Tag 177 – 27.Juli

Urumqi, 1 Ruhetag; Zwischenstand: 12857km; 664:04h im Sattel; 25 – 30 Grad, wechselhaft
Jugendherberge

Urumqi, die Hauptstadt der Provinz Xinjiang und meine erste chinesische Großstadt auf dieser Reise. Meinem täglichen Rhythmus folgend startete ich den Tag wohl viel zu früh. Als ich um kurz vor acht auf der Straße war, war diese sprichwörtlich wie ausgestorben. Das tägliche Leben hier in Urumqi startet nicht vor 10 Uhr. Die meisten Geschäfte sperren erst gegen halb 11 auf, haben dafür natürlich länger geöffnet. Für mich aber eine hervorragende Gelegenheit, den Städtern beim Frühsport im Park zuzusehen. Rückwärtslaufen / -gehen ist offenbar gerade sehr modern. Und sonst sieht man natürlich viele bei der Morgengymnastik, beim Fächer- / Schwerttanz oder einfach nur beim schnellen Spazierengehen. Kollektive sportliche Betätigung, das ist etwas, was ich schon sehr lange nicht mehr gesehen habe.
Die ersten kleinen Läden öffnen so langsam ihre Tore und ich kann zumindest unterwegs ein bisschen was frühstücken. Sonst lasse ich mich ins Stadtzentrum treiben und bin viel am Schauen. Einfach nur sitzen und schauen, was so um mich herum passiert. Gerade hier lässt sich das sehr gut anstellen. Ich könnte den Senioren stundenlang zusehen, wie sie ihre Körperbewegungen beim Fächertanz perfektionieren wollen. Mir fällt aber auch auf, dass vieles hier in China sehr “ich-bezogen” ist. Vermutlich gerade in der Großstadt leben viele einfach nur aneinander vorbei. Ein bisschen eigenartig wirkt es schon, wenn plötzlich ein Einzelner auf einem großen Platz auftaucht und in Mitten der ihn umgebenden Leute seinen Tennisschläger auspackt und einfach mit einem Ball an einer Gummischnur Tennisspielt. Kein Wort zu niemandem, allerdings auch keinerlei Reaktion von den Umstehenden. Die Verhaltensweisen verändern sich…
Die Stadt erwacht recht langsam, dann aber ziemlich laut. Nachdem die Eingangstüren geputzt und die Geschäfte geöffnet waren, steht vor fast jedem Laden eine Lautsprecherbox und beschallt den Gehsteig. Willkommen zurück in der Konsumgesellschaft. Laut und schillernd geht es zu. Nach so vielen Tagen in der Natur spüre ich, dass mir der ganze Trubel schon nach ein paar Stunden zu viel wird. Ich setze mich gemütlich auf eine Bank und beobachte für knapp zwei Stunden die Passanten. Auffallend, wie viele grimmig dreinblickende Chinesen es gibt. Der Umgangston untereinander ist oft sehr rau, es wird viel geschrien und so wie ich es einordne, auch geschimpft.
Zum Schmunzeln bringen mich die kleinen Kinder, die keine Windeln tragen. Wenns dann mal schnell gehen muss, hilft die Hose, deren Schritt einfach nicht zugenäht ist. Das kleine oder auch große Geschäft wird dann auch ganz ungeniert an Ort und Stelle verrichtet.
Befremdlich für mich ist noch die starke Präsenz der Polizei. Allzeit bereit stehen sie in kleinen Gruppen überall in der Stadt verteilt. Helm, Brustschutz und Schild trägt fast jeder von ihnen, eigenartig wirken aber die Baseballschläger die viele von ihnen in Händen halten. Das Volk wird im Zaum gehalten…
Den Nachmittag verbringe ich völlig entspannt in der Jugendherberge und brüte noch ein wenig über der bevorstehenden Strecke. Das Internet ist mir hier keine allzugroße Hilfe, da die Verbindung wirklich gähnend langsam ist und viele Seiten überhaupt nicht geöffnet werden. Nun ja, der Fahrplan steht ja. Ich werde weiterhin auf der Seidenstraße bleiben, bis in Xi´an das offizielle Ende eben jener erreicht ist.
Im Grunde könnte ich noch ein paar Tage in Urumqi bleiben und einfach nur die Leute beobachten. Anzusehen gibt es nicht sonderlich viel, da fällt es leicht, den Schwerpunkt mehr auf die Leute zu lenken. Aber ich habe mich dazu entschlossen, morgen wieder aufzubrechen und wieder ein bisschen Strecke zu machen.
Auf dem großen Platz hinter der Jugendherberge spielt sich am Abend noch Großes ab. Ob es am Sonntagabend liegt, oder ob hier jeden Tag soviel los ist, das entzieht sich meiner Kenntnis. An allen Ecken und Enden wird kollektiv zu unterschiedlichsten Musikstilen getanzt. Kleinkinder auf Rollschuhen werden zu neuen Eisschnellaufkönigen herangezogen und über Allem das wachsame Auge der Polizei. Man erreicht keinen öffentlichen Park ohne zuvor durch eine Sicherheitskontrolle gegangen zu sein, auch in den Kaufhäusern werden sämtliche Ein- und Ausgänge akribisch bewacht – der Staat ist sehr wachsam. Ob zurecht, man weiß es nicht.

 

Tag 178 – 28.Juli

Urumqi – kurz vor Turpan: 179km; 7:27h im Sattel; 25 – 44 Grad, bedeckt / Sonne
Camping

Zumindest auf den Straßen war heute Früh weit mehr los, als gestern um dieselbe Zeit. Scheinbar spürt man dann doch das Wochenende. Als ich aus Urumqi rausradelte fiel mir wieder ein, dass es ja vor kurzem ziemliche Unruhen in Urumqi gegeben hatte. Zu Spannungsentladungen kommt es in Xinjiang offenbar öfters. Die chinesische Regierung siedelt immer mehr Chinesen hier an und somit werden die ursprünglich hier sesshaften Uriguren nach und nach verdrängt. Vermutlich sind die zurückliegenden Tumulte der Grund dafür, dass noch derart viel Polizei präsent ist. In jedem Hotel, in jeder Tankstelle, in vielen Geschäften liegen zumindest Helme und Schilder der Polizei, jederzeit griffbereit, wenn es sein muss. Nun gut, ich war ja auch nur einen Tag in Urumqi aber von den Spannungen habe ich nichts mitbekommen.
Zu meiner großen Freude ließ der Verkehr ausserhalb des Stadtgebietes deutlich nach und es war im Vergleich zu Vorgestern richtig entspannend auf der Autobahn. Ich habe mich auch dieses Mal wieder für die Autobahn entschieden, weil die Landstraße nur parallel verläuft und man dort weitaus langsamer vorankommt. Bisher hatte auch noch niemand mich darauf hingewiesen, dass Radfahren auf der Autobahn eigentlich nicht gestattet ist. Weder bei den Maut- , noch bei den Polizeistationen gab es Anzeichen dafür, dass ich die Straße wechseln sollte.
Urumqi liegt auf knapp 1000m Seehöhe. Bis nach Turpan sollte es also ordentlich bergab gehen, da Turpan unter Seeniveau liegt. Vorerst fährt man aber noch durch eine recht öde Ebene, die dann aber doch noch ganz reizvoll wird. Zwei Gebirgsausläufer kommen der Straße immer näher und vereinen sich an einem Punkt, von wo aus dann auch noch ein Fluss hinab in Richtung Turpan fließt. Von nun an geht es gemächlich dem Fluss folgend, flankiert von stark erodierten Felswänden bergab. Mit jedem Meter den man tiefer kommt, wird es heißer. Turpan ist bekannt als einerseits der tiefste Punkt Chinas und andererseits auch als ein Hitzepol. Ich hoffe mal, dass ich etwas Glück habe…
Die Berge lässt man nun hinter sich und taucht ein in eine ewig weite Geröllwüste. Die Leitplanke ist nun endlich verschwunden und es kommt zum ersten Mal in China ein richtiges Gefühl für Weite auf. Die Straße führt durch gigantisch große Windparks, an sich ein Zeichen dafür, dass hier recht häufig und recht kräftig der Wind bläst. Ich hoffe mal, nicht in den nächsten Tagen. Die Hitze alleine reicht schon aus. Gegenwind brauche ich da nicht auch noch dazu.
Die Abstände der Raststationen sind fürs Radeln eigentlich perfekt. Meistens sind die Wasserreserven gerade am Schwinden, wenn die nächste Raststation auftaucht. Ich hoffe, dass das vor allem jetzt im Turpan-Tal auch so bleibt.
An Zelten ist in dieser Hitze ohnehin nicht zu denken, ausserdem gibt es nirgendwo Schatten. Alle paar Kilometer gibt es aber unter der Straße kleinere und größerer Durchlässe für Schmelz-, oder Regenwasser. Für heute wird es also ein Schlafplatz im Freien, unter einer Brücke werden. Ein paar Kilometer vor Turpan taucht dann noch unerwartet eine Tankstelle auf. Hier gibts noch einmal kalte Getränke und Wassernachschub. Kurz danach finde ich dann auch schon einen Spitzenplatz zum Nächtigen. Die abendliche Dusche fällt heute mal sehr heiß aus. Um 22 Uhr wird es langsam finster, doch die Temperatur liegt immer noch bei 38 Grad. Vielleicht sollte ich morgen einfach mal vor Sonnenaufgang starten…

 

Tag 179 – 29.Juli

Kurz vor Turpan – kurz nach Shanshan / Hami: 141km; 6:53h im Satte.; 32 – 44 Grad, bedeckt
Hotel

Eigentlich dachte ich, dass es in der Wüste unter Tags extrem heiß, dafür aber Nachts ziemlich kühl ist. Es muss sich hier also um irgendeine andere Landschaftsform handeln. Die Temperatur fiel Nachts praktisch um kein Grad ab. Man hatte das Gefühl, auf einer Herdplatte zu liegen. Um drei Uhr Morgens hatte es immer noch 37 Grad. Zum Glück frischte gegen vier der Wind auf und es wurde ein wenig kühler. Dafür musste ich meinen Schlafplatz wechseln und Schutz hinter dem Brückenpfeiler suchen. Der Wind wurde mit der Zeit immer stärker, zu meiner Freude blies er aber aus der richtigen Richtung.
Nach einem kurzen Frühstück im Windschatten des Brückenpfeilers mühte ich mich ab, bei den Sturmböen das Rad zu beladen und musste immer wieder darauf achten, dass mir die Packtaschen nicht aus der Hand gerissen werden. Der frühmorgendliche Wind hatte sich nun zu einem beachtlichen Sturm / Sandsturm emporgearbeitet. Als ich dann aber erst einmal auf dem Rad saß, ging es ziemlich flott in Richtung Turpan. Man fährt über viele Kilometer durch eine Gegend in der es keinen Busch, keinen Baum, kein gar nichts gibt und dann erreicht man Turpan und fühlt sich, als ob man eine Oase durchfahren würde. Überall stehen Bäume, es wird viel Wein angebaut und am Straßenrand werden Melonen verkauft. Ich ließ Turpan allerdings rechts liegen, weil ich sicher war, dass um sieben Uhr Morgens noch nicht wirklich was los sein wird. Die Autobahn führt nämlich an Turpan vorbei, den geographischen Tiefpunkt Chinas erreichte ich also nicht ganz. Bis auf 60m unter dem Meer ging es aber trotzdem hinab. Ich schien Glück zu haben, die Temperaturen waren noch im erträglichen Bereich. Die Sonne kam nicht wirklich zum Vorschein, eine dichte Schicht aus Dunst und Sand verdunkelte den Himmel. Mir war das ganz recht, denn vor den Hitzerekorden in Turpan hatte ich schon ein wenig Respekt.
Seit ich auf der G30 unterwegs bin, begegnen mir immer wieder chinesische Motorradfahrer, die oft schwer bepackt an mir vorbeifahren. Heute blieb sogar einer mal stehen. Er fährt von Urumqi aus bis nach Shanghai, also mehr oder weniger durch ganz China von West nach Ost. Ins Ausland kommt er nicht so einfach, daher ist er eben in China mit dem Motorrad unterwegs. Nachdem er sich in Turpan gerade mit frischen Trauben eingedeckt hatte, gabs für mich auch eine Tüte voll, die ich in weiterer Folge genüsslich aus der Lenkertasche verzehren konnte.
Irgendwie kann man sich gut vorstellen, dass Turpan auf der Seidenstraße wirklich so etwas wie eine Oase war. Jetzt findet hier intensiver Obstanbau statt. Aus der Wüste kommend und wieder in die Wüste fahrend wirkt es ein wenig ungewohnt, plötzlich mit so viel frischem Obst umgeben zu sein. Den ganzen Tag über werde ich von schwer beladenen LKWs mit Melonen aller Art überholt. Der Wassermelonentransport sieht auf den ersten Blick wie ein Strohtransporter aus, weil die Wassermelonen in mehreren Ebenen auf dem LKW dick mit Stroh geschützt werden. HIe und da sieht man aber das Grün der Melonen durch die Strohbündel durchblitzen. Honig- und Zuckermelonen werden in Kisten verpackt transportiert. Am Straßenrand immer wieder Mal verlorene Ladung. Leider war bisher noch keine einzige heile Melone dabei… Auf der Raststation gabs dann dafür aber direkt aus dem Führerhaus eines LKWs eine Zuckermelone zum Geschenk. Ich dachte mir, das Dessert für heute Abend ist gerettet, doch es sollte alles noch ganz anders kommen.
Der starke Rückenwind von heute Früh flachte kurz hinter Turpan schon wieder ab. Jetzt ging es langsam wieder aus dem Tal hinaus. Meter um Meter ging es langsam bergauf, einem sehr idyllischen Flusslauf / Canyon folgend, bis man auf etwa 300 Höhenmeter angekommen ist, von hier aus gehts dann wieder ewig lange eben dahin. Der Wind blies nun stellenweise kräftig von der Seite, aber ich war eigentlich immer noch recht happy, dass es zumindest nicht so heiß war. Unterwegs traf ich noch zwei Radler aus Japan / Taiwan, die in Richtung Urumqi unterwegs waren. Gestern hatten sie z.B. vor Shanshan Temperaturen über 45 Grad.
Shanshan ist anscheinend ebenfalls eine Art Oase. Leider habe ich die Abzweigung zum Ort nicht rechtzeitig gesehen, bin dann also nur daran vorbeigefahren. Die Stadt ist auf der einen Seite begrenzt von einem dichten grünen Band aus Bäumen und Feldern und auf der anderen Seite von gewaltig hohen Sanddünen.
Ich stemmte mich weiter gegen den Wind und lechzte schon nach der nächsten Raststation. Die Abstände dazwischen werden nun spürbar weiter. Die Beschilderung war bereits zu erkennen, da gab es ein eigenartiges Geräusch von der Hinterradnabe. Offenbar macht der Freilauf Probleme. Bereits in Kirgistan hatte ich den Freilauf ja schon einmal gereinigt, weil er nicht mehr ganz einwandfrei gelaufen ist. Als ich dann aber die Kassette vom Hinterrad zog, sah ich die ganze Bescherung. Ich hatte mich auf ein wenig Säubern und neu schmieren eingestellt, aber statt dessen fiel mir der ganze Freilaufkörper entgegen. Mir völlig unerklärlich warum, aber der Freilaufkörper ist in drei Teile zerbrochen. SUPER! An ein Weiterfahren ist nicht zu denken, zurück nach Turpan will ich aber auch nicht, doch die nächtgrößere Stadt liegt 270km entfernt.
Ich versuche dem Mechaniker vor Ort die Lage zu schildern und nach anfänglichen Verständigungsproblemen sieht er auch nur noch eine Möglichkeit, eine Mitfahrgelegenheit nach Hami zu finden und dort eventuell Ersatz zu bekommen.
Jetzt heißt es also WARTEN. Nun gut, es gibt sicher schlechtere Plätze, als einen bestens ausgestatteten Rastplatz. Es ist aber schon kurz nach sechs und der Verkehr ist nicht mehr sonderlich stark. Auf den LKWs lässt sich das Rad nicht transportieren, die meisten Autos sind voll besetzt und Busse sind schon ewig keine mehr hier vorbeigekommen.
Seit einiger Zeit steht aber ein Pick Up auf dem Parkplatz, dessen Fahrer sich offenbar ausruht. Das wäre ja perfekt, denke ich, und marschiere mit der Straßenkarte in der Hand zum Wagen. Mit Händen und Füßen erkläre ich meine Situation und wie es der Zufall so will, fährt Yao wirklich nach Hami!
Nun geht es also durch das Stück Wüste, auf das ich mich eigentlich schon gefreut hatte. Es geht hinauf bis auf über 15000m und von dort aus dann in einer 150km langen Abfahrt wieder in Richtung Hami. Nun gut, viel hätte es nicht zu sehen gegeben in dieser Umgebung, aber irgendwie nagt die ganze Situation am Radlerstolz. Die Umstände wären wirklich perfekt gewesen, um auch noch dieses Stück Wüste zu durchradeln, und jetzt DAS…
Die Kilometermarker, an denen ich mich sonst immer orientiert hatte, sausen an mir vorbei. Bis nach Hami wäre ich noch weitere zwei Tage unterwegs gewesen, jetzt wird die Strecke in nur drei Stunden absolviert. Das Ras fest verzurrt auf der Ladefläche des Pick Ups, ich ziemlich geknickt auf dem Beifahrersitz und um mich herum nur Gesteinswüste. So sieht also der Rand der Wüste Gobi aus…
Es ist schon dunkel, als wir Hami erreichen. Yao liefert erst noch Waren ab, die er von Urumqi heute geholt hat. Danach gehts in seine Nachbarschaft zum Essen. Touristen kommen hier offenbar nicht sonderlich oft vorbei. Von den Nachbartischen kommen nach und nach die Leute zu uns herüber und wollen alle ein Foto mit mir machen. Das Essen war aber ein Traum. Yao bestellt einfach mal vier verschiedene Speisen und wir schlagen uns die Bäuche voll. Zu gerne hätte ich ihn zumindest zum Essen eingeladen, aber da war nichts zu machen. Auch meine Melone, die ich ihm eigentlich schenken wollte, lehnte er kategorisch ab. Wieder einmal bin ich mit einer Art von Gastfreundschaft konfrontiert, die man nicht sonderlich oft findet.
Yao bringt mich dann noch mit seinem Wagen in die Stadt zu einem Hotel. Was hätte ich nur ohne ihn gemacht. Ich hätte mir nie gedacht, diese Art von Hilfsbereitschaft in China zu finden, da die Leute bisher eher sehr zurückhaltend reagiert hatten, wenn man etwas von ihnen wollte. Ich bin auf alle Fälle mehr als froh, jetzt schon in Hami zu sein und hoffe mal, dass zeitnah Ersatz für das Hinterrad zu finden ist. Meine Fotokamera hat gestern Abend auch ihren Dienst quittiert. Nachdem ich sie schon zweimal beim Service hatte, ist es jetzt wohl an der Zeit, sich eine Neue zuzulegen. Eieiei, so langsam fällt das Equipment auseinander…
Mal sehen, was der morgige Tag so zu bieten hat. In Urumqi hatte ich bereits eine Freilaufnabe in der Hand und hatte kurz überlegt, ob ich mir eine mitnehmen soll… Aber ich dachte, dass die Nabe, die ich eingebaut hatte eigentlich mindestens 15 – 20 Tausend Kilometer halten sollte. Wie man sich täuschen kann.

 

Tag 180 – 30.Juli

Hami: 1 Ruhetag – Austausch Freilaufnabe
Hotel

Aufwachen in einem Hotelzimmer ohne Fenster ist ein wenig ungewohnt. Bisher hatte ich mich stets nach der Sonne / der Hitze orientiert, aber heute lief die Klimaanlage und kein Sonnenstrahl drang ins Zimmer. Etwas nervös verließ ich das Hotel auf der Suche nach einem Fahrradladen. An der Rezeption konnte man mir auch nicht weiterhelfen, also hieß es die Augen offen halten und einfach mal ein wenig durch die Gegend laufen. Der erste Radladen, den ich fand machte mir nicht viel Hoffnung. Die Chefin versuchte mir zu erklären, dass es in Hami keinen anderen Fahrradladen gibt und ich eine Austauschnabe vermutlich im 300km zurückliegenden Shanshan bekommen könnte… Etwas frustriert machte ich mich erneut auf die Suche. Dabei sprach ich einfach mal zwei junge Burschen an, die den Eindruck machten, dass sie ein wenig Englisch sprechen könnten. Ich hatte meine Glückssträne wieder gefunden. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken packten die beiden mein Rad in ihr Auto und fuhren mit mir ein paar Minuten zum nächsten Fahrradladen. Dort angekommen versicherten sie sich, ob ich auch das gesuchte Ersatzteil bekomme. Leider hatte ich diesmal kein Glück, aber immerhin wurden wir zu einer anderen Adresse geschickt. Gleich drei Fahrradläden nebeneinander, da sollte doch was für mich dabei sein. Es war nach langer Suche dann aber nur eine einzige Freilaufnabe aufzutreiben, die für 36 Loch und keine Disc-Aufnahme geeignet war. Immerhin besser als nichts. Qualitativ haut mich die Nabe jetzt nicht um, aber wenn sie mich zumindest noch zurück bis Deutschland bringt, bin ich schon froh.
Für innsgesamt 100 YEN, also ungefähr 12 Euro bekam ich einen neue Nabe in mein Hinterrad eingespeicht. Arbeitszeit kostet hier offenbar auch überhaupt nichts. Zum Schluss wurde noch die Schaltung kontrolliert, und die Bremsen nachgezogen, also mehr oder weniger ein Rundumservice. Meine Stimmung besserte sich zusehends. Der vor mir liegenden Strecke liegt nun nichts mehr im Weg. Ich hatte mich schon im Bus zurück nach Urumqi gesehen, um dort eine Ersatznabe zu kaufen.
Überglücklich radelte ich dann wieder in Richtung Hotel zurück, als mir aus einem vorbeifahrenden Bus eine europäisch aussehende Frau zuwinkte. Das Gesicht kam mir irgendwie bekannt vor, wusste aber anfangs nicht, wo ich sie einordnen sollte. Als der Bus stehenblieb war mir dann aber ziemlich schnell klar, dass es sich um Heike Pirngruber handeln muss. Ich hatte ihren Blog immer wieder mal verfolgt und war per Mail ab und an mit ihr in Verbindung gestanden. Sie ist eigentlich schon vor vier Wochen in China eingereist, musste aber nach Hami zurückfahren, um hier ihr Visum zu verlängern. Wegen eines Computerausfalls der Behörden in Dunhuang musste sie mit dem Bus bis nach Hami zurückfahren. Eigentlich war sie nun wieder auf dem Weg zurück, doch dann verplapperten wir uns irgendwie am Straßenrand.
Damit hätte ich nun ja wirklich nicht gerechnet, dass ich in China noch einmal auf Heike treffen würde. Ich dachte stets, dass ich sie irgendwo in Zentralasien vielleicht noch einholen könnte, aber nachdem ich erfahren hatte, dass sie schon drei Wochen vor mir in China eingereist ist, hatte ich mich von dem Gedanken verabschiedet. Aber die Tage in China sind voller Überraschungen…
Nachdem heute kein Bus mehr zurück nach Dunhuang fährt, bot ich Heike an, einfach die Nacht in meinem Hotelzimmer zu verbringen, da ich ohnehin in einem Zweibettzimmer hofiere. Und so hatten wir noch ausreichend Zeit, uns über die Erlebnisse der letzten Monate, die doch sehr unterschiedliche Wahrnehmung der einzelnen Länder und grundlegende Einstellungen zu unterhalten. Es tat wirklich gut, einmal wieder ausgiebige tiefergehende Gespräche zu führen.
Morgen gehts dann endlich wieder zurück auf die Straße. Ich freue mich jetzt schon wieder richtig aufs Fahren, hoffe nun aber, dass ich für die nächsten Wochen von weiteren Defekten verschont bleibe.