Tag 33 – 05.März

Niksar – Ünye: 99km; ca. 6h im Sattel; 14-19 Grad, Sonne
Hotel

Das Park Hotel machte seinem Namen alle Ehre. Ein so reichhaltiges Frühstück hatte ich die ganze Reise über noch nicht zu mir genommen. Zum ersten Mal kam ich auch in den Genuss des sog. Wabenhonigs. Dabei wird am Buffet eine ganze Bienenwabe aufgelegt und man sticht sich einen Teil davon ab. So ganz überzeugt hat mich das ganze aber nicht. Mir liegt da der klassische Honig in geschleuderter Form näher.
Entsprechend gestärkt ging es nun in Richtung Meer. Die ersten 10km ging es dann gnadenlos bergauf. Der Schweiß tropfte unaufhörlich von der Nasenspitze, die Augen brannten und es war kein Ende des Aufstiegs zu erkennen. 750 Höhenmeter am Stück legten wir zurück, bevor eine Quelle am Straßenrand auftauchte. Eine ideale Gelegenheit, die seit langem wieder notwendige Fahrradpflege durchzuführen. Ausserdem eine willkommene Gelegenheit, den Puls wieder auf Normalniveau zu bringen. Der Blick zurück ins Tal war aber atemberaubend.
Bis wir den höchsten Punkt der heutigen Etappe erreicht hatten, war es bereits nach 14 Uhr. Im Lokal wurden wir mehrmals gefragt, ob wir wirklich je 1 Döner und 1 Pide wollen. Ausgehungerte Radfahrer sind offensichtlich nicht allzu oft in der Stadt. Das ständige Auf und Ab bis zur Mittagsrast war eine psychische Herausforderung, da kein wirkliches Ende erkennbar war. Dafür radelten wir durch traumhaft schöne Landschaften. Nachdem der höchste Punkt erreicht war, ging es eigentlich nur noch bergab. Die Straße schnitt sich durch steil abfallendes Gelände. Der Blick auf die tief unter uns liegenden Dörfer hatte eine ganz spezielle Poesie. Die Hänge waren zum größten Teil mit Haselnussbüschen bepflanzt. Mit jedem Meter, den wir bergab fuhren, wurde die Landschaft grüner. Ein eigenartiges Gefühl, gerade eben noch am Schnee vorbeizufahren und dann mitten durch saftig grün leuchtende Haselnussplantagen zu radeln.
Da wir erst gegen 15 Uhr von unserer Mittagspause aufgebrochen waren, hatten wir uns eigentlich dazu entschieden, heute die Nacht im Zelt zu verbringen, da noch 60km vor uns lagen. Nach einigen Kilometern am Rad keimte bei mir allerdings der Wunsch, noch heute das Meer zu sehen. Irgendwie wollte ich nicht kurz vor dem Ziel das Zelt aufschlagen. Martin war rasch überzeugt und so ging es zügig in Richtung Ünye.
Martins Ikea Sackerl eignet sich nur bedingt für den Transport von Wasser, das eigentlich zum Campen gekauft wurde. Immer wieder musste er stoppen, um die Flaschen wieder sicher zu verstauen. Schließlich wurden die 3L Wasser kurzerhand auf meine Vordertaschen geschnallt und weiter ging´s.
Kurz nach 17 Uhr rollten wir in Ünye ein. Nach 2800 km war das Schwarze Meer erreicht. Meergeruch lag in der Luft, die Möwen kreisten über unseren Köpfen und langsam verschwand die Sonne hinter den Hügeln.
Trotz der immensen Belastung von über 2000 Höhenmetern bergauf lag eine fantastische Tagesetappe hinter uns. Mir kam es vor, als ob ich durch die Jahreszeiten gereist wäre. Trockenheit, Schnee, Frühling, Sommer… alles an einem Tag. Und zur Krönung dann noch das Meer gesehen.
Die letzten Tage waren wir ziemlich flott unterwegs. Nun muss etwas eingebremst werden. Bis jetzt hatte ich das Gefühl für Wochentage schon fast verloren. Die Geschäfte haben jeden Tag geöffnet, es gibt keine Notwendigkeit irgendwann vorauszuplanen. Jetzt holt mich das Wochenende aber doch ein. Ich muss in Trabzon mein Visum für den Iran beantragen. Wenn wir in unserem bisherigen Tempo weiterfahren, kommen wir Freitag Nachmittag in Trabzon an. Das Konsulat hat zu diesem Zeitpunkt aber schon geschlossen und öffnet erst wieder am Montag.
Daher wird es die nächsten Tage etwas gemütlicher weitergehen. Wir haben uns für zwei Übernachtungen bei türkischen Radlern in Ordu und Gerisun angemeldet. Nach so vielen Tagen im Hotel eine willkommen Abwechslung.