Tag 63 – 04.April

Miyaneh – Zanjan: 133km; 5:16h im Sattel; 10-18 Grad, sonnig
Guesthouse

Nachdem ich gestern praktisch 3/4 der Strecke an einem Bach entlang geradelt bin, wollte ich die Gelegenheit gleich noch beim Schopf packen und die schon lange ausstehende Fahrradreinigung durchführen. Nach der ersten Brücke steuerte ich also das Flussufer an und polierte Rad und Packtaschen wieder auf. Ich muss mich bei jeder Fahrradwäsche bisher noch wundern, dass ich unterwegs keine Schraube verloren habe, oder auch sonst noch keine gröberen Abnutzungserscheinungen am Material zu erkennen sind. Sogar auf den Bremsbelägen ist noch ausreichend Gummi drauf und das nach den zurückliegenden Bergetappen…
Das Rad glänzte wieder wie neu, als ich in ein neues Flusstal einbog. Dieses Mal gehts entgegen der Fließrichtung, aber mit kaum nennenswerter Steigung bergauf. Die Umgebung änderte sich nun deutlich. So nach und nach kam der Eindruck auf, dass man sich durch eine Wüste bewegt. Praktisch nirgendwo Ansiedelungen, geschweige denn landwirtschaftliche Anbauflächen. Statt dessen ging die Straße vorbei an fast zur Gänze verfallenen Dörfern, die allesamt ganz traditionell aus Holz und Lehm erbaut waren.
Nach gut zwei Stunden Fahrt kam dann der Moment auf den ich mich die letzten Tage schon gefreut hatte: Der Tacho sprang auf 5000km. Wenn man mal nur die Strecke von Wien nach Wladiwostok nimmt, ist das ja schon fast ein Drittel… Eieiei, es geht voran. Bis Teheran versuche ich noch Kilometer zu machen und dann möchte ich mir wieder etwas Zeit lassen. Ich habe gestern Abend noch einige Stunden im lähmend langsamen Internet verbracht. Nach meinen Recherchen muss ich für die Visa Beschaffung in Teheran ca. 10 Tage einplanen. Kann sein, dass alles ein wenig schneller geht, aber das Standardprozedere sollte mit 10 Tagen erledigt sein. Nachdem das iranische Visum für 30 Tage gilt, versuche ich am 30.April in Turkmenistan einzureisen, hoffe auf ein 5 Tage Transit-Visum und bin dann am 04.Mai in Uzbekistan. Jetzt muss ich mir nur noch überlegen, wann ich nach Tadschikistan einreisen will und dann steht der Plan für die nächsten Monate. Für Tadschikistan benötige ich nämlich ebenfalls ein tagesgenaues Einreisedatum. Erst in Kirgystan ist dann wieder alles offen.
Nun ja… jeden Tag, den ich früher in Teheran bin, habe ich mehr Puffer in Richtung Turkmenistan. Landschaftlich gibt die Strecke im Moment ohnehin nicht sonderlich viel her. Man radelt auf der Schnellstraße entlang und spult Stunde um Stunde die Kilometer ab. Bemerkenswert für die heutige Tagesetappe war, dass praktisch über mehr als 100km kein einziger Ort an der Strecke lag. Ich war froh über meinen Keksvorrat in der Packtasche, sodass ich Mittags zumindest die Energiereserven wieder aufladen konnte. Ich machte an einer Tankstelle Halt, die an sich als Rastplatz mit Mosche, Shop, Werkstätte etc. ausgeschildert war. Schlussendlich gab es dann aber nur eine Selbstbedienungstankstelle und der Rest war nich mehr in Betrieb. Während meiner Pause kamen immer wieder Neugierige vorbei und boten mir eine Tasse Tee, oder ein paar Bonbons an. Dafür erfuhren sie dann auch, was für eine Geschichte hinter dem eigenartig aussehenden Touristen steckt. Ich bin immer wieder sehr froh über mein kleines Bilderwörterbuch, das seinen festen Platz in der Lenkertasche gefunden hat, da hier auf den letzten Seiten einige Karten sind, auf denen ich meine Route bereits eingezeichnet habe. Ähnlich wie schon in der Türkei besteht die größte Sorge der Leute darin, ob mir nicht kalt sei. Auf die Idee, dass das Radeln vielleicht auch anstrengend sein könnte, kommen nur die Wenigsten.
Nach dem dann doch recht ausführlichen Boxenstop trat ich wieder in dei Pedale. Und nach gut einer Stunde Fahrt gabs dann zur Feier des Tages noch eine freudige Überraschung. Auf der Gegenfahrbahn entdeckte ich schon von Weitem einen Fahrradreisenden. Besser gesagt, es waren zwei… Goetan und Nathalie auf einem Tandem mit Anhänger (www.le-tandaimer.fr). Die beiden Franzosen waren von zuhause aus in Richtung Indien gestartet und sind jetzt wieder auf dem Rückweg. Auf ihrer Strecke im Iran sind ihnen bisher schon vier Radtouristen begegnet. Alle entgegen ihrer Richtung, also eigentlich in meiner Richtung. Mal schauen, ob mir der Eine oder Andere auch noch über den Weg läuft. Goetan und Nathalie werden in ein paar Tagen wieder in die Türkei einreisen und dann weiter nach Europa radeln. Im Juli wollen sie dann wieder in Frankreich sein…Schade, dass wir nicht noch ein paar Kilometer gemeinsam radeln können. Es gäbe so viel zu erzählen. Wir plauderten ausgiebig, doch dann kamen von Westen her ziemlich schwarze Wolken und es begann auch schon zu regnen. Ich hatte noch einiges an Weg vor mir, also verabschiedete ich mich von den Beiden und radelte weiter.
Heute schien mein Glückstag zu sein, weil der starke Wind direkt von hinten kam und mich so einerseits ziemlich schnell vorwärts kommen ließ und andererseits mich vom Regen verschonte. Erst als ich in Zanjan angekommen war und mein Zimmer bezogen hatte, begann es ordentlich zu regnen.

Tag 64 – 05.April

Zanjan – Takestan: 146km; 5:25h; 16 – 18 Grad, sonnig
Hotel

Über Nacht hatte es sich ausgeregnet und mich empfing wieder ein strahlend blauer Himmel. Als ich mich wieder auf die breit ausgebaute E32 einreihte bemerkte ich, dass heute ordentlicher Rückenwind blies. In einem ziemlichen Tempo wurde ich Richtung Osten geschoben. Landschaftlich war die Strecke leider auch nicht viel aufregender als gestern. Ich pedalierte durch eine mehr oder weniger flache Hochebene. In der Ferne erhoben sich die schneebedeckten Berge. Man konnte die Neuschneegrenze der gestrigen Niederschläge gut erkennen. Hinter dem Gebirgszug zu meiner Linken liegt das Kaspische Meer. Ich hatte darauf verzichtet, einen Abstecher ans Meer zu machen, weil ich jetzt ein paar Tage ohne große Bergpässe auskommen wollte. Und so brauste ich weiter auf der Bundesstraße dahin. Zwischen den größeren Orten ließ der Verkehr immer wieder deutlich nach, doch sobald man sich größeren Ansiedlungen näherte, kam man sich wie auf einer dich befahrenen Autobahn vor. Zu meinem Glück gab es meistens einen sehr breiten Seitenstreifen, der von den Iranern auch gerne mal zum Überholen verwendet wird. Im Gegensatz zu Armenien muss man offen zugeben, dass der Fahrstiel weitaus aggressiver ist. Als Fahrradfahrer muss man immer den Gegenverkehr und die von hinten kommenden Fahrzeuge ganz deutlich im Auge behalten, um rechtzeitig so weit rechts als möglich ausweichen zu können. Meine besten Freunde sind auch diejenigen, die am Straßenrand stehen und dann just in dem Moment losfahren, wenn ich auf ihrer Höhe bin. Nun gut, der Anpassungsprozess geht hier relativ schnell. Einfach ein wenig achtsamer unterwegs sein und schon kann man auch das Fahren im dichtesten Verkehr genießen.
Wenn ich mir die Landkarte so anschaue, kommt es mir vor, als ob es bis Teheran in diesem Stil weitergehen wird. Ein wenig vermisse ich die abwechslungsreichen Strecken in Georgien oder Armenien. Aber auf der anderen Seite versuche ich im Moment ja primär Strecke zu machen, um früher in Teheran anzukommen.
Als ich Nachmittags in Takestan ankam, wollte ich mir zuerst eine SIM Karte für das Handy besorgen. Offenbar geht das aber nur mit iranischem Pass. Vielleicht habe ich in Teheran mehr Glück. Grundsätzlich wäre es ganz sinnvoll, weil die Abdeckung mit Internet wirklich sehr schlecht ist und ich nach Teheran wieder öfter versuchen möchte über Warmshowers Unterkünfte zu finden. Zum Campen lädt zumindest die aktuelle Strecke wirklich nicht ein.
Hatte ich mich bisher immer wieder darüber geärgert, dass man beim Radeln meistens Gegenwind hat, wurde ich heute auf der gesamten Strecke mit kräftigem Rückenwind verwöhnt. Das schnelle Radeln hat aber durchaus auch Tribut gefordert. Nach dem Duschen fiel ich wie tot ins Bett und musste erst mal die Beine hochlegen.