Tag 129 – 09.Juni
kurz vor Konibodam – kurz hinter Zar-Tash: 106km; 5:39h im Sattel; 28 – 35 Grad, Sonne
Camping
Heute Morgen fühlte ich mich zurückversetzt in die Zeit in Turkmenistan. Gleich nachdem die Sonne hinter dem Hügel emporgekommen war, näherte sich die Temperatur der 30 Grad Marke. Von dem vielen Grün, das mich gestern noch umgeben hatte war nichts mehr zu sehen. Wenn man sich umblickt gibts nichts als Gestein. In der Ferne kann man den See mit den breiten Grüngürtel aber noch ganz gut erkennen. Ein paar Aprikosen zum Frühstück, das wäre ein Traum, aber da war ich gestern Abend zu gierig und habe für heute nichts mehr übrig gelassen.
Heute wird also ein neuer Versuch gestartet, das Land zu verlassen. Erst einmal muss dazu aber noch ein wenig Höhe gewonnen werden. Bei den Temperaturen treibt einem aber schon der kleinste Anstieg den Schweiß auf die Stirn.
Bis nach Isfara, dem Grenzort waren es knapp 30km. Nachdem ich das Ortschild erreicht hatte, stach mir von der Ferne ein Radfahrer am Seitenstreifen ins Auge. Seit Langem wieder einmal ein “Kollege”. Wolfgang aus Hamburg war vor kurzem in Bishkek gelandet und verbringt seinen dreiwöchigen Urlaub jetzt in Kirgistan und Tajikistan. Gleich die erste Nacht musste er im Gefängnis verbringen, weil er irrtümlich als Spion verhaftet wurde. Wie er das angestellt hatte, weiß ich auch nicht, aber es gibt sicherlich einen angenehmeren Start. Ich gab ihm noch Grüße für Jona und Franzi mit auf den Weg, weil ich davon ausging, dass er ihnen über den Weg laufen würde.
Bis nach Kirgistan war es jetzt nicht mehr weit. Es führten zwei Wege nach Batken, der ersten Stadt in Kirgistan. Bei einer 50 / 50 Chance hatte ich mich offenbar für den falschen Weg entschieden. Gut 10km außerhalb der Stadt wurde ich von der Grenzpolizei gestoppt. Anfangs schenkte ich dem nicht allzuviel Bedeutung. Kontrollen vor der eigentlichen Grenze sind ja nicht ungewöhnlich. Bisher hatte ich bei Grenzübertritten ja stets das Glück, dass mein Gepäck nur stichprobenartig kontrolliert wurde. Diesmal erwischte es mich aber mal ganz anders. Nachdem der Obervorgesetzte an der Kreuzung aufgetaucht war, beschloss er, mein Gepäck zu begutachten. Dazu musste ich jede Tasche leeren und ihm und seinen Kollegen deren Inhalt erklären. Da wurde aber auch wirklich nichts ausgelassen. Zum Schluss hatte ich den Eindruck, dass das ganze wohl mehr eine Lehrstunde für die jungen Grenzsoldaten war. Für mich aber etwas mühsam. Der eigentliche ärgerliche Part kam dann aber ganz zum Schluss. Nachdem ich alles wieder verpackt hatte und mich darauf eingestellt hatte, gleich wieder weiterzufahren, eröffnete mir der Ranghöchste, dass ich auf dieser Straße nicht weiterfahren kann. Die Grenze hier sei nicht international, also muss ich nach Isfara zurück und von dort aus die andere Straße nehmen. Von einem der jungen Grenzsoldaten bekam ich dann aber noch zwei Kirschbonbons zugesteckt. Offenbar war ihm zumindest aufgefallen, dass die ganze Aktion ein wenig mühsam war.
Mannometer. Schon wieder zurück… So schwer hatte ich es bisher noch nie, ein Land zu verlassen.
Beim nun dritten Anlauf ging dann aber alles glatt. Die eigentliche Grenze glich mehr einem gut ausgebauten Polizeiposten. Ein paar Container am Straßenrand, im Schatten die großen Holzliegen, eine klapprige Schranke und das wars. Keine Gepäckkontrolle, kein gar nichts, nur ein einziger Grenzbeamter, der sich sichtlich freute, mal was anderes tun zu können, als die Personalausweise der Einheimischen zu kontrollieren. Einen derart unspektakulären Übergang hatte ich noch nirgendwo gesehen. Am meisten überraschte mich aber, im Ausreisebuch die Namen von Franzi und Jona zu sehen. Irgendwie sind sie also doch vor mir.
Ich kam mit einem NGO Mitarbeiter ins Gespräch, der parallel zu mir auch nach Kirgistan einreisen wollte. Entgegen der lapidaren Aussage der Deutschen Botschaft muss man offenbar doch sehr vorsichtig sein, welchen Weg man in Richtung Osh einschlägt. Die Enklaven dürfen nicht durchfahren werden, sondern müssen entsprechend umfahren werden. Wenn ich schon extra bei der Botschaft anrufe und dezidiert nach diesem Sachverhalt frage, dann erwarte ich mir durchaus eine verlässliche Antwort. Große Lust hatte ich nicht, in einer Uzbekischen Enklave zu landen und nicht mehr ausreisen zu können.
Zu meinem Glück hatte der Grenzbeamte von Kirgistan recht gute Laune und vor allem recht wenig zu tun… geduldig zeichnete er mir eine Karte, die mir den Weg zur richtigen Abzweigung weisen sollte. Auf meiner Karte war die entsprechende Straße nämlich gar nicht eingezeichnet. Immerhin konnte ich auf meiner Offline Karte die Straße finden.
Ich holperte ein paar Kilometer aus Batken hinaus und gönnte mir dann, nachdem der Asphaltbelag wieder begann, eine ausgedehnte Pause im Schatten. Gerade als ich wieder losfahren wollte, sah ich in ein paar hundert Metern Entfernung zwei Radler auf mich zukommen. Es waren Jona und Franzi. Gestern hatten wir offenbar nur wenige Kilometer voneinander gezeltet. Ich war aber etwas früher gestartet und hatte sie somit überholt. Auf Wolfgang sind sie ungefähr eine halbe Stunde nach mir gestoßen. Sie hatten gleich versucht, mit mir aufzuschließen und hatten mich eigentlich schon abgeschrieben, aber irgendwie spielt der Zufall dann doch oft eine große Rolle.
Ab jetzt also wieder zu dritt. Mit leichtem Rückenwind radelten wir in der Abendsonne Richtung Osten.
Der erste Tag in Kirgistan. Ein großer Unterschied ist nicht zu erkennen. Die vielen Opel Astra sind aber auf einen Schlag verschwunden. An deren Stelle tritt jetzt der legendäre Audi 100, der aus dem deutschen Straßenbild schon zur Gänze verschwunden ist. Hier in Kirgistan haben sich offenbar alle Audi 100 wieder versammelt. Die Landeswährung heißt ebenfalls SOM, einzig der Umrechnungskurs ist etwas anders. Größte Veränderung bisher – die Uhr wird wieder einmal umgestellt. Diesmal eine ganze Stunde.
Tag 130 – 10.Juni
Kurz hinter Zar-Tash – kurz vor Uch Korgon: 104km; 5:34h im Sattel; 28 – 36 Grad, Sonne
Camping
Ein paar Nachwehen von meinem Zentralausfall in Dushanbe sind immer noch zu spüren. Gerade heute war es besonders mühsam voranzukommen. Die Beine sind gerade bei den Anstiegen besonders schwammig und der Körper sehnt sich schon nach einer ausgedehnten Pause. Bis nach Osh sind es nur noch zwei Tagesetappen, dann darf wieder etwas pausiert werden. Nachdem wir gottseidank den etwas ruppigen Straßenbelag kurz hinter Batken hinter uns gelassen haben, hat sich nun der glatte Asphalt durchgesetzt. Die HItze setzte uns allen aber ein wenig zu, sodass wir bereits um 11 Uhr die erste Rast einlegen mussten. Aus den geplanten 10 Minuten wurden dann doch fast zwei Stunden. Keiner von uns drei hatte große Ambitionen sofort weiterzufahren und so genossen wir die Ruhe im Schatten. Nachdem die ersten Zuckerentzugserscheinungen behoben waren, gab es vom Vater der Kioskbesitzerin noch für jeden von uns eine Fanta geschenkt. Dazu gesellte sich dann noch ein Sack mit Keksen und schließlich noch ein paar frisch frittierter Fladen.
Am Straßenrand hatten wir immer wieder Gruppen von Frauen gesehen, die Teig kneteten und in großen Pfannen Öl erhitzten. Ob es sich dabei um einen besonderen Anlass handelte, oder ob sie das jeden Tag veranstalten war nicht auszumachen, aber nachdem doch relativ viel Aufwand betrieben wurde, gehe ich davon aus, dass es sich um etwas besonderes handeln muss. Mit etwas Zucker schmecken die Fladen vorzüglichst.
Mag sein, dass wir heute einen speziellen Tag erwischt haben, aber die Leute hier in der Gegend wirken alle sehr großzügig. Immer wieder bekommt man etwas geschenkt. Nachdem wir in einem Kiosk unseren Heißhunger auf Schokolade gestillt hatten (eine gewisse Abhängigkeit ist schon zu erkennen), gab es von der Besitzerin noch für jeden von uns eine Flasche Mineralwasser mit auf den Weg. Es freut die Leute immer ungemein, wenn man ihnen erzählt, was man hier in ihrem Land macht und woher man kommt.
Den ganzen Tag hatte ich darüber gegrübelt, ob es nun möglich sein wird, auf der Hauptstraße durch einen Teil von Uzbekistan zu fahren. die Grenze springt um ein paar Kilometer über die Hauptstraße hinweg. Ein wenig hatte ich schon damit gerechnet, aber für uns war der weitere Weg bei der ersten Polizeikontrolle versperrt. Auch wenn es sich nur um gut 5km Strecke handelte, durften wir nicht weiterfahren. Zum Glück gab es eine “Umgehungsstraße”… wir hatten eine üble Holperpiste erwartet, wurden dann aber von einer frisch planierten Sandstraße überrascht. Die EU hatte den Ausbau finanziert. Zum Abend hin also noch eine positive Überraschung.
Man kommt im Niemandsland zwischen Uzbekistan und Kirgistan an. Eine wirkliche Einreise findet nicht mehr statt, weil man ja auch nicht wirklich ausgereist war. Die Odyssee durch die etwas undurchsichtigen Grenzverläufe war nun aber beendet. Von nun an geht es nur noch durch das Gebiet von Kirgistan.
Konditionell pfiff ich heute Nachmittag schon aus dem letzten Loch und war froh, als wir in einer Obstplantage einen Platz fanden, wo wir das Zelt aufstellen konnten. Die Arbeiter vor Ort freuten sich sehr über unseren Besuch und wollten uns natürlich am liebsten zu ihnen nach Hause einladen. Ich sehnte mich aber nur nach einem ruhigen Platz im Zelt und war froh, als die merklich angetrunkene Partie wieder abgezogen war. Es ist schon erstaunlich, aber auffallend viele Männer, mit denen wir heute geredet hatten waren merklich alkoholisiert.
Tag 131 – 11.Juni
kurz vor Uch Korgon – Osh: 102km; 5:49h im Sattel; 23 – 31 Grad, Sonne
Hostel
Die letzten 100km standen heute vor uns. Auch Jona und Franzi freuten sich schon auf ein paar Tage Ruhe. Obwohl wir auf gutem Straßenbelag unterwegs waren, mussten wir uns ziemlich anstrengen, Die Räder kamen nicht so richtig in Schwung. Immer wieder ging es einen Hügel hinauf und jedes mal dachten wir, dahinter gehts jetzt bergab… Leider mussten wir darauf noch bis kurz vor Osh warten.
Die Siedlungsdichte hatte heute deutlich zugenommen. Wir radeln von einem Dorf ins nächste. Es scheint, als ob es den Leuten hier recht gut geht. Die Dörfer machen einen gepflegten Eindruck, die Häuser sind eingezäunt und immer wieder sieht man schön gestaltete Vorgärten mit Rosen in allerlei Variationen.
Die Vielfalt an Automarken hat sich nun auch schlagartig erhöht. Es fahren immer mehr neue Autos an uns vorbei. Irritierend ist nur, dass bei fast der Hälfte der Wagen das Steuer auf der rechten Seite ist. Ein erfreuliches Detail am Rande – endlich sieht man auch wieder Frauen hinterm Steuer. In Tajikistan habe ich kein einziges Auto gesehen, das von einer Frau gelenkt wurde. Das hat sich nun endlich geändert.
Der gestrige Eindruck bezüglich des Alkoholisierungsgrades der Männer bestätigt sich auch heute wieder. Wir sitzen gerade im Schatten und trinken die lebensnotwendigen Softdrinks, als uns zwei Herren bequatschen. Sie sind besonders redselig und schon von der Ferne kann man ihre Fahne riechen. Ein wenig bedenklich fand ich nur, dass sie dann noch in ihr Auto gestiegen sind. Wenn ich davon ausgehe, dass das kein Einzelfall war, dann fühle ich mich jetzt nicht mehr ganz so sicher bei dem teilweise doch recht dichtem Autoverkehr. Zum Glück habe ich ja noch meinen Rückspiegel… Hin und wieder muss man eben auf den Seitenstreifen ausweichen, wenn das von hinten kommende Fahrzeug nicht genügend Abstand halten will.
Beim Mittagessen fiel am Nachbartisch ein älterer Herr plötzlich einfach von der Bank und rührte sich nicht mehr. Zuviel Alkohol kann schon bedenkliche Auswirkungen haben…
Bei Jona gabs heute den ersten Speichenbruch. Selbstverständlich auf der Kassettenseite… Und dann leider kein passender Abzieher für die Kassette dabei. Mit einem gewaltig unrunden Hinterrad gings nun in Richtung Osh.
Für mich gabs heute mal wieder was zu feiern. Gut 30km vor Osh machte ich die 10.000km voll. Von nun an ist der Tacho also fünfstellig. Bis auf ein paar kleinere Ausfallserscheinungen macht das Rad auch noch erstaunlich gut mit. Die Schaltung funktioniert noch bestens, das Profil der Reifen verspricht auch noch einige Kilometer und sogar die Bremsbeläge können noch weiterverwendet werden. Es scheint, als ob ich nun die Hälfte der Strecke schon hinter mir habe. Ein bisschen komisch fühlt sich das an, aber auf der anderen Seite freue ich mich auch darüber, meinem Ziel deutlich näher gekommen zu sein.
Dem Tagesziel Osh näherten wir uns heute nur ganz langsam. Es stand noch ein letzter Anstieg vor uns und dann ging es 20km konstant bergab. Kräftiger Rückenwind erleichterte die Kletterarbeit und die darauffolgende Abfahrt war traumhaft. Die 80km/h Marke wurde nur ganz knapp verfehlt.
Bis wir das “Osh Gueshouse” gefunden hatten, verging ein wenig Zeit. Das Hostel befindet sich im vierten Stock eines Wohnblocks und ist ohne konkrete Wegbeschreibung nicht sehr leicht zu finden. Zum Glück gab es noch freie Betten für uns drei. Duschen und die Beine hochlegen, das war das Einzige, was jetzt zählte.
Valentin, den ich in Samarkand getroffen hatte, war für einige Zeit nach Deutschland zurückgeflogen. Er ist gestern wieder nach Osh gekommen und hat mir freundlicherweise neue Schläuche und Flickzeug von guter Qualität im Hostel hinterlegt. Die zweite Hälfte der Reise sollte ich nun also noch gut meistern können.
2 Responses to Tag 129 – 131: Aller guten Dinge sind drei
happy 10.000!!! alles glück der welt für teil 2!!
Sogoa in Tajikistan hat man Internetempfang. Am Oberfrauenwald bisher nicht. LTE-Telekom funktioniert nicht nun probieren wir mal Vodavone und sonst setzen wir auf Morsen. Kannst du das empfangen?
Bin die letzten beiden Tag ein Switzerland. Am nächsten Dienstag geht’s in Waldkirchen los. Habe letzte Woche noch 40 Bäume im Garten umgesagelt mit der Stihl 241. Die Zenzi hängt schon ab und zu im Radlhänger. Morgen gehe ich mit Alois und Markus auf den Säntis Abschlusstour Schweiz. Bis Boid im Woid da Baulei.
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