistete gute Arbeit. Abend erreichten wir sogar 11 Grad im Zelt, obwohl es draußen sicherlich weit unter minus 5 war. Aber soweit war alles Bestens. Es gab Fertignudeln und haufenweise Kekse. Mit einer Wärmflasche im Schlafsack sollte alles gut werden.

Tag 43 – 15.März

irgendwo hinter Danisparauli – irgendwo hinter dem Goderdzi-Pass: ca. 6km; 6,5h Gepäcktransport, 0h im Sattel; minus 2-16 Grad, sonnig
Camping 1820m Seehöhe

Wasserdichte Socken sind eine grandiose Erfindung, wenn man am folgenden Tag in nasse / steifgefrorene Schuhe einsteigen muss. Auch Fahrradüberschuhe können perfekt als Schneegamaschen verwendet werden… nur soviel zur Ausrüstung.
Das Morgenpanorama entschädigte für sämtliche Strapazen des gestrigen Tages. Die Sonne tauchte die Winterlandschaft in ein beeindruckendes Licht. Gestern war die Passhöhe nur kurzzeitig zu erkennen gewesen, heute war alles klar zu erkennen. Wir erkannten dann auch Spuren im Schnee, die zur Passhöhe führten. Entweder war vor uns auch schon jemand unterwegs, oder es sind Leute auf dem Pass. In jedem Fall schien es Gesellschaft zu geben. Als wir gerade am Zusammenpacken waren, hörten wir dann auch Rufe in der Ferne. Es schien, als ob wir angekündigt worden sind. Nach gut einer halben Stunde Marsch mit Gepäck kamen uns dann auch zwei ältere Herren entgegen. Die Verständigung war eher schwierig, aber wir konnten durchaus erkennen, dass die zwei den Sinn unseres Vorhabens nicht ganz verstanden. Es stellte sich heraus, dass die beiden ein relativ neu errichtetes Hotel auf der Passhöhe “bewachten”. Offenbar kümmerten sie sich im Winter um den Erhalt. Ein wenig eigenartig war, dass sie weder über fließend Wasser, noch über eine Heizung verfügten. Das Hotel schien aber fertiggestellt zu sein. Offenbar gibt es für die Gegend große Pläne für den Tourismus. Es wird an einem Skigebiet gearbeitet, mir aber nicht ganz einleuchtend, wenn es nicht mal eine funktionierende Straße gibt. In einem Nebenzimmer hingen Architektenpläne für die geplante Entwicklung des Gebietes. Haufenweise Ferienhäuser, Hotels und Gastronomie. Aber ich frage mich, woher die Leute kommen sollen. Offenbar versickert hier ordentlich viel Geld im Nichts.
Natürlich freuten wir uns sehr, in dieser verlassenen Gegend auf Leute zu treffen. Wir wurden erst mal zur Stärkung ins Hotel geführt. Eine etwas eigenartige Szenerie erwartete uns. In einem Raum, der bis zum Rauchmelder fertiggestellt wurde standen 4 Betten und ein Tisch. Eine Fensterscheibe war entfernt und statt dessen ein Holzbrett eingesetzt, um dadurch das Ofenrohr zu führen. Mit einem kleinen Ofen wurde der Raum sowohl geheizt, als auch Warmwasser zubereitet. Vor dem Hotel parkten zwei nagelneue Pistenraupen, die aber offenbar noch kaum verwendet wurden. Auf die Pistenraupen durften wir nicht zählen, da keiner der beiden diese Geräte fahren durfte, dafür borgte man uns Schneeschuhe. Das war auch schon ein Gewinn. Also erst einmal den zweiten Schwung Gepäck geholt. Mit den Schneeschuhen ging das alles dann auch viel leichter.
Die Sonne sorgte unterdessen für sehr frühlingshafte Temperaturen. Der Ausblick in die verschneite Landschaft war atemberaubend. Überall standen vereinzelt alte Holzhäuser, die offenbar als Sommerhäuser verwendet werden. Was die Szenerie vermutlich so besonders machte war das gänzliche Fehlen von Spuren. Überall Häuser, doch nirgendwo auch nur eine einzige Spur (bis auf die der beiden Herren vom Hotel). Es wäre nicht verwunderlich, wenn in so einer Situation die Stimmung eher getrübt wäre… 15km Fußmarsch im Schnee mit 40kg Gepäck und 17kg Fahrrad… da gibt es Besseres. Aber bei so einem Panorama und diesem Kaiserwetter – da geht einem richtig das Herz auf. Die Anstrengungen sind praktisch vergessen und ich genieße ausgiebig den Blick in die tiefverschneite Landschaft.
Wir steckten jetzt also mitten drin in diesem speziellen Vorhaben. Es gab eigentlich keinen Weg zurück, nur nach vorne. Demnach mussten wir auch die Einladung, im Hotel zu übernachten ausschlagen. Immerhin sollten wir in zwei Etappen bis unter die Schneegrenze kommen.
Ausgerüstet mit den Schneeschuhen stapften wir auf der eigentlichen Straße langsam in Richtung Tal (Betonung auf LANGSAM). Für etwas mehr als 4km benötigten wir fas drei Stunden. Die Fahrradtaschen eignen sich doch nicht so ideal für längere Transportpassagen. Die Belastung auf den Schultern war enorm. Der Plan war aber, mit den Schneeschuhen eine gute Spur zu legen, damit wir vielleicht die Räder bergab schieben könnten. Für morgen sind dann noch weitere 5km im Schnee angesagt, dann sollten wir aus dem Gröbsten raus sein.
Auf dem Weg zurück im Hotel, diesmal ohne Gepäck, konnte ich die Umgebung erst richtig genießen, ja förmlich aufsaugen. Immer wieder musste ich stehenbleiben und einfach nur Schauen, so speziell war die Kulisse. Auch wenn es etwas eigenartig klingt, aber schlussendlich bin ich froh über dieses Erlebnis. Ich möchte zwar die Situation nicht unbedingt noch einmal erleben, doch für den Moment ist es einfach nur schön. Die Ruhe, das sagenhafte Panorama und die Vorstellung, in einem Tag wieder trockenen Boden unter den Füßen zu haben ließen zu keinem Zeitpunkt schlechte Stimmung aufkommen.
Im Hotel wartete schon eine herzhafte Kartoffelspeise auf uns. Die Runde der “Hotelbewacher” war jetzt auf drei angewachsen. Ich kann mir vorstellen, dass es sich bald in den Dörfern herumspricht, dass zwei verrückte Touristen mit dem Rad über den tiefverschneiten Pass gestiefelt sind.
Vor dem Campen wurden wir mal wieder eindringlich gewarnt. Angeblich schleichen Wölfe und Bären durch die Wälder. Die einzigen Tierspuren, die ich die letzten zwei Tage gesehen haben, waren die von einem Hasen und von einem kleinen Huftier. Kein Wolf, Bär, oder Fuchs weit und breit. Mir scheint, als ob die Berge hier noch etwas furchteinflößendens auf die Leute vor Ort haben. Bestens gelaunt brachen wir dann schließlich auf. Für mich geht es jetzt aber gefühltermaßen bergauf, denn es geht konstant bergab.
Unser Plan mit der Spur für die Räder ging zur Gänze auf. Es war nahezu ein Spaziergang die Räder die gut 4km bis zu unserem Gepäck zu schieben. Wir schlugen das Zelt direkt neben einem eingeschneiten Auto auf. Leider war der Wagen verschlossen, sonst hätten wir ja diesmal im Auto schlafen können.
Wenn es heute Nacht ordentlich friert, könnten wir morgen sogar Glück haben, sodass wir die Räder samt Gepäck ins Tal schieben können. Nur noch gut 5km liegen vor uns. Martin reparierte noch schnell seinen platten Hinterreifen, bevor die Sonne hinter den Gipfeln verschwand. Auf den letzten Metern hatte er sich gestern offenbar einen Dornen eingefahren.
In Windeseile war das Zelt aufgestellt, der Kocher in Gang gebracht und der letzte Suppenvorrat landete im Topf. Ein fantastischer Tag geht zu Ende. Unverhofft bin ich so zu einem Tag Wintersport gekommen. Für Schneeschuhtouren in solch einer Umgebung geben manche Leute richtig viel Geld aus. Für uns war es unverhofft und gratis.
Der nächtliche Blick aus dem Zelt gab mir wieder Recht, dass es genau der richtige Weg war, den wir eingeschlagen hatten, auch wenn er vielleicht etwas beschwerlich war. Der Vollmond stand hoch über dem Zelt, die Sterne leuchteten hell und klar, keine einzige Wolke war am Himmel, in der Ferne rauschte der Bach und nur die Rufe einer Eule durchbrachen die nächtliche Ruhe. Vom Wolf hörte man die ganze Nacht nichts.

Tag 44 – 16.März

irgendwo hinter dem Goderdzi-Pass – Akhaltsikhe: 50km; 3:19h im Sattel; minus 5 – 20 Grad, sonnig.
Hotel

Wie von einer wolkenlosen Nacht zu erwarten war, sanken die Temperaturen in der Nacht deutlich unter -10 Grad. Im Zelt gab es am Morgen Schneefall vom Innenzelt. Der Schlafsack hielt aber erstaunlich gut warm. Aufs Frühstück verzichteten wir, um Zeit zu sparen. Der Boden war steinhart gefroren, wir schienen Glück zu haben. Gerade als wir mit Zusammenpacken fertig waren, kam und Georgi mit einem paar alter Holzski und einem Stock von oben entgegen. Er hatte die Nacht bei seinen Freunden im Hotel verbracht und fuhr jetzt wieder Richtung Tal. Er versicherte uns, dass uns in 3km tiefer Schnee erwarten würde. Ich wollte auf seine Aussage aber nicht viel geben, bei den warmen Temperaturen gestern und den frostigen Nachttemperaturen sollte es doch eine tragfähige Schneedecke geben.
Also los… Gepäck auf die Räder, den Spanngurt um die Schulter und das Rad in Richtung Tal geschoben / gezogen. Alles lief wie am Schnürchen. Wir sanken praktisch nie ein, die Räder gruben sich nicht in den Schnee… nahezu ein Spaziergang.
Die Sonne brannte vom Himmel und schon bald waren die Morgentemperaturen von -5Grad Geschichte. Ich hatte etwas Sorge, dass die Sonne den Schnee zu schnell wieder auftauen würde, doch schlussendlich hatten wir großes Glück. Als wir auf ca. 1500m Seehöhe angelangt waren, war die Straße wieder frei. Von nun an sollte es wieder auf schneefreiem Belag weitergehen.
Georgi konnte es auch kaum glauben, dass die Schneedecke so gut gehalten hatte. Er war vor drei Tagen noch in Richtung Hotel aufgebrochen und oft genug bis zur Hüfte eingebrochen. Nun ja, so hatte es uns beim Aufstieg auch ergangen, aber der Abstieg war praktisch ein Geschenk.
Wir frühstückten noch gemeinsam mit Georgi in der Sonne und packten Zelt und Schlafsack noch einmal aus, um sie von Eis und Schnee zu befreien. Bei 15 Grad und strahlendem Sonnenschein trocknete auch alles rasend schnell wieder auf.
Ein tolles Gefühl, endlich wieder auf dem Rad zu sitzen. Das Gehen mit den Schneeschuhen hatte auf den Fußsohlen zu Blasen geführt, beim Radeln störte das gottseidank kaum.
Ein paar Kilometer Schotterstraße lagen noch vor uns, dann erreichten wir Zarzma, einen Ort mit einem Mittelalterlichen Kloster. Die Leute versammelten sich gerade zum Gottesdienst, als wir ankamen. Eine beeindruckende Atmosphäre herrschte in der kleinen düsteren Kirche.
Im darauffolgenden Ort machten wir an der Tankstelle kurz Halt. Tekla, ein 15jähriges Mädchen übersetzte für uns und die Anwesenden alle Fragen in perfektem Englisch. Sie möchte einmal Diplomatin werden und hat sich dazu privat Englisch beigebracht. In ihrer Schule gibt es keinen Englischunterricht. Alle vor Ort waren etwas überrascht, dass es schon Touristen von der “anderen Seite” gibt. Für 2014 waren wir die ersten Radler, die hier durchgekommen sind. Im Sommer herrscht offenbar Hochbetrieb. Neben der Tankstelle betrieb Teklas Großvater eine kleine Bäckerei / einen Ofen zum Brotbacken. Wir statteten uns daher noch mit zwei Laiben frisch gebackenem Brot aus und fuhren wieder weiter.
So kräftezehrend die letzten Tage waren, so erholsam war die heute Etappe. Es ging konstant leicht bergab und wir rollten durch eine Art Hochebene, gesäumt von steil aufragenden Berggipfeln zu unserer Rechten.
Es sind noch ca. 220km bis nach Tiflis. Ich beschloss daher, heute etwas früher Schluss zu machen. Die vielen Kilometer im Schnee hatten die Muskulatur etwas durcheinander gebracht. Ein Erholungstag im Hotel ist da genau das Richtige. Diesmal machte ich nicht den Fehler, das erstbeste Hotel zu buchen, sondern fragte zwei Jungs nach einem billigen Hotel. Und siehe da, ca. 100m hinter dem gerade neu erbauten Hotel im Ortszentrum fanden wir ein Hotel, das offenbar in weit zurückliegenden Zeiten seinen Höhepunkt erlebt hat. Für 5 EUR pro Person eine Okkasion!
Also, jetzt die Beine hochlegen und den Sonnenbrand im Gesicht auskurieren, dann gehts morgen wieder weiter in Richtung Tiflis.