Tag 218 – 06.September

Peking – Jixian: 103km; 4:50h im Sattel; 26 – 31 Grad, bedeckt
Camping

Drei Tage Peking hatten einen weiteren Stein zum Puzzle des Gesamteindruckes Chinas hinzugefügt. Ich war überrascht, wie sauber, geordnet und grün sich die Haupstadt präsentiert. Selbstverständlich sieht man in drei Tagen nur einen winzigen Bruchteil der Stadt, aber für einen generellen Gesamteindruck reicht es schon. Der Regentag bei meiner Ankunft hatte sich offenbar ausgezahlt, denn dafür wurde ich mit zwei Tagen blauem Himmel belohnt. Gerade in den Sommermonaten kommt das nicht besonders oft vor. Heute zum Beispiel war die Stadt wieder fest im Griff einer schier undurchdringbaren Dunstwolke. Die Temperaturen lagen bereits am Vormittag weit über den 20 Grad und die hohe Luftfeuchtigkeit machte mir ordentlich zu schaffen.
Radfahren in Peking ist im Grunde eine feine Angelegenheit. Es gibt breite Fahrstreifen für Fahrradfahrer, die aber recht häufig zweckentfremdet werden, sodass man meistens sicherer auf der Straße unterwegs ist. Übertrieben viel Verkehr herrscht ohnehin nicht. Gerade im Stadtzentrum ist fast gar nichts los. Die achtspurige Straße führt vorbei am Tian Anmen Platz. Von hier aus wird die Kilometrierung vieler Straßen gestartet. Für mich gehts nun zum ersten Mal auf eine Straße, die aufsteigende Kilometerangaben hat. Bisher wurde stets in Richtung Peking zurückgezählt.
Die Sicht ist dermaßen schlecht, dass man nicht einmal das Ende des Platzes ausmachen kann. Im Osten der Stadt tauchen nach einigen Minuten dann die wenigen Hochhäuser im Geschäftsviertel auf und dann ist mehr oder weniger Schluss. Ein letzter Blick zurück auf die im Dunst verlaufende Ost-West-Achse Pekings. Ganz im Gegensatz zur Stadteinfahrt von Nordwesten kann man das wirkliche Stadtende bei der Ostausfahrt nicht klar festmachen. Immer wieder kommt man durch größere Vorstädte, die sicherlich noch zu Peking zu zählen sind. Auf großen Schautafeln auch hier die Visionen für die Zukunft. Man träumt von grünen Wiesen auf denen extravagant designte Stadtviertel stehen. Viel Glas, Grün und vor lachende Menschen, die ihre Freizeit in einer der vielen Malls bei Ouis Viton, oder Stabuck verbringen (so genau nehmen es die Visualisier nicht mit der korrekten Namensgebung). Eigenartigerweise hatte diese Art von Visualisierung in Peking nicht besonders ausgefallen gewirkt. Immerhin handelt es sich ja um die Hauptstadt und hier erwartet man sich fast schon derartige Planungen. Je weiter man sich nun aber von der Stadt wegbewegt, desto mehr wundert man sich, da die Grundstruktur der Städte eine völlig andere Sprache spricht. Aber es wird schon begonnen, die Vision in Wirklichkeit umzusetzen. Man arbeitet fleissig an den Hochhäusern und den unzähligen Shoppingmalls. Ein Blick auf die bestehende Stadtstruktur sagt mir aber, dass ein großer Teil der Bevölkerung dieser Entwicklung wohl nicht folgen kann. Dieses Phänomen konnte ich mehr oder weniger auf der gesamten bisher befahrenen Strecke feststellen. Das Land träumt von einer hochmodernen Zukunft, die sich vor allem in Architektur und Straßenbau widerspiegelt.
Für mich markiert heute das eigentliche Ende der Stadt das Wiederauftauchen der LKWs. Die Straßen werden wieder staubig und die Hupen laufen mal wieder heiß. Erst nach fast 80km gibt es die ersten Lücken in der Bebauung. Anfangs Baumschulen, dann vereinzelt kleinere Waldstücke. Es wird auch schon langsam Zeit, sich ein gemütliches Plätzchen für den Abend zu suchen. Nachdem ich erst gegen Mittag in Peking gestartet bin, ist heute nicht mit sonderlich vielen Kilometern zu rechnen. Gleich auf den ersten Anlauf gab es heute aber einen Spitzenmäßigen Platz in Mitten einer Platanengruppe. Nach ziemlich genau 17.000km werden nun die Bremsbeläge gewechselt. Die letzten Regenetappen hatten noch einmal ordentlich Belag geschluckt, bin aber trotzdem recht erstaunt, dass man mit einem Satz Bremsbelägen so weit kommen kann.

Tag 219 – 07.September

Kurz vor Jixian – irgendwo an der Chinesischen Mauer bei Lengkou: 151km; 6:48h im Sattel; 25 – 31 Grad, bedeckt
Privater Unterkunftgeber

Nachdem ich den kurzen morgendlichen Regenschauer erfolgreich im Zelt ausgesessen hatte, ging es auf die gestern spontan geänderte Route. Ich hatte beschlossen, die G102 zu verlassen und statt dessen weiter im Norden in Richtung Shanhaiguan zu radeln. Ich hoffte so, dem Schwerlastverkehr zu entkommen und vielleicht sogar in den Hügeln ein bisschen was von der Chinesischen Mauer zu sehen. Obwohl die Sonne hinter einem dicken Dunstschleier verborgen blieb, war es schon am Vormittag brütend heiß. Die hohe Luftfeuchtigkeit und der anfänglich doch noch recht intensive Verkehr machten mir ganz schön zu schaffen. Weit früher als gewöhnlich musste ich dieses Mal meine Mittagspause einlegen, da traf es sich ganz gut, dass ich gerade auf Zunhua zuradelte. Ich fand ein kleines Lokal, ganz nach meinem Geschmack. Gekocht wird auf dem Gehsteig, gegessen im Lokal, es gibt nur ein Gericht, was die Auswahl ziemlich erleichtert. Ziemlich flott hatte der Koch verstanden, dass ich kein Chinesisch spreche und fürsorglich wie er war gab er mir fast jede Zutat zum kosten bevor er mir eine leckere Schüssel Nudeln mit feingeschnittenem Rindermagen vorsetzte. Nachdem ich ihm erklärt hatte, was mich hierher verschlägt, war er so begeistert, dass er meine Versuche, für das Essen zu bezahlen erfolgreich ausschlug.
Nachdem ich meine Route mitten durch die Stadt gewählt hatte und nicht auf der Umgehungsstraße geblieben bin, landete ich irgendwann mehr oder weniger mitten in einem Fabriksgebäude. Die Ost-West-Hauptachse der Stadt führt ungelogen direkt in einen gewaltig großen Fabrikkomplex. Die Förderbänder verlaufen nur ein paar Meter neben der Straße, überall zischt und rumpelt es, man hat das Gefühl vom Weg abgekommen zu sein, doch dann taucht irgendwann wieder die Umgehungsstraße auf und es geht überraschend ruhig weiter. Leider verschluckt der dicke Dunst praktisch die gesamte Landschaft. Die Sicht beträgt nur wenige hundert Meter und es ist immer noch brütend heiß. Selbst wenn man sich nicht bewegt läuft einem der Schweiß von der Stirn. Radeln hilft sogar, weil es dabei ein wenig Fahrtwind gibt…
Neben der Straße tauchen endlich mal wieder neue Früchte auf. Es werden im Moment Erdnüsse und Esskastanien geerntet. Die Erdnüsse trocknen auf der Straße, oder vor den Häusern in der nicht sichtbaren Sonne.
Schemenhaft kann man in der Ferne viele kleine kegelartige Berge erkennen. Ich befinde mich im Moment ja schon auf etwa 100m Seehöhe, da wirkt ein 400m Hügel auch schon fast wie ein Berg… Ich kann mir gut vorstellen, dass die Strecke bei guter Sicht recht ansprechend sein kann, heute bleibt mir ein Großteil leider verborgen. Immerhin wird es nun doch recht ruhig auf der Straße. Der Ausflug auf die etwas längere Nordstrecke hat sich doch ausgezahlt.
Nachdem ich bei einer Polizeistation meine Wasservorräte aufgestockt hatte begann ich schon, mich nach einem Zeltplatz umzusehen, da tauchte ein Wegweiser zu einem Abschnitt der Chinesischen Mauer auf. Angeblich nur sechs Kilometer. Den Abstecher wollte ich dann nun doch wagen. Nachdem ich die Bundesstraße verlassen hatte, gab es dann aber kein einziges Hinweisschild mehr. Mithilfe eines Bildes der Chinesischen Mauer auf dem Tablet begann ich mich bei den Bauern, die neben der Straße Erdnüsse aus dem Boden zogen, durchzufragen. Die Straße schlängelte sich in ein abgelegenes Tal, nach und nach wurde die Straße immer schmäler, aber offenbar war ich auf dem richtigen Weg. Irgendwann war dann sogar der Straßenbelag verschwunden. Ein Kleinbus kam mir entgegen und eine junge Frau redete auf mich ein. Ich vermutete, dass sich mir klarmachen wollte, dass die Mauer für heute nicht mehr zugänglich ist. Ich versuchte zu erklären, dass ich heute nur zelten wolle und dann morgen die Mauer besichtige, da wendete sie und fuhr die letzten paar hundert Meter vor mir her. Der Weg endete hier nun, doch auf dem Bergkamm thronten die Befestigungstürme der Chinesischen Mauer. Immerhin war ich auf dem richtigen Weg…
Mir war nicht so ganz klar, wo ich nun gelandet war. Nach einem Dorf sah es nicht wirklich aus, vielmehr nach einer Ansammlung von Häusern, die zum Übernachten genutzt werden könnten. Eine Handvoll Arbeiter war noch damit beschäftigt, ein weiteres Haus als Erweiterung des Hauptgebäudes aufzumauern, doch die umliegenden Gebäude schienen alle unbewohnt. Soweit ich die Unterhaltung der jungen Dame aus dem Kleinbus mit einer weiteren kleinen, recht redebesessenen Frau verstand, sollte ich heute mein Zelt in der Tasche lassen und statt dessen in einem der Häuser übernachten. Angeblich soll mich das ganze auch nichts kosten… Es war mal wieder an der Zeit, einfach den Dingen ihren Lauf zu lassen, eine große Wahl hatte ich eh nicht. In gut einer Stunde wird es dunkel und gegen ein festes Dach über dem Kopf habe ich auch nichts einzuwenden.
Ich ließ mich in eines der Häuser führen, fand dort zwei Betten und einen großen Esstisch vor. Als Nachtlager recht luxuriös… Zu meinem großen Erstaunen waren die Leute hier ausgesprochen redselig, überhaupt nicht kontaktscheu und mehr als zuvorkommend. Ich fühlte mich ein wenig an den Iran erinnert. Nachdem den Arbeitern klar war, dass ich nicht wirklich Chinesisch spreche wurde begonnen, alles im Sand aufzuschreiben. Dass ich keine chinesischen Schriftzeichen lesen kann, war weit schwieriger verständlich zu machen, als die Tatsache, dass ich kein Chinesisch spreche.
Wir aßen alle gemeinsam in der großen Küche dicht gedrängt um einen kleinen Tisch. Jeder bringt seine eigene Schüssel und die Stäbchen und wäscht das ganze dann auch wieder ab. Es gibt kein fließend Wasser, statt dessen ein fast mannshohes Tongefäß aus dem das Wasser geschöpft wird. Trinkwasser wird abgekocht, für alles andere wird das Wasser direkt aus dem großen Gefäß verwendet.
Wir unterhielten uns eigentlich recht gut. Es wurden viele Fragen gestellt und teilweise minutenlang auf mich eingeredet. In der Regel gelang es mir meistens im richtigen Moment Ja, oder Nein zu sagen. Dass hier wieder einmal ein komplett anderer Dialekt gesprochen wird, kann ich nur anhand der Aussprache von “Deutschland” ausmachen, aber im Vergleich zu Peking klingt es schon wieder komplett anders. Kein Wunder, dass mich heute den ganzen Tag über keiner verstanden hat… Am Abend saßen wir dann noch alle gemeinsam in “meinem Zimmer” und ich erklärte anhand der großen Karte von China, meinem Reisepass und dem Bilderwörterbuch den groben Hintergrund meiner Reise. Mit großem Interesse wurde die Chinakarte studiert und von irgendwo tauchte dann auch noch ein Globus auf und dann war allen klar, wo ich mit dem Rad gestartet bin. Es wurde wild auf mich eingeredet, aber interessanterweise bekommt man den groben Sinn gerade bei solchen “Unterhaltungen” recht gut mit.
Es ist eine Freude, jetzt gegen Ende meiner Chinareise doch noch auf kontaktfreudige und überaus aufgeschlossene Leute zu treffen mit denen man sich auch ohne Sprachkenntnisse prächtig unterhalten kann.

Tag 220 – 08.September

Irgendwo an der Chinesischen Mauer bei Lengkou – Shanhaiguan: 142km; 6:25h im Sattel; 23 – 32 Grad, Sonne
Camping

Was mich heute Früh nach dem gemeinsamen Frühstück erwartete hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Der Dunstschleier von gestern hatte sich über Nacht in Luft aufgelöst und ein strahlend blauer Himmel verhieß einen grandiosen Tag. Ich startete meine Kletterpartie zur Chinesischen Mauer. Einer der Arbeiter zeigte mir noch den Einstieg in den im dichten Gestrüpp etwas versteckten Pfad und dann ging es erst mal eine gute Viertelstunde bergauf durch kniehohe Sträucher. Dem Pfad nach zu urteilen ist hier nicht unbedingt täglich mit Touristen zu rechnen. Immer wieder blickte ich mich um und war hin und weg von dem Ausblick in die unter mir liegende Ebene. Der gestrige Dunst hatte mir wirklich jede Sicht genommen. Bereits von meinem Zimmerfenster hatte ich gestern zwei Befestigungstürme und die dazwischen verlaufende Mauer ausmachen können. Nun war es endlich so weit und ich konnte einen Teil der weltberühmten Großen Mauer betreten. Die Chinesische Mauer wurde in unterschiedlichen Bauphasen errichtet bzw. erweitert. Das Mauerstück hier muss aus einer frühen Phase stammen, da es noch aus Natursteinen errichtet wurde. Man sieht aber bereits die Verstärkung und Erweiterung mit Ziegeln. Abschnittsweise wurden die Ziegel aber sorgsam abgetragen, vermutlich dienten sie den Einheimischen als Baumaterial. Als ich den ersten Hügel erklommen hatte, verschlug es mir erst einmal die Sprache. Ich konnte es gar nicht glauben, was nun vor mir lag. Schier endlos schlängelte sich die Große Mauer über die Bergkämme und verschwand irgendwo am Horizont. Ich hatte ja mit ein paar hundert Metern noch erhaltener Mauer gerechnet und nicht mit einem derartig grandios erhaltenen Abschnitt. Der Fotoapparat lief heiß und ich konnte mich gar nicht sattsehen an der faszinierenden Szenerie. So in etwa hatte ich mir die Chinesische Mauer immer vorgestellt. Dass es noch touristisch völlig unerschlossene Abschnitte dieser Größenordnung gibt überrascht mich ziemlich. Keine Menschenseele weit und breit, ich ganz alleine auf einem der größten Bauwerke der Welt… Am liebsten würde ich ewig entlangwandern, doch ich habe für heute noch einiges vor. Ich lasse es mir aber nicht nehmen und schaue mir noch ein paar Befestigungstürme von der Nähe aus an. Die Öffnungen der Türme hatten damals offenbar schon Fenster. Die Parapete bestehen aus einem etwas weicheren Stein, man kann noch die Vertiefungen für die Drehachsen der Fenster erkennen. Es ist schon erstaunlich, wie gut viele Türme und große Abschnitte der Mauer erhalten sind. Der Arbeitswaufwand der in diesem Bauwerk steckt ist einfach unvorstellbar.
immer wieder lasse ich meinen Blick entlang der Mauer schweifen, bis diese am Horizont verschwindet. Überglücklich klettere ich wieder zurück in die “Ferienanlage”, wo mich die Köchin bereits neugierig erwartet. Nachdem ich nicht bis zum Mittagessen bleiben kann, gibt sie mir noch frisch gepressten Tofu mit auf den Weg. Die Herzlichkeit, die ich hier erfahren konnte überwältigt mich. Fast ein bisschen wehmütig rolle ich eifrig winkend wieder in Richtung Tal.
Die besten Dinge ergeben sich meist völlig ungeplant. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht gehts nun langsam wieder zurück auf die Bundesstraße.
Die große Mauer verläuft noch einige Kilometer in Sichtdistanz zur S363, doch dann biege ich in Richtung Süden ab und die Mauer macht einen Schwenk nach Norden.
Bei traumhaften Bedingungen geht es gemütlich durch eine recht abwechslungsreiche Gegend. Ich bin heilfroh, die B102 verlassen zu haben und den Abstecher in Richtung Norden unternommen zu haben. Selten keine so gute Entscheidung mehr getroffen…
Das Tagesziel für heute: Ankunft in Shanhaiguan – hier verläuft die Chinesische Mauer ins Meer. Dieses Schauspiel will ich mir nicht entgehen lassen. Kurz vor der Stadt konnte man noch gut erkennen, wie die Große Mauer aus den Bergen in Richtung Shanhaiguan verläuft. Für mich ist es jetzt schon eine Weile her, dass ich das letzte Mal am Meer war. Zuletzt konnte ich im Iran einen Blick aufs Schwarze Meer werfen. Die ganze Zeit über frage ich mich schon, wann ich wohl zum ersten Mal Blickkontakt haben werde. Ich erinnere mich zurück an meine Zeit in der Türkei, als ich kurz vor Istanbul das Meer am Horizont aufblitzen sah. Heute gibts aber ein ganz großes Finale. Bis nach Shanhaiguan gab es keinen einzigen Blick aufs Wasser und auch in Shanhaiguan muss ich erst noch knapp fünf Kilometer radeln, bis ich am Eingang zum “alten Drachenkopf” bin – so nennt man den Teil der Mauer, der ins Meer verläuft. Der doch recht stattliche Eintrittspreis hält mich jetzt aber auch nicht mehr zurück. Nur noch wenige Meter und ich habe immer noch kein Wasser gesehen. Es geht eine breite Treppenanlage hinauf und dann – endlich – ist der Blick frei… Das chinesische Festland ist hier zu Ende! Ein bewegender Augenblick, nach so langer Zeit wieder die Weite des Meeres zu spüren. Vom Ende der Chinesischen Mauer hatte ich mir vielleicht ein wenig mehr erwartet, aber vielleicht trägt auch die Masse an Touristen dazu bei, dass mir hier kein Jubelschrei mehr über die Lippen kommt. Aber vermutlich bin ich einfach noch derart beeindruckt vom unrestaurierten Teil der Mauer, dass mich dieser praktisch neu gestaltete Abschnitt nicht mehr aus der Reserve locken kann. Viele Wochen sind vergangen, als ich nach einer Ewigkeit durch die Wüste zum ersten Mal die Überreste der Großen Mauer gesehen habe. Nun verläuft sie im Meer… Bin ich jetzt schon durch durch China? Nun ja, ein kleines Stück Weg liegt schon noch vor mir.
Erstmalig beschließe ich mitten im Stadtgebiet mein Zelt aufzustellen. Nur wenige hundert Meter von der Hauptsehenswürdigkeit entfernt sticht mir eine recht große Brachfläche im Schatten der Mauer ins Auge. Kurz wird die Örtlichkeit unter die Lupe genommen und dann steht auch schon das Zelt, nur einen Steinwurf vom Strand entfernt. Welch ein Tag… Zuerst ein morgendlicher Mauerspaziergang und dann noch Meeresrauschen am Strand. Frisch geduscht das Ende des Tages am Meer genießen, was will man mehr?
Am Abend füllt sich der Strand noch einmal. Heute ist Vollmond und zusätzlich Feiertag. Die Fotoapparate sind zuerst auf den alten Drachenkopf und schließlich auf den immer heller werdenden Vollmond gerichtet. Ich verziehe mich ins Zelt und hoffe auf gute Nachbarschaft mit einem hier in der Nähe brütenden Vogel. Lautstark hatte der sich nun schon ein paar Mal zu Wort gemeldet.