Tag 298 – 24.November

Berlin – Leipzig: 176km; 8:08h im Sattel; 6 – 9 Grad, wechselhaft / Regen
Hostel

Juche! es geht wieder los… Nach vier Tagen in der Bundeshauptstadt ist es wieder an der Zeit, sich auf den Sattel zu schwingen. Für heute hatte ich mir eine etwas längere Etappe vorgenommen, wollte aber binnen eines Tages Leipzig erreichen, um dort Natascha und Friedemann zu treffen. Die zwei Tandemfahrer hatte ich in der Türkei und in Georgien getroffen und nun wollte ich ihnen einen kurzen Besuch abstatten.
Eigentlich hatte sich Julian schon darauf gefreut, mir bis Lutherstadt Wittenberg Gesellschaft zu leisten, doch leider quälten ihn die ganze Nacht üble Bauchkrämpfe, sodass ich mich alleine auf den Weg machen musste. Die Strecke führte mich vorbei am früheren Flugfeld Tempelhof, die Sonne bemühte sich kräftig, durch die Wolken durchzubrechen, doch bis auf eine intensive Rotfärbung war nichts zu sehen. Nach gut einer Stunde Fahrt hatte ich dann die Stadtbebauung hinter mir gelassen und befand mich wieder in Mitten von großen Feldern. Die Straßen wurden immer kleiner und schlussendlich landete ich auf einer unbefestigten Forststraße, die mich durch immer noch dicht belaubten Buchenwald führte. Es wurde richtig idyllisch, doch leider fing es nun an zu regnen. Schnell zeichnete sich ab, dass der Regen wohl etwas kräftiger werden würde und so schlüpfte ich seit langem mal wieder in die Regenklamotten. Nach und nach ließ ich den Wald hinter mir, der Straßenbelag wechselte wieder auf Asphalt und schließlich kam ich zur B2, der ich von nun an bis nach Leipzig folgen würde. Rund um Beelitz sieht man zahlreiche Spargelfelder neben der Straße. Feinsäuberlich sind die Reihen mit schwarzer Folie abgedeckt und warten auf den Winter. Die Gegend in der ich mich heute bewegte war erstaunlich dünn besiedelt. Hauptsächlich war ich umgeben von Buchenwäldern und riesengroßen Feldern. Auf der B2 auch überraschend wenig Verkehr. Über weite Strecken konnte man auf einem eigenen Fahrradstreifen parallel zur Bundesstraße radeln. Die Dichte an Radwegen in Deutschland ist wirklich erstaunlich. Leider ließ der Regen nicht so schnell nach. Wie so oft war ich nach gut einer Stunde Fahrt im Regen unter meinen Regenklamotten bis auf die Haut nassgeschwitzt. Der deutlich spürbare Gegenwind hob die Stimmung auch nicht unbedingt an. Aber ich war zuversichtlich, dass sich das Wetter noch bessern würde. Und siehe da, zeitgleich mit meiner Ankunft in Lutherstadt Wittenberg riss der Himmel auf und es gab sogar ein wenig Sonne zu bestaunen. Ich drehte erst einmal eine Runde in der durchaus sympathischen Altstadt, suchte dann aber ein Lokal, um mich irgendwie wieder aufzuwärmen. Bei Gulaschsuppe und Tee kam ich wieder zu Kräften und nahm somit die zweite Runde in Angriff. Wie in vielen anderen Städten auch wird in Wittenberg gerade der Adventsmarkt aufgebaut. In Berlin war mir das schon aufgefallen und auch hier in Wittenberg war dasselbe Phänomen zu beobachten. Die Weihnachtsmärkte ähneln nun schon mehr einem Jahrmarkt und haben eigentlich nicht viel mit Weihnachten zu tun. Riesenrad, Schießbuden etc. dominieren das Bild. Die meisten Historischen Stätten in Lutherstadt Wittenberg sind momentan leider eingerüstet, da man sich auf das 2017 stattfindende Lutherjubiläum (500 Jahre Reformation) vorbereitet.
Nachdem ich meinen Weg um die für Radfahrer gesperrte Bundesstraße herum gefunden hatte, ging es wie ausgewechselt weiter. Von nun an konnte ich mich an einem dramatisch ausgeleuchtetem wolkenverhangenen Himmel erfreuen. Erstmalig trag ich nun auf die Elbe, die ich mir eigentlich viel breiter vorgestellt hatte. In den kommenden Tagen werde ich wohl noch des Öfteren auf die Elbe stoßen… Nachdem ich die Bogenbrücke über die Elbe hinter mir gelassen hatte ging es weiter über Felder, Felder, Felder. Der hügelige Streckenverlauf in den Wäldern vom Vormittag war nun auch verschwunden und ich musste mich kräftig gegen den Wind stemmen. Leipzig rückte aber immer näher und die Nachmittagssonne ließ die Unannehmlichkeiten des Vormittags schnell vergessen.
Schon 15km vor dem Stadtzentrum wurde ich von der B2 auf einen Radweg umgeleitet, der mich bis ins Stadtzentrum führte. Zum ersten Mal ging es also nicht auf der Hauptverkehrsstraße in die Stadt, sondern auf einem gemütlichen Fahrradweg. Man tut etwas für das Wohl der Radler… Auch in Leipzig sind die Straßen voll mit Radfahrern, wenn auch deutlich weniger als in Berlin. Als ich das Stadtzentrum erreichte, lag bereits Dunkelheit über der Stadt. Eine filigranen Mondsichel schwebte über der Altstadt, doch ich musste noch ein paar Meter zurücklegen, um mein Hostel in der Südvorstadt zu finden.
Bei einer köstlichen Rindsrollade und bayerischem Weißbier konnte ich dann gemeinsam mit Natascha und Friedemann den langen Radeltag ausklingen lassen. Man hat das Gefühl, dass sich der Kreis nun langsam wieder schließt. Ein schönes Gefühl, jetzt auf dem Heimweg Leute besuchen zu können, die man während der Reise getroffen hatte. Von Leizpig selber werde ich dieses Mal nicht sonderlich viel zu Gesicht bekommen, da es am Morgen bereits weiter in Richtung Dresden geht. Ich spüre schon, dass der Wunsch bald heimzukommen nun schon stärker wird, als die Motivation, sich noch viel unterwegs anzusehen. Es ist nun aber wirklich nicht mehr weit. Noch ein paar Tage Fahrt und Bayern hat mich wieder!

Tag 299 – 25.November

Leipzig – Dresden: 124km; 5:25h im Sattel; 5 – 9 Grad, wechselhaft / sonnig
Warmshowers

Erstmalig stand heute ein etwas verzögerter Start auf dem Programm. Am Morgen dachte ich noch, dass es ja nur 100km bis nach Dresden sind und ich mir demnach durchaus Zeit lassen könne. Ich hätte allerdings besser in die Karte schauen sollen, denn die Strecke bis Dresden war dann doch etwas länger als gedacht, aber im Nachhinein ist man immer schlauer als zuvor…
Den besten Weg aus der Stadt heraus in Richtung Dresden zu finden war heute gar nicht mal so einfach, immer wieder musste ich meine Position auf dem Tablet nachprüfen, doch nach und nach kristallisierte sich dann doch eine Marschroute heraus. Überraschend tauchte dann zu meiner Rechten das monumentale Völkerschlachtsdenkmal auf. Gut 90m hoch erinnert es an die Völkerschlacht in Leipzig in der Russen, Österreicher und Preussen Napoleon besiegten, diesen Sieg aber mit über 100.000 Menschenleben bezahlen mussten.
Ein paar falsche Abzweigungen später habe ich dann auch schon die Stadt hinter mir gelassen. Auf die B6 in Richtung Dresden darf ich aber nicht einbiegen, da diese hier für Radfahrer gesperrt ist. Also wieder zurück und eine Nebenstraße suchen, auf der man parallel zur B6 radeln kann. Wolken und Sonne halten sich heute die Waage, doch wenn man schon seit Ewigkeiten keine Sonne mehr gesehen hat, dann reicht auch schon ein kurzes Aufblitzen und man ist vollauf zufrieden. Der Morgentau hält sich noch bis spät in den Vormittag und die Sonnenstrahlen lassen die Wassertropfen auf dem Gras der Felder fast wie Eis erscheinen. Sonderlich dicht besiedelt ist die Gegend hier nicht, dafür sind die wenigen Orte durch die man kommt recht stattlich. In Oschatz kehre ich Mittags kurz ein und drehe davor noch eine kleine Runde um den historischen Ortskern. Um einen zentralen Platz herum gruppieren sich die historischen Bürgerhäuser und das imposante Rathaus, bei dessen Wiederaufbau Dresdens Stadtbaumeister Gottried Semper seine Hände im Spiel hatte. Nach Monaten in der “Fremde” gibts nun wieder deutsche Stadtbaukunst zu bewundern… Auch wenn ich noch nie in Oschatz war, so wirkt alles doch irgendwie vertraut. Das mystisch unbekannte weicht nun dem gewohnten Sprachkanon.
Ein wenig gehts noch auf und ab, dann beginnt eine längere Abfahrt in Richtung Elbtal. Von nun an gehts gemütlich an der Elbe entlang bis nach Dresden. Martin, mein heutiger Gastgeber informiert mich per SMS kurz darüber, dass heute Nachmittag ein Saunabesuch ansteht und ich überschlage kurz die noch vor mir stehende Wegstrecke um festzustellen, dass ich doch noch ein wenig Gas geben muss, um auch in den Genuss einer wärmenden Sauna zu kommen. Trotzdem bleibt noch genug Zeit, die im Sonnenlicht leuchtenden Weinberge in den Hängen des Elbflusses zu bewundern. Vieles erinnert nun schon an die Donauauen zwischen Passau und Wien. Ein Radweg verläuft direkt neben der Elbe und man ist nun bis nach Dresden völlig verkehrsberuhigt unterwegs. Vor mir taucht schlussendlich die durch die Porzellanmanufaktur bekannte Stadt Meißen auf. Imposant ragen Burgberg, Dom und Albrechtsburg empor. Ich beschließe aber am Elbufer zu bleiben und ziehe demnach die Sauna einem Rundgang durch den historischen Stadtkern vor. Dresden rückt schon in greifbare Nähe und ich komme fast auf die Minute pünktlich bei Martin und Claudia an. Schnell aus den Radlklamotten raus und schon gehts in Richtung Universität und dort in die Eltern – Kind – Sauna. Mit ihrem einjährigen Sohn gehen die beiden dort regelmäßig in die Sauna, für mich ein herrlicher Abschluss des heutigen Tages. Zu plaudern gibts viel. Martin und Claudia waren ebenfalls mit dem Rad schon in Tajikistan, sind dort durch den Pamir geradelt und haben auch schon den Himalaya von Indian aus befahren. Der Himalaya – das wär auch noch mal eine Destination… Aber alles nach der Reihe. Jetzt gehts erst mal in Richtung Heimat und dann kann man ja weiterschauen.

Tag 300 – 26.November

Dresden – Prag: 164km; 8:21h im Sattel; 0 – 5 Grad, sonnig / bedeckt
Hostel

Tag 300 bricht an. Eine eigenartige Vorstellung… dreihundert Tage schon unterwegs, eine Zeitspanne, die so unreal klingt, aber irgendwie muss es ja stimmen. Das Zeitgefühl habe ich auf dieser Reise ohnehin schon vor langer Zeit verloren. Manchmal fühlt es sich schon an wie eine Ewigkeit, dass ich Wien verlassen habe und manchmal kommt es mir vor, als ob ich erst vor ein paar Tagen aufgebrochen bin. Ein paar Tage sind es jetzt definitiv nur noch, bis ich wieder in Bayern bin. Erst mal gehts aber noch nach Tschechien. Ein Besuch der Hauptstadt steht noch auf dem Programm. Dresden – Prag, nicht unbedingt ein Katzensprung, doch für heute sollte es machbar sein.
Sonnenschein empfängt mich am Morgen, ein äusserst seltenes Vergnügen. Über Nacht hatte es empfindlich abgekühlt, Raureif bedeckt die Wiesen und Büsche. Ich folge wieder der Elbe und bin erstaunt, wieviele Leute am frühen Morgen mit dem Rad in Richtung Dresden unterwegs sind. Das Rad scheint auch hier erfreulicherweise ein ernstzunehmendes Verkehrsmittel zu sein. Wenn man das Verkehrsaufkommen in Deutschland so betrachtet, wohl auch die einzige Option für die Zukunft.
Hoch auf den Hängen des Elbtals thronen beeindruckende Landsitze mit angrenzenden Weinbergen. Der Begriff Weingut bekommt hier gleich eine ganz andere Bedeutung. Bis Pirna folge ich noch dem Elbradweg, mühe mich mit dem doch recht kräftigen Gegenwind ab und versuche ob der tiefstehenden Sonne nicht den Überblick zu verlieren. Noch heute Morgen hatte ich beschlossen, meine Route über die Berge zu legen. Man könnte auch dem Flusstal bis nach Prag folgen, doch ich entscheide mich für die deutlich kürzere Strecke über die Sächsische Schweiz. Was mir nicht ganz bewusst war ist die Tatsache, dass es jetzt erstmals wieder richtig in die Höhe geht. Vo Pirna aus war es nicht mehr sonderlich weit bis zur Grenze nach Tschechien. In Petrovic, dem Grenzort, ist noch alles auf deutsche Grenztouristen ausgelegt. Am Straßenrand reihen sich Läden auf, die hauptsächlich Alkohol und Zigaretten anbieten. Saisonal werden im Moment gerade Vogelhäuschen angeboten und sonst auch noch viel vom altbekannten Ramsch. Plastikspielzeug, billige Schuhe, Klamotten etc.
Zahnärzte, Optiker und Friseure warten auf deutsche Kunden.
Eine alte Wegmarkierung aus dem 19. Jahrhundert gibt von hier aus bis Dresden eine Strecke von 8 1/2 Stunden an. Zum Glück war ich heute ein wenig schneller. Doch von nun an gehts höher und höher hinauf. Anfangs freute ich mich noch auf den wohl anstehenden Panoramablick, doch mit der Zeit verdunkelte sich der Himmel. Dicke Wolken schoben sich vor die Sonne und es hatte den Anschein, als ob es gleich zu schneien beginnen würde. Je höher ich kam, desto kühler wurde es. Die Temperatur fiel kurz vor dem “Gipfel” auf Null Grad. Schwarze knorrige Bäume konnte man schematisch im Nebel erkennen, von der erhofften Aussicht war ich weit entfernt. Ein eisiger Wind blies mir entgegen und so sah ich zu, dass ich möglichst schnell wieder in wärmere Gefilde kam. Eine rasante Abfahrt führte mich nach Usti nab Ladem. Ich konnte mich kaum noch auf dem Rad halten, so kalt war mir schon geworden. Zitternd hielt ich nach einem beheizten Lokal Ausschau und landete schließlich in einem türkischen Imbiss. Es dauerte ein wenig, bis meine Füße wieder aufgetaut waren und ich annähernd wieder warm war. Wohl wegen der dichten Woken kletterte das Thermometer nun auch nicht mehr höher als auf zwei Grad und der kräftige Gegenwind hatte auch nicht nachgelassen. Anfangs gings noch am Fluss entlang, doch in Litomerice bog ich in Richtung Süden ab, um den kürzeren Weg nach Prag einzuschlagen. Kurz danach ging es durch Terezin, einer Kleinstadt mit beeindruckender Befestigungsanlage. Die Straße verläuft mitten durch die historischen Mauern. Ein Wappen an der Wand verweist auf ein K&K Regiment, also müssen hier die Österreicher stationiert gewesen sein. Eine zweite, kleinere Anlage befindet sich innerhalb der großen Festungsanlage. Im Vorhof prangt ein großes Kreuz und ein großer Davidstern über unzähligen im Boden versenkten Grabsteinen. Im Nachhinein fand ich heraus, dass es sich bei Terezin um Theresienstadt handelt. Österreichs Kaiser Josef II hatte Ende des 18. Jahrhunderts eine der modernsten Festungsanlagen nach französischen Vorbild erbauen lassen. Zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs wurde die Anlage von den Nazis als Ghetto und schließlich als Konzentrationslager umfunktioniert. Die örtliche Bevölkerung wurde abgesiedelt und konnte erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges wieder zurückkehren. Unwissend bin ich also mal wieder an einer durchaus bedeutsamen historischen Stätte vorbeigeradelt. Vielleicht war ich aber auch schon zu sehr damit beschäftigt, einen guten Rhythmus zu finden, um die letzten 60 Kilometer bis Prag zu schaffen. Die vielen Höhenmeter spürte ich bereits in den Beinen und der immer noch vorherrschende Gegenwind ließ mir selbst die Gerade wie kleine Anstiege erscheinen. Als es langsam zu dämmern begann kam auch endlich der lange ersehnte Rhythmus. Von nun an lief es… Wind und Anstiege machten mir nicht mehr zu schaffen, ich hatte die innere Balance wieder gefunden. Auf der Bundesstraße war fast nichts los, da parallel dazu die Autobahn in Richtung Prag verlief. Ich freute mich über die gute Ausleuchtung meines Frontscheinwerfers und radelte gut eine Stunde in der Dunkelheit, bis endlich in der Ferne der Lichtschein von Prag auftauchte. Nun war es also nicht mehr weit und ich war heilfroh, endlich die Stadtgrenze erreicht zu haben. Zwei Tafeln Schokolade waren bereits vernichtet und die Wasservorräte neigten sich auch schon dem Ende. Ins Stadtzentrum gings dann aber noch gemütlich bergab, dann noch am Fluss entlang, bis ich endlich gegen 18:30 Uhr mein Hostel erreicht hatte. Nach einer kräftigen Nudelsuppe fiel ich dann aber wie tot ins Bett. 1500 Höhenmeter bei 165km und konstanter Gegenwind hatten mich ziemlich gefordert. Zum Glück kann ich morgen noch einmal ausspannen, bevor es in Richtung Bayern geht.

Tag 301 – 27.November

Prag, 1 Ruhetag: bisher geradelt: 21.994km; 1087:02h im Sattel
Hostel

So, nun habe ich es also wirklich geschafft und bin innerhalb von drei Tagen von Berlin nach Prag gestrampelt. Auch wenn mir der wolkenverhangene Himmel und die abendlichen Stunden sicherlich einen landschaftlich reizvollen Teil der Strecke vorenthalten haben, war es eine recht ansprechende Etappe. So viel Abwechslung hatte ich schon lange nicht mehr. Jetzt heißt es regenerieren für den großen Satz bis kurz hinter die Deutsche Grenze. Wenn die Beine mitmachen möchte ich nämlich von Prag aus direkt bis in den bayerischen Wald radeln. Mal schauen, ob sich das dann auch wirklich so realisieren lässt.
Erst mal lasse ich mich aber noch durch die Prager Innenstadt treiben. Prag, eine Stadt der ich auch schon öfters einen Besuch abgestattet habe und somit wirkt vieles schon recht vertraut. Während ich durch die Gassen schlendere überkommt mich immer wieder ein wohliges Gefühl der Vorfreude auf die kommenden Tage. Jetzt ist die Ankunft zuhause schon wirklich in greifbare Nähe gerückt. Szenen aus den vergangenen Monaten blitzen auf und lassen mich mit einem breiten Lächeln durch die Stadt wandeln. Irgendwie ist das schon eine eigenartige Situation, man ist nur noch ein paar Stunden Autofahrt von zuhause entfernt, aber mit dem Rad sind es dann doch noch ein paar Tage…
Im Prager Hauptbahnhof sind schon Züge nach Linz angeschrieben. Jetzt kurz in den Zug gesprungen und ein paar Stunden später wäre ich schon in Linz. Aber eigentlicher Grund meines Besuches des Hauptbahnhofes ist die frisch restaurierte ehemalige Kassenhalle, die in schönstem Jugendstil über dem jetzigen Bahnhofstreiben thront. Nur wenige Leute verirren sich in die helle Kuppelhalle, die Meisten eilen ohne den Blick zu heben ein Stockwert tiefer zu den Bahnsteigen.
In den vergangenen Jahren hat Prag kräftig investiert und viele Häuser in der Altstadt renoviert. Der Prunk der Jahrhundertwende kommt jetzt wieder zum Vorschein. Die Altstadt quillt förmlich über von Touristen und das obwohl die Weihnachtsmärkte noch nicht einmal eröffnet sind. Die winterlichen Temperaturen halten die wenigsten davon ab, der Stadt einen Besuch abzustatten. Man hört viel Deutsch und Polnisch im Vorübergehen. Es hat den Anschein, als ob die Erdgeschoßzonen fast nur von Geldwechslern und Souvenierläden belagert sind. Der Tourismus blüht…
Gemütlich spaziere ich durch das Gassengewirr der Altstadt, lasse mich über die Karlsbrücke spülen und erklimme den Burghügel um von dort aus den schönen Blick über die Stadt zu genießen. Zu meinen Füßen die Labe, die ich noch vorgestern als Elbe kennengelernt hatte. Sonne lässt sich auch heute mal wieder keine blicken und der Wind bläst einem stellenweise recht eisig ins Gesicht. Auf der morgigen Etappe werde ich wohl wieder mit Gegenwind zu kämpfen haben, aber das Wissen, schon so nahe an der Heimat zu sein lässt mich die Tatsache fast ignorieren. Langsam aber sicher neigt sich nun die Reise dem Ende. Es ist ein Abschied auf Raten und auch ein Ankommen in kleinen Schritten.