Tag 65 – 06.April

Takestan – Abyek: 102km; 5:25h im Sattel; 18 – 23 Grad, sonnig
Camping

Für heute hatte ich mir vorgenommen, einmal etwas langsamer zu starten. Ich hatte den Verdacht, dass mein Magen gestern etwas abbekommen hat. Kann sein, dass irgendwas mit dem Essen nicht ganz gestimmt hat. Zumindest war die Nacht nicht sonderlich erholsam und auch am Morgen fühlte ich mich ziemlich schlapp.
Trotz ramponiertem Magen konnte ich nicht widerstehen und kostete in der örtlichen Konditorei allerlei Süßgebäck. Das muss man dem Iran schon lassen, die Auswahl an Süßspeisen ist bei Weitem größer als in der Türkei und geschmacklich liegen da auch Welten dazwischen. Wenn es nicht so einseitig wäre, würde ich mich am liebsten nur von Zuckergebäck ernähren…
Gegen Mittag war ich schließlich in Qazvin. Hier legte ich einen kurzen Stop ein, um mir die Stadt ein wenig anzuschauen. Seit langem wieder mal eine Stadt, die nicht nur aus Autozubehör-Geschäften besteht. Die Dichte an Läden für den Auto, oder Motorradbedarf ist kaum zu glauben. Just der Ort vor Qazvin bestand praktisch zu 100% nur aus derartigen Läden. In Qazvin gab es zumindest einen Bazar und ein paar Moscheen zu besichtigen. Mit dem vollbepackten Rad bewegt man sich dabei aber etwas unbeholfen und so fiel die Stadtbesichtigung eher kurz aus. Immerhin schaffte ich es, mir eine SIM Karte zu organisieren.
Sagt man den Iranern doch stets eine gewisse Freundlichkeit nach, so war ich überrascht, wie rücksichtslos teilweise im Stadtverkehr miteinander umgegangen wird. Ungeniert wird bei Rot über die Ampel gefahren wobei die gerade passierenden Fußgänger dezent zur Seite geschoben werden. Bin schon gespannt, wie sich die Situation in Teheran darstellen wird.
Je näher ich Teheran komme, desto häufiger sieht man nun auch Frauen hinter dem Steuer. Die ersten Tage im Iran habe ich keine einzige Frau ein Auto lenken gesehen.
Für heute hatte ich geplant, wieder einmal zu Zelten. Der nächst größere Ort mit Hotel war doch noch zu weit entfernt. Die Möglichkeiten, das Zelt aufzuschlagen sind im Moment aber relativ dünn gesät. Anfangs fuhr ich einige Kilometer entlang von -vermutlich- Hühnerfarmen. Der Geruch, der in der Luft lag war alles andere als angenehm. Dann folgten einige Kilometer militärisches Übungsgebiet, also auch kein idealer Ort zum Zelten. Ich hatte mir für heute vorgenommen, maximal bis Abyek zu radeln. Als ich nun bereits im Ort war, wurde es Zeit, am Ortsrand einen Platz für das Zelt zu finden. Etwas abseits gab e dann auch eine passende Wiese. Selbstverständlich blieb mein Auftauchen nicht lange unbemerkt. Nach kurzer Zeit gesellte sich Omik zu mir. Mit seinen 12 Jahren konnte er besser Englisch, als seine beiden Schwestern, die später auch noch vorbeikamen. Der Mann von einer der Beiden tat sich ebenfalls sehr schwer noch Vokabeln aus dem 4-jährigen Englischunterricht hervorzuholen. Mit Hilfe des Bilderwörterbuches und den Fotos auf der Kamera konnten wir uns aber ganz gut verständigen.
Bis Einbruch der Dunkelheit verbrachten wir die Zeit gemeinsam, dann schlug ich mein Zelt auf und die vier gingen zurück in den Ort. Immer wieder wurde ich von ihnen eingeladen, bei ihnen zuhause einen Tee zu trinken, doch für heute sehnte ich mich nach einem ruhigen Ort für mich alleine. Der Magen meldete sich schon wieder zurück und ich war froh, schlussendlich alleine im Zelt zu liegen.

Tag 66 – 07.April

Abyek – Tehran: 97km; 5:11h im Sattel; 18 – 20 Grad, Sonne
Homestay

Für heute stand eine sehr gemütliche Tagesetappe an. Nachdem Mina, meine Gastgeberin für die ersten Tage in Tehran, erst am Abend in der Stadt ist, konnte ich mir besonders viel Zeit lassen. Ich genoss die Morgensonne vor dem Zelt und gönnte mir ein ausgedehntes Frühstück. Nach den Magenverwirrungen der letzten zwei Tage war das auch notwendig. Zumindest fühlte ich mich heute wieder so einigermaßen fit.
Nach den ruhigen Stunden im Zelt ging es nun wieder zurück auf die E32. So langsam wird das ewige Fahren an der Hauptstraße ein wenig mühsam. Aber ja, jetzt sind es nur noch ein paar Stunden und ich bin in Tehran… Zuvor machte ich in Karaj noch ausgedehnt Mittagspause. In einem Take-Away Lokal versorgte ich mich mit Reis, Fleisch und Joghurt und machte mich auf die Suche nach einem Park. Es war interessant zu sehen, wie die Leute im Park auf meine Anwesenheit reagierten. Immer wieder setzte sich jemand neben mich und erkundigte sich nach meinem Befinden. Nachdem ich überhaupt keinen Zeitdruck hatte, konnte ich ganz gemütlich sitzenbleiben. Immer wieder wurde ich nach meinem Facebook-Kontakt gefragt. Für mich etwas paradox, weil mein Zugang im Iran nicht funktioniert. Ich müsste dazu irgend etwas installieren, um die Beschränkungen der Regierung umgehen zu können. Praktisch Jeder im Iran hat sich schon einen Weg durch die Hürden der Regierung gebahnt. Vielleicht klappt es für mich ja auch noch. Aber im Moment bin ich eh nicht so sehr darauf angewiesen. Es ist aber schon ein eigenartiges Gefühl, wenn viele Seiten im Internet nicht aufgerufen werden können. Gerade hier spürt man deutlich, dass die Freiheit durchaus eingeschränkt ist. Ansonsten wirken die Leute nicht so, als ob sie unter den Auflagen der Regierung leiden würden. Für mich macht es den Eindruck, als ob jeder sich seinen Weg sucht, um möglichst angenehm und ruhig leben zu können.
Fast Jeder der sich länger mit mir unterhält gibt mir auch gleich seine Telefonnummer und die Internetkontakte. Mein Notizbuch füllt sich in den letzten Tagen besonders schnell mit Kontakteinträgen. Es wird schon langsam eine Herausforderung, den Überblick nicht zu verlieren.
In Karaj gab es ansonsten nicht wirklich was zu sehen. Es ist eine völlig neue Stadt, ohne historisches Zentrum und so verbrachte ich meine Zeit gemütlich im Park.
Als ich gut eine Stunde gefahren war, stoppte ein Auto vor mir und ein iranisches Ehepaar plauderte ein wenig mit mir. Die beiden sind auch Fahrradfahrer und wollen in ein paar Wochen eine Tour in der Türkei starten. Selbstverständlich wurden gleich die Kontakte ausgetauscht. Die beiden wohnen in Karaj und sind gerade auf dem Weg zum Bazar, um Fahrradbedarf zu kaufen. Viele Zubehörteile sind im Iran nicht erhältlich, z.B. die Packtaschen von Ortlieb. Doch natürlich haben sich die Iraner schon eine Alternative ausgedacht. Es gibt viele kleine Betriebe, die diverse Produkte sehr qualitativ nachbauen… “geht nicht gibts nicht!”
Im Vergleich zu Istanbul war die Stadteinfahrt nach Tehran recht unspektakulär. Der Verkehr war schon ab Karaj sehr intensiv, nahm aber gottseidank nicht mehr zu. Ich hatte mich die letzten Tage ja schon ausgiebig an den Verkehr gewöhnt und so fühlte ich mich ganz wohl, als ich mitten im Abendverkehr in Richtung Stadtzentrum radelte. In der Nähe von Minas Wohnung hatte ich über Warmshowers einen Fahrradladen ausfindig gemacht (www.fdj.ir Jabbari Bicycle Store). Nachdem meine Handschuhe nun schon ganz durchgewetzt sind, wollte ich mir neue Handschuhe besorgen. Der Laden ist zwar klein, dafür aber umso besser sortiert. Besonders sympathisch fand ich den Eintrag in Warmshowers, der Reiseradlern einen gratis Service für das Rad anbot. Eine perfekte Anlaufstelle also für Radler, die seit Monaten unterwegs sind. Da mein Rad immer noch top in Schuss ist, brauchte ich auf den Service nicht zurückzugreifen. Die Handschuhe wurden bestellt und dann musste ich noch in ein Internet Cafe, um meine Anträge für die Visa auszudrucken. Ausserdem benötigte ich ein paar Passkopien, da bei den Botschaften der originale Pass gottseidank nicht hinterlegt werden muss.
Schließlich ging es dann auch schon zum vereinbarten Treffpunkt mit Mina. Sie war für ein paar Tage im Norden des Iran gewesen und kam gerade von einer mehrstündigen Busfahrt zurück. Somit waren wir beide überglücklich, nach einem anstrengenden Tag schlussendlich in einer ruhigen Wohnung gelandet zu sein.
Mina hatte als private Postbotin ein Care-Paket von meiner Familie aus Bayern mitgenommen. Notizbücher, Schokolade, Briefe und Lesematerial… Ein Traum! Vielen herzlichen Dank!
Seit Yerevan bin ich nun ohne Unterbrechung unterwegs gewesen. Zehn Tage mit teilweise sehr großen Distanzen. Es wurde Zeit, dass ich in Tehran angekommen bin. Mein Körper sehnt sich schon seit langem nach einer kleinen Auszeit vom täglichen Sitzen im Fahrradsattel. Ich hätte mir selbst nie gedacht, dass ich so schnell in Tehran sein könnte, doch nun bin ich da. Erneut ein Meilenstein erreicht. Nun gibt es einiges an Organisation, was auf mich wartet. Die Visa für Uzbekistan, Tajikistan und schlussendlich Turkmenistan müssen beantragt werden. Ich hoffe, dass alles glatt läuft. Die Nacht wird kurz werden, weil ich bereits um 7 Uhr bei der deutschen Botschaft sein muss…