Tag 56 – 28.März
Yerevan – kurz vor Zangakatun: 95km; 5:08h im Sattel; 14-20 Grad, sonnig / Regen
Camping
Auch wenn ich nur einen Tag zu Besuch bei Hasmik und Onik war, habe ich die beiden sehr ins Herz geschlossen. Fast schon ein bisschen schade, heute schon wieder aufzubrechen. Es herrschte aber keine Eile. Wir frühstückten noch gemütlich gemeinsam, dann packte ich langsam meine fünf Taschen zusammen. Kurz nach Mittag brach ich dann auf. Ich beschloss nicht gleich auf die Reise zu gehen, sondern drehte noch eine kleine Runde in Yerevan. Das besonders dynamische Reiterstandbild vor dem Bahnhof hatte mich schon Vorgestern fasziniert, heute wollte ich es noch einmal in Ruhe anschauen. Selten habe ich so einen Kraftausdruck in einem Reiterstandbild gesehen. Paradox, dass um das Standbild herum sich eigentlich alles im Stillstand befindet. Die groß dimensionierte Bahnhofshalle lässt auf ein geschäftiges Treiben schließen, doch der Zugverkehr in Armenien ist praktisch nicht existent. Mag sein, dass vor vielen Jahren mehr Züge gefahren sind, aber heute fährt praktisch nichts mehr.
Im Zentrum von Yerevan steht ein sehr spannend gestaltetes Gebäude, das eigentlich als Kino entworfen wurde. Zwei Kinosäle recken sich in den öffentlichen Raum. Leider ist auch dieses Gebäude nicht mehr in Verwendung. Eine eigenartige Mischung von Marktständen befindet sich nun im Eingangsbereich des einst sehr imposanten Kinos. Vermutlich stößt man auf weit mehr derartige Schmankerl wenn man sich noch mehr Zeit nehmen würde, doch nach gut 1 1/2 Stunden Stadtrundfahrt mit dem Rad schlage ich dann den Weg in Richtung Osten ein. Faszinierend für mich war, dass sich die armenischen Autofahrer nicht nur auf den Landstraßen, sondern auch im Großstadtverkehr sehr rücksichtsvoll verhalten. Es wird großzügig Abstand gehalten, Spurwechsel sind ohne Probleme möglich. Selbst im dichtesten Verkehr steigt der Puls kaum an. Eine sehr angenehme Erfahrung!
Leider bleibt mir der Blick auf den Ararat verwehrt. Es brauen sich dichte Schlechtwetterwolken zusammen und der Gipfel des Bergs der Armenier – der aber in der Türkei steht – bleibt verborgen. Dennoch kann ich mich beim Verlassen der Stadt nicht seinem Bann entziehen. Immer wieder blicke ich nach rechts und beobachte fasziniert seine schneebedeckten Flanken. Ganz genau behalten ich auch die Bewegung der Wolken im Auge. Immer wieder brauen sich dicke schwarze Wolken zusammen. Man kann bereits Regen in der Ferne erkennen, doch offenbar habe ich aktuell noch Glück. Die Wolken regnen sich abseits meiner Route ab.
Und so kann ich die Fahrt durch unzählige Obstplantagen genießen. Ein betörender Duft von verschiedensten Obstblüten liegt in der Luft. Leider verschwinden die Obstplantagen ab ca. 1200 Höhenmetern.
Am späten Nachmittag nehme ich den Anstieg auf knapp 2200m in Angriff. Ich möchte gerne noch heute über den Pass, um auf etwas niedrigerer Höhe mein Zelt aufschlagen zu können. Gerade als ich am höchsten Punkt angekommen bin, setzt starker Schneefall ein. Gerade noch rechtzeitig kann ich die Regenklamotten aus der Packtasche holen und entfliehe mit über 70km/h dem Schnee. Auf etwa 1600m schlage ich dann mein Zelt auf. Diesmal muss ich das Zelt bereits bei leichtem Regen aufstellen. Doch als alles im Trockenen ist, bricht ein kurzes Gewitter an. Froh noch rechtzeitig ins Trockene gekommen zu sein bereite ich das Abendessen vor. So schnell wie das Gewitter gekommen ist, so schnell verzieht es sich auch wieder und ich kann meinen Kocher ohne Regen aufstellen.
Tag 57 – 29.März
kurz vor Zangakatum – Sisian: 138km; 7:39h im Sattel; 2-13 Grad, Regen
Hotel
Nachts hatte es immer wieder kurz, aber heftig geregnet. Ich versuche ein Regenfenster zu erwischen, um meine Sachen zu packen. Ein heftiger Schauer verbannt mich aber wieder ins Zelt und ich überbrücke die Zeit mit einem ausgiebigen Frühstück. In meiner Packtasche haben sich bereits unzählige Dinge angesammelt, die sich zum frühstücken eignen… daher ist sie vermutlich auch so schwer geworden.
Für ein paar Kilometer radle ich dann noch im Trockenen, doch bald holt mich der Regen wieder ein. Das radeln in Regenklamotten ist gerade bei Anstiegen immer etwas unangenehm, da man trotz GoreTex unwahrscheinlich schwitzt. Es kommt dann zwar kein Regen rein, dafür ist man von innen her tropfnass. Atmungsaktivität hin oder her…
Onik und Hasmik hatten mir gestern mehrfach ans Herz gelegt, einen Abstecher nach Noravank zu machen. Es sind nur 8km einfacher Weg (die Straße ist leider eine Sackgasse), dafür geht es aber ordentlich bergauf. Bei strömendem Regen strample ich in einen wunderschönen Canyon hinein. Die Felswände ragen steil in die Höhe, überall sieht man kleinere Höhlen in den Felsen, die von verschiedensten Vögeln bewohnt werden. Nach knapp einer Stunde komme ich völlig erledigt am Kloster von Noravank an. Die Mühe hatte sich aber gelohnt. Auf einem Hügel thront eine sehr beeindruckende Kirchenanlage aus dem 12.Jahrhundert. Die filigranen Steinmetzarbeiten ziehen mich besonders in ihren Bann. Von Steinbearbeitung verstehen die Armenier wirklich was! Warum die Klöster aber immer auf einem Berg stehen müssen ist mir immer noch ein Rätsel.
Eigentlich wollte ich ja schon gestern bis Noravank gekommen sein. Doch nachdem ich erst sehr spät in Yerevan gestartet bin liegen nun noch einige Kilometer bis Silian vor mir. Es regnet weiterhin und die Temperaturen pendeln sich bei unter 8 Grad ein. Der Gedanke an ein Hotel und eine warme Dusche am Abend treibt mich vorwärts. Als ich am frühen Nachmittag in einem Straßenlokal kurz Halt mache, vermutet der Besitzer schon, dass ich seit Tagen nichts mehr gegessen habe. Ich bestelle praktisch alles, was seine Küche hergibt. Das war dann aber auch gerade genug!
Kurz danach geht es wieder mal bergauf. 1100 Höhenmeter am Stück stehen vor mir. Diesmal geht es hinauf auf 2350m. Zu meinem Glück lässt der Regen nach und schlussendlich kommt sogar die Sonne für ein paar Augenblicke heraus.
Der Weg hinauf ist zwar mühsam, doch landschaftlich umwerfend. Obwohl ich mich auf der M2, der einzigen Straße von Armenien in den Iran befinde, herrscht kaum Verkehr. Viele der wenigen Autos bleiben kurz stehen und erkundigen sich nach meinem Weg. Seit ich in Armenien bin ist den Leuten Wladiwostok ein Begriff. Der Einfluss der ehemaligen Sowjetunion ist doch spürbar…
Bei 2000m tauche ich langsam in die Schneelandschaft ein. Von den zurückliegenden Schauern liegt noch vereinzelt Schnee auf der Fahrbahn, die Temperatur fällt auf 2 Grad und starker Wind kommt auf. Zu meinem Glück kommt der dieses Mal aber von hinten! Offenbar hatte ich heute einen guten Draht nach Oben… Bei Kehren läßt der Wind nach und wenn ich wieder in die richtige Richtung radle frischt er wieder auf.
Nach unzähligen Kehren komme ich schließlich auf 2350m am. Ein eisiger Wind pfeift mir um die Ohren, doch ein “Gipfelfoto” ist nach diesem fulminanten Aufstieg Pflicht.
Auf den armenischen Landstraßen sind Kilometerbeschilderungen sehr selten zu finden. In der Regel werden nur die Straßenkilomter der befahrenen Straße gezählt. Nun weiß ich zwar, wie weit es noch bis zur Grenze zum Iran ist, doch leider weiß ich immer noch nicht, wie weit es noch bis Silivan ist. In Silivan hoffe ich auf ein Hotel. Die Besiedelung ist in dieser Gegend äußerst gering und wenn man auf Dörfer stößt, ist ein Hotel eher schwer zu finden. So langsam wird es dunkel und ich bin froh über meine gute Lichtanlage. Die Straße ist wieder einmal gespickt mit Schlaglöchern und Bodenwellen, doch der Scheinwerfer leuchtet die Fahrbahn besser aus, als manch LKW der von hinten kommt.
Bis ich in Silivan ankomme vergeht noch einige Zeit. Körperlich bin ich schon an meinen Grenzen angelangt. Bei weit über 100km und 2500 Höhenmetern in den Beinen ist das aber kein Wunder. Gottseidank findet sich gleich ein Hotel und ich belagere das Zimmer mit meinen gesamten nassen Sachen. Das Zelt wird zum trocknen aufgestellt und aus den Vorräten der Packtasche wird noch ein köstliches Abendessen auf den Tisch gezaubert.
Jetzt erst Mal Füße hoch und Kraft tanken für die nächsten Tage. Es gibt noch einige Berge zu überqueren. Wenn alles nach Plan läuft, werde ich am 1.April in den Iran einreisen…
3 Responses to Tag 56/57: den Schnee wird man nicht los
Daniel mit Hund…und das in entspannt lockerer Pose, ein Foto mit Seltenheitswert!.. Deine Grenzen haben sich scheinbar in alle möglichen Richtungen ausgedehnt. Ich wünsch dir, dass sich sowohl Hunde als auch Menschen weiterhin wohlwollend und friedlich gestimmt zeigen. Was das Wetter angeht, würde ich dir allzugern einige frühlingshafte Sonnenstrahlen schicken, von denen wir zur Zeit mehr als verwöhnt werden, ich befürchte aber, dass es bei dem Wunsch, dir was Gutes zu Tun bleibt und du doch noch arg mit Schnee und Frost kämpfen musst.
Du bisd de raua Zehan, de wo östlich vo Untersaiberg, mid`n Drohdesl umadumfoad. Mia kranzl`s de Zeahnegl af wann i deine Gschichd`n do les. Iaz hanne grod an Ausdruck gmocht, damid i des da Maria und da Zenze heid na vorlesn kaa, wos du fia damesche Sachan mochst. Aff alle Fälle dawei ammoi an eddla Griass da Baulei
Das kloster schaut ja wirklich spitzenklasse aus. Eine richtige game of thrones kulisse. Gabs beim fleischhauer/fleischer/metzger (mehr wörter fallen mir grad nicht ein 🙂 ) auch leberkäse?
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