Tag 236 – 239 / 24. – 27.September

Mokpo / Boseong / Gwangju / Jeonju / Suwon / Seoul
4x Motel

Von Mokpo bekamen wir nicht sonderlich viel zu Gesicht. Abgesehen vom nächtlichen Rundgang, der aufgrund der Witterung eher knapp ausfiel blieb die Stadt für uns im Verborgenen. Bereits am frühen Vormittag mussten wir den Zug in Richtung Boseong nehmen um dort eine Teeplantage zu besichtigen. Am Bahnhof erhielten wir die Auskunft, dass wirklich nur ein einziger Zug am Vormittag nach Boseong verkehrt. Die vergangene Nacht hatte offenbar in der gesamten Region viel Regen gebracht. Die Flüsse waren aus ihrem gewohnten Bett getreten und viele der kleinen Zufahrtsstraßen zwischen den Reisfeldern waren überspült. Zum Glück hatte es sich über Nacht ausgeregnet und es schien ein relativ trockener Tag zu werden. Der Schalterbeamte am Bahnhof Boseong empfing uns in perfektem Englisch und erklärte uns auch gleich den Weg zu den Teefeldern. Es ist schon erstaunlich, dass man in Südkorea selbst in der tiefsten Provinz immer wieder auf Leute unterschiedlichstem Alter trifft, die überraschend gut Englisch sprechen. Bisher hatten wir noch kein einziges Mal Schwierigkeiten mit der Kommunikation. Ganz anders als in China wird hier fleissig weitergequasselt, auch wenn recht schnell klar ist, dass ich kein Koreanisch spreche. Schlussendlich hilft das aber sehr für die Verständigung, da man zumindest in Kombination mit der Körpersprache relativ leicht herausfinden kann, worum es eigentlich geht.
Die gesuchte Teeplantage befindet sich zwar nur wenige Kilometer ausserhalb von
Buseong doch es erwartete uns gleich ein völlig anderes Klima. Vermutlich noch als “Nebenwirkung” der zurückliegenden Regenfälle war es unvorstellbar schwül. Die gesamte Teeplantage war in dichtesten Nebel gehüllt und jeder Schritt bergauf trieb einem den Schweiß auf die Stirn. Für den Tee wahrscheinlich das ideale Klima, für mich im Moment ein wenig zu viel “Dschungel”. Grüner Tee wird hier viermal im Jahr geerntet. Die teuersten Blätter stammen aus der ersten Ernte, die Anfang April stattfindet, die Blätter der vierten Ernte, Ende Juli kosten dann nur noch ein Zehntel des Preises und werden fast nur noch zum Aufpeppen des Trinkwassers verwendet. Leider waren wir eine Woche zu früh in Boseong, denn Anfang Oktober findet das Tee- Festival statt. Dafür konnten wir völlig ungestört durch die Anlage laufen.
Als Tagesziel hatten wir uns Gwangju auserkoren. Der Zug fuhr erst am späten Nachmittag ab, was eine etwas längere Wartezeit am Bahnhof mit sich brachte, doch die Zeit vergeht wie im Flug, wenn man nur erst einmal im öffentlichen WLAN Netz hängt und in Reiseblogs anderer Radler schmökert.
Es war bereits seit einiger Zeit dunkel, als wir am Bahnhof Gwangju ankamen. Unsere neuste Taktik bei der Suche nach einer Unterkunft besteht nun darin, in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof nach einem möglichst billigen Motel Ausschau zu halten. Das eigentliche Stadtzentrum ist in Koreanischen Städten oft relativ weit vom Bahnhof entfernt, aber die günstigen Unterkünfte findet man am einfachsten dort. Nachdem momentan kein großer Besucheransturm herrscht, kann man sogar die Preise noch ein wenig verhandeln, großer Luxus ist aber nicht zu erwarten. In der Regel gibt es nur dünne Matratzen zum ausrollen und keine Betten. Das einzige, was alle Unterkünfte bisher gemeinsam hatten, war der recht große Fernseher im Zimmer. Nach einem Lokal muss man in Bahnhofsnähe auch nicht lange suchen. Auch heute hatten wir wieder Glück und erwischten eine fabelhafte Suppenküche. Nachdem Gregor und Stefan Mittags bereits eine typisch koreanische, kalte Suppe gekostet hatten, war die Spannung groß, ob zumindest am Abend alle Suppen eisfrei sein werden. In den letzten Tagen hatten wir jetzt schon recht häufig Suppen gegessen, aber zur Freude aller jedesmal eine Andere. Die Vielfalt der koreanischen Küche macht das Essen
zu einem absoluten Highlight.
Die Südkoreaner leben offenbar sehr Kalorienbewusst. Im Getränkeregal muss man regelrecht nach Getränken suchen, die zumindest ein paar Kalorien aufweisen, die Mehrzahl verspricht nur Null Kalorien. Auch bei den Desserts, die offenbar eine große Rolle spielen wird immer wieder auf kalorienarme Zutaten verwiesen. Mag sein, dass dies mit ein Grund dafür ist, dass ein Großteil der Südkoreaner unvorstellbar schlank ist. Um meinen Energiehaushalt decken zu können, hätte ich allerdings nichts gegen Getränke mit mehr Kalorien einzuwenden.

In Gwangju schlägt der Westen einmal wieder mit voller Wucht zu. Wir spazieren gemütlich vom Motel in Richtung Stadtzentrum und werden schon bald von einer der zahlreichen Einkaufsstraßen verschluckt. Ähnlich wie in China buhlen die Geschäfte mit lauter Musik um Kundschaft. Internationale Kleiderketten mischen sich unter heimische Geschäfte, die überwiegend Outdoorbekleidung verkaufen. Koreanische Mode ist nur sehr selten zu finden. Auch wenn ich jetzt schon über eine Woche in Südkorea bin habe ich mich immer noch nicht an dieses immense Überangebot und den massiven westlichen Einfluss gewöhnt. In den vergangenen Monaten hat sich mein Konsumverhalten gravierend verändert. Gerade die Zeit in den Ländern in denen fast nichts zu kaufen war hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Man fragt sich oft, was braucht man wirklich, was soll man sich gönnen und wo fängt der Überfluss an. Auf meiner Reise habe ich gelernt mit sehr wenig auszukommen und trotzdem überaus zufrieden zu sein. Ich bin gespannt, wie lange es dauern wird, bis das gewohnte Konsummuster wieder in mein Alltagsleben Einzug halten wird. Hier in Südkorea gibt es schon einmal den ersten Vorgeschmack auf das, was mich zuhause erwarten wird.
Nachdem wir nun in den letzten Tagen von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit gereist sind, spürt man schon, dass die Energie langsam schwindet. Unser Schwerpunkt verlagert sich nun deutlich in Richtung Kulinarik. Die Aufenthalte in Lokalen und vor Straßenküchen werden immer häufiger und länger. Gut essen gehört aber auch mit zu den besten Dingen, die man in Südkorea erleben kann. Trotz dem Gefühl dauernd gesättigt zu sein laden die vielen Leckereien aus den zahlreichen Küchen ständig zum probieren ein und ständig gibt es etwas neues zu entdecken.
Im KTX geht es weiter nach Jeonju. Selbst im Zug schaffen es die Südkoreaner ein stabiles WLAN Netz herzustellen, das gratis verwendet werden darf. Über Internetzugang braucht man hier in Südkorea definitiv nicht gesondert nachdenken.
Der Bahnhof in Jeonju liegt mehr oder weniger am Stadtrand, dafür findet man erstaunlich viele Love Motels in Bahnhofsnähe. Im ersten Motel scheitern wir an der personalfreien Rezeption, die Zimmerschlüssel bekommt man direkt vom Automaten. Der zweite Versuch bringt dann aber den gewünschten Erfolg und ich darf mich mit Reinhard und Stefan gemeinsam über ein großzügiges Zimmer mit drei getrennten Betten freuen. Von der Wand prangt ein riesengroßer HD Flachbildschirm der mit hunderten Sendern gefüttert werden kann. Ein wenig gewöhnungsbedürftig in den Südkoreanischen Motels ist noch die Tatsache, dass es keine Bettbezüge gibt. Beim Einchecken bekommt man zwar Handtuch und Rasierer in die Hand gedrückt, Leintücher oder Überzüge findet man aber nirgends.
Schon am Abend bekommen wir den ersten Eindruck von der “Altstadt” von Jeonju. Um die Gyeonggijeon Hall herum befindet sich ein “historisches” Viertel, unzählige Hanok Häuser wurden meist zu Lokalen, Galerien, Cafes oder Pensionen umgebaut, auf den Straßen treten sich die Touristen auf die Füße. Die augenscheinlich neu errichteten Gebäude wurden der alten Bausubstanz aber bis ins kleinste Detail nachempfunden.

Von der UNESCO wird Jeonju eigentlich als Stadt der Gastronomie erwähnt, auf mich wirkt sie aber mehr wie eine Shoppingmetropole. Nachdem wir unseren Weg durch die Einkaufsstraßen gefunden hatten, statten wir der Gyeonggijeon Hall einen Besuch ab. Hier wurde das Portrait des Königs Taejo aus dem 15.Jahrhundert aufbewahrt. Daneben findet sich auch noch ein Gebäude in dem Protokolle und Aufzeichnungen der Handlungen des Königs und Ereignisse des Jahres aufbewahrt wurden. Aufgrund der akribischen Arbeit der Geschichtsschreiber aus jener Zeit überdauerte zumindest eine der vier Kopien die Wirren der Geschichte und so können die Historiker ein recht detailliertes Bild über das Leben in Korea vor der Invasion durch die Japaner erstellen. Der Gebäudekomplex selbst wurde vielfach zerstört und immer wieder aufgebaut, vermittelt aber in seiner jetzigen Form immer noch ein gutes Bild von der ursprünglichen Struktur.
Das Wochenende steht vor der Tür und in den Gassen drängen sich massenhaft Touristen. Jeonju zieht offenbar vor allem junge Pärchen an von denen viele im Partnerlook unterwegs sind. Collin hatte uns bereits darüber aufgeklärt, dass “couplewear” momentan der heißeste Schrei ist. Es gibt sogar eigene Geschäfte in denen sich Mann und Frau von Kopf bis Fuß mit den gleichen Kleidungsstücken eindecken können.
Auch Schoßhunde scheinen bei jungen Paaren hoch im Kurs zu stehen. Man glaubt es nicht, aber hier in Südkorea, einem Land in dem es kaum Abfalleimer gibt, die Straßen aber trotzdem sauber sind, gibt es sogar Windeln für Hunde. Unter diesem Gesichtspunkt scheint es dann auch nicht mehr verwunderlich, dass mir bisher noch kein einziges mal Hundekot auf dem Gehsteig aufgefallen ist. In China laufen die Kleinkinder ohne Windel herum und erledigen ihr Geschäft an Ort und Stelle, für Südkorea völlig unvorstellbar, hier dürfen nicht einmal Hunde ihrem natürlichen Instinkt folgen…
Mit dem Zug geht es dann weiter nach Suwon. Wir befinden uns nun schon im Einzugsgebiet von Seoul. Die Stadt Suwon ist zwar eine eigene Provinzhauptstadt, allerdings bereits an das U-Bahnnetz von Seoul angeschlossen. Schon als wir am Abend aus dem Bahnhofsgebäude stolpern, hat man das Gefühl schon wieder in Seoul zu sein. Vor uns liegt eine pulsierende Vergnügungsmeile, eine Mischung aus Lokalen, Bars, Geschäften und Vergnügungspark. Ob der großen Dichte von Motels ist eine Unterkunft schnell gefunden und wir können ohne viel hin und her gleich zum kulinarischen Teil des Abends übergehen.

In Suwon befindet sich die Hwaseong Festung, welche im 18. Jahrhundert errichtet wurde. Interessant ist die Tatsache, dass für den Bau der Festung anfangs 10 Jahre Bauzeit veranschlagt wurden, der Bau aber bereits nach 2 1/2 Jahren fertiggestellt wurde. Grund für die verkürzte Bauzeit war wohl das neu eingeführte Entlohnungssystem anstelle der zwangsverpflichtenden Arbeit. Im Koreakrieg und auch im zweiten Weltkrieg wurde die Anlage größtenteils zerstört, doch in den 1970er Jahren begann man den Wiederaufbau voranzutreiben. Von der UNESCO wurde die Anlage Ende der 90er Jahre zur Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.
Klettert man die Festungsmauer empor treibt das den meisten Touristen gewaltig den Schweiß aus den Poren, dafür eröffnet sich ein schönes Panorama über Suwon. Von den historischen Bauten innerhalb der Mauer ist nicht viel zu sehen, weil die Stadt sich innerhalb der Festungsmauern weiterentwickelt hat, doch den Verlauf der ursprünglichen Festungsmauer kann man noch gut erkennen. Mit ein wenig Phantasie kann man sich ein Bild vom Ausmaß der historischen Festung machen.
Unsere Rundreise durch Korea neigt sich nun dem Ende. Zehn Tage waren wir unterwegs und konnten uns dank des guten Zugnetzes ein recht vielseitiges Bild von Südkorea machen. Für die abschließende Fahrt zurück nach Seoul nutzen wir jetzt schon wieder die U-Bahn. Für eine U-Bahn-Fahrt von einer Endstation zur nächsten kann man in Seoul durchaus mehr als zwei Stunden veranschlagen.
Als krönenden Abschluss für die gemeinsame Zeit mit meinen vier Super-Touristen gehts am Abend noch hinauf auf den Seoul Tower. Es ist Samstagabend und wir sind nicht die Einzigen, mit dieser Idee. Gerade für junge Pärchen ist der New Seoul Tower eine Toop-Destination. Sonderlich spektakulär ist der Blick über das nächtliche Seoul allerdings nicht. Ein Großteil der Bürogebäude ist komplett dunkel, nur ein paar wenige Hochhäuser sind beleuchtet. Seoul verfügt nicht wirklich über eine ausgeprägte Skyline und scheinbar folgt das Arbeitsleben auch großteils dem natürlichen Tagesrhythmus. Die letzte U-Bahn fährt bereits kurz vor Mitternacht und die meisten Lokale schließen gegen 23 Uhr. Selbstverständlich gibt es in Seoul auch Bezirke in denen man bis früh am Morgen unterwegs sein kann, trotzdem überrascht es ein wenig, dass auch in dieser Millionenstadt relativ früh Ruhe einkehrt.
Für Reinhard und Stefan ist der Koreaurlaub nun zu Ende, Gregor und Rhea können noch ein paar Tage Seoul unsicher machen und für mich beginnt – zumindest mental – die Rückreise. Ein paar Tage werde ich mich noch in Seoul aufhalten und ein wenig Zeit mit meinem überaus zuvorkommenden Warmshowers Gastgeber verbringen, doch dann gehts nach langer Wartezeit endlich wieder aufs Rad.